Zwei Jahre Coronapandemie, verbunden mit hohem Arbeitseinsatz, häufigem Einspringen für erkrankte Kolleginnen und Kollegen, wenig Freizeit und der starken seelischen Belastung durch erkrankte Bewohner oder die zeitweise in einigen Bundesländern geltenden totalen Kontaktsperren für Angehörige – und nun auch noch die Impfpflicht fürs Pflegepersonal, die seit Mitte März offiziell „scharfgeschaltet“ ist: Offenbar liebäugeln Noch-Berufstätige in der Pflege vermehrt mit einem Abschied aus dem Beruf.
Die Arbeitsmarktdaten legen nahe: Der schon länger beschworene und beklagte „Pflexit“ – der massenweise Abschied aus den Pflegeberufen – scheint derzeit Fahrt aufzunehmen. Am Beispiel Bayern zählte die dortige Landes-Arbeitsagentur zwischen Dezember 2021 und Februar rund 5.700 neue Arbeitssuchende aus dem Gesundheitswesen des Freistaats – mehr als doppelt so viele wie im Vorjahreszeitraum. Gut ein Viertel der Pflegekräfte sucht wegen einer deutlich zu hohen Arbeitsbelastung und zu schlechtem Einkommen laut einer aktuellen Studie im Auftrag der Online-Stellenbörse Indeed aktiv nach einem neuen Job, wie der Themenpartner Avanti in seinem Fachbeitrag berichtete.
Kündigungs- und Wechselgedanken schon zum Berufsbeginn
Alarmierend dürfte sein, dass selbst Pflegende, die am Anfang ihres Berufslebens stehen, bereits über einen Jobwechsel nachdenken. Wie die Gewerkschaft Verdi in ihrer Fachbereichs-Zeitung „drei“ für die Pflegebranche einen Pflegepädagogen aus dem westfälischen Münster zitiert, hätten gerade einmal zwei von 30 Absolventinnen und Absolventen seines jüngst abgeschlossenen Krankenpflegekurses die Absicht geäußert, im Beruf weiterzumachen. Unter den Mitgliedern des Klassentreffens einer ehemaligen Pflegeklasse, zehn Jahre nach ihrem Abschluss, würde heute nur noch eine einzige Frau in der Pflege arbeiten. Alle anderen damaligen Absolvent/innen hätten sich inzwischen beruflich verändert.
Dass die branchenbezogene Impfpflicht, die bereits monatelang vor ihrem Inkrafttreten heiß in der politischen Debatte war, ebenfalls ihre Rolle spielt, liegt nahe – immerhin sind laut Schätzungen zehn bis 15 Prozent der Berufstätigen in der Pflegebranche nicht geimpft; in Krankenhäusern ist der Nichtgeimpften-Anteil freilich deutlich kleiner. Sollte es zu einem Betretungsverbot für ungeimpfte Beschäftigte durch das örtliche Gesundheitsamt kommen, wären die Nicht-Geimpften von heute auf morgen nicht mehr arbeitsfähig. Der genaue Umfang ist der Impfpflicht auf die aktuell erhöhten Zahlen der arbeitssuchenden Pflegenden ist jedoch schwer einzuschätzen. Selbst die Arbeitsagentur weiß nicht, wie stark der direkte Zusammenhang ist.
Erziehung und Heilerziehungspflege als mögliche Alternativen – oder die Tätigkeit beim MDK
Doch wo sollen die Beschäftigten hin, wenn sie nicht mehr in der Pflege arbeiten wollen? Bereits zum Jahreswechsel 2021/22 hatten wir uns in einem Artikel damit beschäftigt, welche potenziellen Tätigkeitsfelder für einen Berufswechsel in Frage kommen. Als Ergänzung und Fortsetzung haben wir weitere mögliche Berufe unter die Lupe genommen: Eine Möglichkeit ist die Umschulung zum/zur Erzieher/in, beziehungsweise zur/zum Heilerziehungspfleger/in. Während erstere mit Kindern arbeiten, ist die Aufgabe Letzterer die Begleitung von Menschen mit körperlichen und/oder geistigen Behinderungen.
Da die Pflegenden aus ihrem bisherigen Aufgabenfeld erhebliche Vorkenntnisse mitbringen, dürfte die Umschulungsdauer verkürzt sein, im letzteren Fall könnte es sogar nur ein Jahr sein. Beim Berufsbild der Erzieher gibt es die Möglichkeit eines Quereinstiegs, in Form einer pädagogischen Hilfskraft-Stelle, verbunden mit einer späteren sogenannten „Externenprüfung“.
Ansprechpartner für eine Umschulung ist die Bundesagentur für Arbeit. Wer 15 oder mehr Jahre in die Rentenkassen eingezahlt hat und den Pflegeberuf aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr absolvieren kann, kann sich eine Umschulung auch durch die Rentenversicherung finanzieren lassen.
Eine weitere lukrative Möglichkeit des Jobwechsels bietet sich beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK). Knapp 3.000 Pflegefachkräfte sind für den MDK im Einsatz, um bei Hausbesuchen den Grad der Pflegebedürftigkeit von Versicherten zu ermitteln – oder in Pflegeeinrichtungen, um Pflegequalität zu prüfen. Auf der Website des Medizinischen Dienstes finden sich entsprechende Stellenangebote.