Urteil zum Tarifeinheitsgesetz.
Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt in Karls­ruhe. Bild: Mehr Demokratie/Wikimedia Commons

Was beinhal­tet das Tarif­ein­heits­ge­setz?

Nach dem Tarif­ein­heits­ge­setz kann in einem Betrieb dem Tarif­ver­trag jener Gewerk­schaft Vorrang einge­räumt werden, die mehr Mitglie­der im Betrieb hat. Dazu erfor­dert es ein gericht­li­ches Verfah­ren, das die Feststel­lung dieser Mehrheit beschließt. Auf diese Weise soll der Umstand geregelt werden, wenn inner­halb eines Betrie­bes in Konflikt stehende Tarif­ver­träge bestehen. Gewerk­schaf­ten und Verbände bestimm­ter Berufs­grup­pen hatten Verfas­sungs­be­schwerde einge­legt, da sie die Koali­ti­ons­frei­heit gemäß Artikel 9 Absatz 3 GG verletzt sahen.

Im Urteil vom 11.7.2017 hat der Erste Senat des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts entschie­den, dass das Tarif­ein­heits­ge­setz mit dem Grund­ge­setz verein­bar ist – zumin­dest weitge­hend. Gewisse Neure­ge­lun­gen müssten noch getrof­fen werden, dies solle bis Ende 2018 gesche­hen. So müsse noch berück­sich­tigt werden, dass bestimmte Berufs­grup­pen durch die Verdrän­gung von Tarif­ver­trä­gen vernach­läs­sigt werden.

Klaus Reinhardt, Hartmann­bund

„Das Urteil darf nicht dazu führen, dass sich die Arbeits­be­din­gun­gen der Ärztin­nen und Ärzte in Klini­ken verschlech­tern“, so der Vorsit­zende des Hartmann­bun­des, Dr. Klaus Reinhardt. Bezüg­lich der noch ausste­hen­den Neure­ge­lun­gen komme es jetzt auf die Sicher­stel­lung der spezi­fisch ärztli­chen Inter­es­sen an. Diese müssen auch in Zukunft in den Tarif­ver­trä­gen berück­sich­tigt werden. „Ich erwarte vom Gesetz­ge­ber, dass er ein faires und unbüro­kra­ti­sches Verfah­ren für einen Inter­es­sen­aus­gleich vorsieht, das die Tariff­rei­heit nicht unter­gräbt.“

Rudolf Henke, Marbur­ger Bund

Der 1.Vorsitzende des Marbur­ger Bundes, Rudolf Henke, blickt optimis­tisch in die Zukunft – auch wenn die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zu einer totalen Aufhe­bung des Geset­zes geführt hat. Er vertraut darauf, dass bis Ende 2018 entspre­chende Schutz­vor­keh­run­gen getrof­fen werden: „Das Bundes­ver­fas­sungs­ge­richt hat klarge­stellt, dass der Gesetz­ge­ber kein Recht hat, gezielt gegen bestimmte Gewerk­schaf­ten vorzu­ge­hen und verlangt deshalb weitrei­chende Schutz­vor­keh­run­gen, um auch die Rechte berufs­spe­zi­fi­scher Gewerk­schaf­ten zu wahren. Insofern vertraut der Marbur­ger Bund darauf, auch in Zukunft im vollen Umfang seine gewerk­schaft­li­chen Aufga­ben wahrneh­men zu können.“ Henke führt weiter aus: „Das Gesetz zur Tarif­ein­heit wird nicht die Wirkung entfal­ten können, die sich seine Befür­wor­ter von ihm verspro­chen haben. Die vom Verfas­sungs­ge­richt verlangte Remedur ist ein Erfolg unserer Verfas­sungs­be­schwerde gegen das Gesetz.“

Frank Ulrich Montgo­mery, Bundes­ärz­te­kam­mer

Bundes­ärz­te­kam­mer-Präsi­dent Montgo­mery trifft härtere Worte: „Bundes­ar­beits­mi­nis­te­rin Andrea Nahles sollte nicht glauben, sie könne sich nach dem heuti­gen Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts zum Tarif­ein­heits­ge­setz entspannt in den Sommer­ur­laub verab­schie­den. Karls­ruhe hat die Regie­rung zum Nachsit­zen verdon­nert und Änderun­gen an dem Gesetz verlangt. Nach dem Urteil steht fest: So wie das Gesetz jetzt ausge­stal­tet ist, kann es nicht bleiben. Wesent­li­che Inhalte sind mit der grund­ge­setz­lich verbrief­ten Koali­ti­ons­frei­heit nicht verein­bar.“ Wenn man Ärzten die Möglich­keit nehme sich für angemes­sene Arbeits­be­din­gun­gen einzu­set­zen – erklärt Montgo­mery weiter – dann habe dies auch Folgen für die Versor­gung. Er erteilt einen „klaren Handlungs­auf­trag“ an die Politik: „Die Minis­te­rin muss jetzt liefern.“

Quelle: BVerfG, Hartmann­bund, Marbur­ger Bund, BÄK