Die 78-jährige Patientin leidet seit 2013 an Alzheimer. Ihre behandelnden Ärzte befürworteten und beantragten 2016 eine stationäre Reha-Maßnahme in einem speziell auf Alzheimer-Patienten ausgerichteten Therapiezentrum.
Zur Begründung führten die Ärzte aus, dass bei der Patientin derzeit eine leichte bis mittelschwere Demenz vom Alzheimer-Typ vorläge. Mit der stationären Behandlung könne der Krankheitsverlauf voraussichtlich günstig beeinflusst werden. Als Rehabilitationsziele wurden genannt: Die körperliche und geistige Aktivierung sowie die Hilfe zur teilweisen Selbsthilfe. Die Rehabilitationsfähigkeit wurde in allen Punkten bejaht.
Krankenkasse lehnte nach negativen Gutachten ab
Die Krankenkasse der Patientin schaltet daraufhin den Medizinischen Dienst ein. Dieser notierte jedoch lediglich stichwortartig, dass keine Reha-Fähigkeit und keine positive Reha-Prognose bestünde. Weder wurde auf das Krankheitsbild der Patienten noch auf die von den Ärzten genannten Ziele wurde eingegangen.
Die Krankenkasse lehnte daraufhin die Gewährung der Rehabilitation ab. Der Widerspruch und eine Klage vor dem Sozialgericht blieben erfolglos.
Patientin beschaffte sich Maßnahmen zur Demenz-Rehabilitation selbst
Die Patientin hat sich darauf die Reha-Maßnahme selbst beschafft und in Begleitung ihres Ehemannes einen vierwöchigen Aufenthalt im besagten Therapiezentrum durchgeführt.
Der Entlassungsbericht spiegelt einen positiven Aufenthalt wider: Die Patientin hat sich an allen Therapieangeboten beteiligen können, sie ist im Kontakt mit anderen Familien kommunikativer und vertrauter geworden. Bereits nach kurzer Zeit ist sie erfolgreich in das Therapieprogramm integriert worden. Sie erzielte Fortschritte in den Bereichen Motorik und Ausdauer und konnte mithilfe eines Rollators zuletzt wieder über 3.000 Meter gehen.
Die Bewegungstherapie, musikorientierte Gruppen sowie alltagsorientierte Therapie haben einen antriebs- und stimmungssteigernden Effekt erzielt. Sogar die kommunikativen Fähigkeiten sind durch die Maßnahme gestärkt worden, was vor allem im Rahmen der Erinnerungstherapie deutlich geworden ist.
Ablehnung war spekulativ
Durch den Aufenthalt entstanden der Patientin – nach Abzug des Selbsbehalts – (Rest-)Kosten in Höhe von rund 5.600 Euro. Die Patientin verlangte in dem Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg die Erstattung der Kosten durch die Krankenkasse. Dabei vertrat die Patientin die Auffassung, die Ablehnung sei spekulativ und nicht ausreichend begründet.
Das Gericht gab der Patientin in allen Punkten recht und hat die Krankenkasse zur Übernahme der Kosten verurteilt. Die Ablehnung durch die Krankenkasse ist rechtswidrig gewesen, so die Richter. Denn die individuellen Verhältnisse, Art und Schwere der Erkrankung und die für die Patientin möglichen und wichtigen Behandlungsziele wurde durch die Kasse nicht ausreichend geprüft und gewürdigt. Vielmehr stützte sich die Entscheidung nur auf die unzureichende, spekulativ anmutende, ablehnende Stellungnahme des Medizinischen Dienstes.
Der Anspruch auf Rehabilitation setzt Behandlungsbedürftigkeit, Rehabilitationsfähigkeit und eine positive Rehabilitationsprognose voraus. Alle drei Voraussetzungen haben vorgelegen. Dies ergibt sich nicht nur aus den Stellungnahmen der behandelnden Ärzte, sondern auch aus dem Entlassungsbericht der Reha-Einrichtung. Auch die Begleitung des Ehemannes ist notwendig gewesen. Die Krankenkasse muss der Patientin daher die Restkosten erstatten.
Quelle: LSG Baden-Württemberg vom 17. Juni 2018 – L 11 KR 1154/18; Pressemitteilung des Gerichts.