Geldwerte Vorteile
Eine Mitver­si­che­rung in der Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung des Kranken­haus­trä­gers stellt keinen geldwer­ten Vorteil dar Bild: Katar­zyna Bialasiewicz/Dreamstime.com

Der Begriff des „geldwer­ten Vorteils“

Zu den Einkünf­ten aus nicht selbst­stän­di­ger Arbeit gehören gemäß § 19 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Einkom­men­steu­er­ge­setz (EStG) – neben Gehäl­tern und Löhnen – auch andere Bezüge und Vorteile, die „für“ eine Beschäf­ti­gung im öffent­li­chen oder priva­ten Dienst gewährt werden, unabhän­gig davon, ob ein Rechts­an­spruch auf sie besteht und ob es sich um laufende oder um einma­lige Bezüge handelt (§ 19 Absatz 1 Satz 2 EStG). Diese Bezüge oder Vorteile gelten dann als für eine Beschäf­ti­gung gewährt, wenn sie durch das indivi­du­elle Dienst­ver­hält­nis veran­lasst sind, ohne dass ihnen eine Gegen­leis­tung für eine Dienst­leis­tung des Arbeit­neh­mers zugrunde liegen muss. Eine Veran­las­sung durch das indivi­du­elle Dienst­ver­hält­nis ist vielmehr zu bejahen, wenn die Einnah­men dem Empfän­ger mit Rücksicht auf das Dienst­ver­hält­nis zuflie­ßen und sich als Ertrag der nicht selbst­stän­di­gen Arbeit darstel­len (BFH vom 7.5.2014 – VI R 73/12 = BFHE 245, 230). Da diese Bezüge als Einkünfte im Sinne des EStG gelten, sind sie grund­sätz­lich lohnsteu­er­pflich­tig.

Häufig erfolgt die Gewäh­rung der Vorteile durch den Arbeit­ge­ber in Form von Sachbe­zü­gen, etwa durch die – lohnsteu­er­pflich­tige – Stellung eines Dienst­wa­gens. Andere Sachbe­züge sind unter bestimm­ten Voraus­set­zun­gen lohnsteu­er­frei. Schenkt etwa der Arbeit­ge­ber dem angestell­ten Arzt ein Daten­ver­ar­bei­tungs­ge­rät oder überlässt es ihm zu einem günsti­ge­ren Preis, geschieht dies für den angestell­ten Arzt steuer­frei unter der Voraus­set­zung, dass sein Arbeit­ge­ber den geldwer­ten Vorteil pauschal versteu­ert und dem Arzt das Gerät zusätz­lich zum Arbeits­lohn überlässt. Zahlt der Arbeit­ge­ber Fortbil­dun­gen des angestell­ten Arztes, ist dies zwar kein Sachbe­zug im eigent­li­chen Sinne, aber für den Angestell­ten steuer­frei, sofern die Fortbil­dung das Arbeits­ge­biet des Arztes betrifft.

Die Mitver­si­che­rung angestell­ter Ärzte in der Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung des Arbeit­ge­bers und die Übernahme der Beiträge durch ihn: ein steuer­pflich­ti­ger geldwer­ter Vorteil des angestell­ten Arztes?

Unter Berufung auf die Entschei­dung des BFH aus 2007 vertra­ten bundes­weit Finanz­ver­wal­tun­gen die Ansicht, dass der angestellte Arzt durch die Übernahme der Versi­che­rungs­bei­träge durch den Arbeit­ge­ber einen steuer­pflich­ti­gen Vorteil genieße und erlie­ßen gegen die Arbeit­ge­ber Haftungs­be­scheide wegen nicht abgeführ­ter Lohnsteuer.

2014 entschied aber das Schles­wig-Holstei­ni­sche Finanz­ge­richt im Fall angestell­ter Kranken­haus­ärzte, dass die Mitver­si­che­rung in der Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung des Kranken­haus­trä­gers keinen geldwer­ten Vorteil darstelle, da für diese angestell­ten Ärzte keine Pflicht zum Abschluss einer Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung nach dem schles­wig-holstei­ni­schen Heilbe­rufe- und Kammer­ge­setz bzw. der Landes­be­rufs­ord­nung für Ärzte bestehe, und arbei­tete die Unter­schiede zu dem Sachver­halt heraus, der dem Urteil des BFH aus dem Jahr 2007 zugrunde lag: Rechts­an­wälte sind gemäß § 51 Bundes­rechts­an­walts­ord­nung gesetz­lich verpflich­tet, eine Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung abzuschlie­ßen, sie ist unabding­bar für die Ausübung des Berufs eines (angestell­ten) Rechts­an­walts. Für Ärzte gibt es keine gesetz­li­che Pflicht zum Abschluss einer (eigenen) Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung auf Bundes­ebene. Diese Grund­sätze gelten für alle angestell­ten Ärzte, also auch die, die in ambulan­ten Versor­gungs­struk­tu­ren (Gemein­schafts­pra­xis, MVZ oder Ähnli­ches) tätig sind.

