DRB-Vorsitzender Christoph Frank bei seinem Einführungsreferat.
DRB-Vorsit­zen­der Chris­toph Frank bei seinem Einfüh­rungs­re­fe­rat. Bild: Sascha Fromm

In vier sogenann­ten Streit­punk­ten, 21 Workshops, dem Forum Gerech­tig­keit und der Schluss­ver­an­stal­tung debat­tier­ten die Teilneh­mer unter­schied­lichste Fragen allge­mei­ner Natur, wie die Besol­dung der Richter und Staats­an­wälte, das Entste­hen von Paral­lel­jus­tiz auf Basis der Scharia oder die politi­sche Weisungs­ge­bun­den­heit der Staats­an­wälte.

Der Schwer­punkt der diesjäh­ri­gen Veran­stal­tung galt aber dem Verhält­nis von Medizin und Recht. Hierzu machte bereits im Vorfeld eine Frage­stel­lung die Runde: Wie quali­fi­ziert müssen medizi­ni­sche Gutach­ter sein? Der DRB forderte unmiss­ver­ständ­lich gesetz­li­che Mindest­stan­dards für deren Quali­fi­ka­tion. Dessen Vorsit­zen­der Chris­toph Frank erläu­terte in diesem Zusam­men­hang, dass Gutach­ter in mehr als der Hälfte aller Straf­ver­fah­ren heran­ge­zo­gen werden, damit die wichti­gen Fragen nach der Schuld­fä­hig­keit und der Glaub­wür­dig­keit von Angeklag­ten geklärt werden können. Umso nötiger sei es deswe­gen, ihre Quali­fi­ka­tion zu prüfen.

Auch in seinem Einfüh­rungs­re­fe­rat ging Frank auf das Thema Recht und Medizin ein. Über das Wortspiel „Grenzen des Rechts – Recht ohne Grenzen“ hinaus verdeut­lichte er die zuneh­mende recht­li­che Regulie­rung ärztli­chen Handelns, zuletzt durch die Veran­ke­rung des Patien­ten­rech­te­ge­set­zes im BGB. „Die Ärzte fühlen sich durch die zuneh­mende Dokumen­ta­tion kontrol­liert“, gab er beispiel­haft zu beden­ken. Auf das Thema der Gutach­ter zurück­kom­mend mahnte er wieder­ho­lend an, dass – bei einer steigen­den Zahl von Arzthaf­tungs­fäl­len – vermehrt auf ärztli­che Gutach­ter zurück­ge­grif­fen werden müsse, deren profes­sio­nel­les Standing mitun­ter nicht hinrei­chend geklärt sei. Frank warb für einen fachüber­grei­fen­den Dialog, um Missver­ständ­nisse abzubauen und Vertrauen zu schaf­fen.

Blick auf das Plenum.
Blick auf das Plenum. Bild: Sascha Fromm

Einer der „Streit­punkte“ lautete: „Das Leiden der Ärzte am Recht – dokumen­tie­ren und rechnen statt heilen und helfen?“ Natür­lich hat sich auch die Medizin dem Recht bezie­hungs­weise dem Rechts­staat zu unter­wer­fen – spitzte Prof. Chris­tian Katzen­meier vom Kölner Insti­tut für Medizin­recht das Thema zu. Dokumen­ta­tion sei wichtig, so Katzen­meier, nicht nur für den Fall eines Arzthaf­tungs­pro­zes­ses, sondern auch für den Patien­ten. Anderer­seits erkannte er auch an, dass die Ärzte durch die Pflicht zur Dokumen­ta­tion weniger Zeit für die Beratung und Thera­pie der Patien­ten haben. Katzen­meier bilan­zierte, dass die neuer­li­che Aufmerk­sam­keit auf Patien­ten­rechte eine Defen­siv­me­di­zin auslöse: Entwe­der­un­ter­las­sen Ärzte Behand­lun­gen oder sie sichern sich mit Überdia­gnos­tik ab. Deutli­che Kritik übte der Rechts­wis­sen­schaft­ler in diesem Zusam­men­hang an dem neuen Patien­ten­rech­te­ge­setz. „Das ist politisch motiviert und publi­kums­wirk­sam“, so Katzen­meier. Dem Arzt helfe es in der konkre­ten Behand­lung nicht weiter.

Vielleicht gründet das Leiden der Ärzte auch gar nicht in dem adminis­tra­ti­ven Akt der Dokumen­ta­tion sondern stammt aus dem ökono­mi­schen Bereich – so die These des Medizin­öko­no­men Jürgen Wasem. Schließ­lich seien der Umfang und die Komple­xi­tät der Abrech­nung mit den Kranken­kas­sen ständig gestie­gen. Wasem deutlich: „Die Ärzte leiden nicht am Recht sondern am Rechnen“. Dennoch seien die neuen Gesetze sinnvoll, denn die Ökono­mi­sie­rung der Medizin führe zu sparsa­me­rem Gebrauch medizi­ni­scher Leistun­gen. Dieser Effekt sei gut, so Wasem, da Ärzte dazu neigten, sich ihre eigene Nachfrage zu schaf­fen.

Chris­tiane Woopen, Vorsit­zende des Deutschen Ethik­ra­tes, machte drei Leiden der Ärzte am Gesund­heits­we­sen aus. So käme es vor, dass der Arzt nach dem Gesetz etwas tun müsse, was er persön­lich für unsin­nig halte oder dass etwas Sinnvol­les gesetz­lich verbo­ten ist und er es daher unter­lässt. Woopen folgerte nicht zuletzt aus diesem Dilemma ein neues Misstrauen zwischen Arzt und Patient, Ärzte heilten nicht mehr nach medizi­ni­schen sondern nach juris­ti­schen Indika­to­ren und sähen in ihrem Gegen­über weniger den Patien­ten und mehr den poten­zi­el­len Kläger.

Im „Forum Gerech­tig­keit“ disku­tier­ten die Teilneh­mer das Thema „Jeder für sich und alle gegen einen – zur Aufkün­di­gung der Solida­ri­tät im Gesund­heits­we­sen“. Ist der Einzelne verpflich­tet, aus Solida­ri­tät präven­tive Gesund­heits­maß­nah­men zu machen und an ärztli­chen Studien teilzu­neh­men? Nein, das ist er nicht, so Dr. Wolfgang Eberbach von der Fried­rich-Schil­ler-Univer­si­tät Jena. „Präven­tion ist tenden­zi­ell totali­tär“, so Eberbach. Jeder solle selbst entschei­den, wie gesund­heits­be­wusst er lebe. Aus Solida­ri­tät heraus solle niemand gezwun­gen werden, seine persön­li­chen Gesund­heits­ri­si­ken diagnos­ti­zie­ren zu lassen.