Beruf
Selbst Pflegende, die am Anfang ihres Berufs­le­bens stehen, denken bereits über einen Jobwech­sel nach Bild: Pixabay

Zwei Jahre Corona­pan­de­mie, verbun­den mit hohem Arbeits­ein­satz, häufi­gem Einsprin­gen für erkrankte Kolle­gin­nen und Kolle­gen, wenig Freizeit und der starken seeli­schen Belas­tung durch erkrankte Bewoh­ner oder die zeitweise in einigen Bundes­län­dern gelten­den totalen Kontakt­sper­ren für Angehö­rige – und nun auch noch die Impfpflicht fürs Pflege­per­so­nal, die seit Mitte März offizi­ell „scharf­ge­schal­tet“ ist: Offen­bar liebäu­geln Noch-Berufs­tä­tige in der Pflege vermehrt mit einem Abschied aus dem Beruf.

Die Arbeits­markt­da­ten legen nahe: Der schon länger beschwo­rene und beklagte „Pflexit“ – der massen­weise Abschied aus den Pflege­be­ru­fen – scheint derzeit Fahrt aufzu­neh­men. Am Beispiel Bayern zählte die dortige Landes-Arbeits­agen­tur zwischen Dezem­ber 2021 und Februar rund 5.700 neue Arbeits­su­chende aus dem Gesund­heits­we­sen des Freistaats – mehr als doppelt so viele wie im Vorjah­res­zeit­raum. Gut ein Viertel der Pflege­kräfte sucht wegen einer deutlich zu hohen Arbeits­be­las­tung und zu schlech­tem Einkom­men laut einer aktuel­len Studie im Auftrag der Online-Stellen­börse Indeed aktiv nach einem neuen Job, wie der Themen­part­ner Avanti in seinem Fachbei­trag berich­tete.

Kündi­gungs- und Wechsel­ge­dan­ken schon zum Berufs­be­ginn

Alarmie­rend dürfte sein, dass selbst Pflegende, die am Anfang ihres Berufs­le­bens stehen, bereits über einen Jobwech­sel nachden­ken. Wie die Gewerk­schaft Verdi in ihrer Fachbe­reichs-Zeitung „drei“ für die Pflege­bran­che einen Pflege­päd­ago­gen aus dem westfä­li­schen Münster zitiert, hätten gerade einmal zwei von 30 Absol­ven­tin­nen und Absol­ven­ten seines jüngst abgeschlos­se­nen Kranken­pfle­ge­kur­ses die Absicht geäußert, im Beruf weiter­zu­ma­chen. Unter den Mitglie­dern des Klassen­tref­fens einer ehema­li­gen Pflege­klasse, zehn Jahre nach ihrem Abschluss, würde heute nur noch eine einzige Frau in der Pflege arbei­ten. Alle anderen damali­gen Absolvent/innen hätten sich inzwi­schen beruf­lich verän­dert.

Dass die branchen­be­zo­gene Impfpflicht, die bereits monate­lang vor ihrem Inkraft­tre­ten heiß in der politi­schen Debatte war, ebenfalls ihre Rolle spielt, liegt nahe – immer­hin sind laut Schät­zun­gen zehn bis 15 Prozent der Berufs­tä­ti­gen in der Pflege­bran­che nicht geimpft; in Kranken­häu­sern ist der Nicht­ge­impf­ten-Anteil freilich deutlich kleiner. Sollte es zu einem Betre­tungs­ver­bot für ungeimpfte Beschäf­tigte durch das örtli­che Gesund­heits­amt kommen, wären die Nicht-Geimpf­ten von heute auf morgen nicht mehr arbeits­fä­hig. Der genaue Umfang ist der Impfpflicht auf die aktuell erhöh­ten Zahlen der arbeits­su­chen­den Pflegen­den ist jedoch schwer einzu­schät­zen. Selbst die Arbeits­agen­tur weiß nicht, wie stark der direkte Zusam­men­hang ist.

Erzie­hung und Heiler­zie­hungs­pflege als mögli­che Alter­na­ti­ven – oder die Tätig­keit beim MDK

Doch wo sollen die Beschäf­tig­ten hin, wenn sie nicht mehr in der Pflege arbei­ten wollen? Bereits zum Jahres­wech­sel 2021/22 hatten wir uns in einem Artikel damit beschäf­tigt, welche poten­zi­el­len Tätig­keits­fel­der für einen Berufs­wech­sel in Frage kommen. Als Ergän­zung und Fortset­zung haben wir weitere mögli­che Berufe unter die Lupe genom­men: Eine Möglich­keit ist die Umschu­lung zum/zur Erzieher/in, bezie­hungs­weise zur/zum Heilerziehungspfleger/in. Während erstere mit Kindern arbei­ten, ist die Aufgabe Letzte­rer die Beglei­tung von Menschen mit körper­li­chen und/oder geisti­gen Behin­de­run­gen.

Da die Pflegen­den aus ihrem bishe­ri­gen Aufga­ben­feld erheb­li­che Vorkennt­nisse mitbrin­gen, dürfte die Umschu­lungs­dauer verkürzt sein, im letzte­ren Fall könnte es sogar nur ein Jahr sein. Beim Berufs­bild der Erzie­her gibt es die Möglich­keit eines Querein­stiegs, in Form einer pädago­gi­schen Hilfs­kraft-Stelle, verbun­den mit einer späte­ren sogenann­ten „Exter­nen­prü­fung“.

Ansprech­part­ner für eine Umschu­lung ist die Bundes­agen­tur für Arbeit. Wer 15 oder mehr Jahre in die Renten­kas­sen einge­zahlt hat und den Pflege­be­ruf aus gesund­heit­li­chen Gründen nicht mehr absol­vie­ren kann, kann sich eine Umschu­lung auch durch die Renten­ver­si­che­rung finan­zie­ren lassen.

Eine weitere lukra­tive Möglich­keit des Jobwech­sels bietet sich beim Medizi­ni­schen Dienst der Kranken­kas­sen (MDK). Knapp 3.000 Pflege­fach­kräfte sind für den MDK im Einsatz, um bei Hausbe­su­chen den Grad der Pflege­be­dürf­tig­keit von Versi­cher­ten zu ermit­teln – oder in Pflege­ein­rich­tun­gen, um Pflege­qua­li­tät zu prüfen. Auf der Website des Medizi­ni­schen Diens­tes finden sich entspre­chende Stellen­an­ge­bote.