Zwar existie­ren auf Landes­ebene Heilbe­rufs- und Kammer­ge­setze bzw. die Berufs­ord­nun­gen, die für die heilbe­ruf­li­che Tätig­keit einer juris­ti­schen Person des Privat­rechts (zum Beispiel einge­tra­ge­ner Verein, GmbH oder Ähnli­ches) verlan­gen, dass eine ausrei­chende Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung für die juris­ti­sche Person und die dort tätigen Berufs­an­ge­hö­ri­gen besteht. Ebenso wird zum Teil geregelt, dass die Kammer­mit­glie­der (Ärzte), die ihren Beruf ausüben, eine ausrei­chende Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung zur Deckung sich aus ihrer Berufs­tä­tig­keit ergeben­der Haftpflicht­an­sprü­che abzuschlie­ßen und während ihrer Berufs­aus­übung aufrecht­zu­er­hal­ten haben, soweit nicht zur Deckung der Schäden Vorsorge durch eine Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung getrof­fen ist. Aller­dings ergibt sich daraus nicht, dass der Abschluss einer Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung für angestellte Ärzte unabding­bar für die Ausübung ihrer beruf­li­chen Tätig­keit ist, wenn sie bereits in der Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung ihres Arbeit­ge­bers versi­chert sind.

Aus diesen Gründen steht bei der vom Arbeit­ge­ber abgeschlos­se­nen Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung die Abdeckung der eigenen Risiken im Vorder­grund. Der Vorteil der angestell­ten Ärzte (Mitver­si­che­rung) erweist sich daher ledig­lich als notwen­dige Begleit­erschei­nung betriebs­funk­tio­na­ler Zielset­zung, bei der das betrieb­li­che Eigen­in­ter­esse des Arbeit­ge­bers überwiegt. Ein lohnsteu­er­pflich­ti­ger geldwer­ter Vorteil besteht für die angestell­ten Ärzte nicht.

Die gegen dieses Urteil gerich­tete Revision des Finanz­amts wies der BFH mit Urteil vom 19.11.2015 (VI R 47/14 = BFHE 252, 124) zurück. Die Ausdeh­nung des Versi­che­rungs­schut­zes auf die gesetz­li­che Haftpflicht von Betriebs­an­ge­hö­ri­gen helfe, Spannun­gen zwischen den Mitar­bei­tern und dem Versi­che­rungs­neh­mer (Arbeit­ge­ber) zu vermei­den, die bei ihrer unmit­tel­ba­ren Inanspruch­nahme durch den geschä­dig­ten Dritten entste­hen können, und diene so letzt­lich dem Unter­neh­mens­wohl. Regelungs­zweck des § 102 Absatz 1 Versi­che­rungs­ver­trags­ge­setz (VVG), nach dem sich eine Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung eines Unter­neh­mens auch auf die in einem Dienst­ver­hält­nis zum Unter­neh­men stehen­den Perso­nen erstre­cke, sei nicht die Zuwen­dung lohnsteu­er­recht­li­cher Vorteile, sondern die Absiche­rung unter­neh­me­ri­scher Betäti­gung durch entspre­chende versi­che­rungs­recht­li­che Regelun­gen. Da der Unter­neh­mens­be­griff des § 102 VVG weit gefasst ist und auch ambulant tätige Arbeit­ge­ber angestell­ter Ärzte umfasst, gelten die Feststel­lun­gen unein­ge­schränkt auch in diesem Bereich: Die Mitver­si­che­rung angestell­ter Ärzte in der Betriebs­haft­pflicht­ver­si­che­rung des Arbeit­ge­bers ist kein Lohn, weil die Mitver­si­che­rung keine Gegen­leis­tung für die Beschäf­ti­gung darstellt.

Dies hat der BFH im Jahr 2016 (BFH vom 10.3.2016 – VI R 58/14) in einem auch auf Arbeit­ge­ber angestell­ter Ärzte im ambulan­ten Bereich anwend­ba­ren Urteil zuguns­ten einer klagen­den Rechts­an­walts-GbR bestä­tigt.

Ausblick

Die bisher praxis­re­le­vante Frage des geldwer­ten Vorteils durch die vom Arbeit­ge­ber bediente Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung ist beant­wor­tet. Solange es keine bundes­ge­setz­li­che Regelung gibt, die zwingend eine Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung zur Voraus­set­zung der ärztli­chen Berufs­aus­übung macht oder aber der Arbeit­ge­ber Beiträge der indivi­du­el­len Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung des angestell­ten Arztes übernimmt, besteht keine Lohnsteu­er­pflicht.
Dr. iur Chris­tian Maus ist Rechts­an­walt und Fachan­walt für Medizin­recht bei Kanzlei Möller & Partner – Kanzlei für Medizin­recht, Düssel­dorf.