Bakterien sind ein fester Bestandteil des Wundheilungsprozesses.
Bakte­rien sind ein fester Bestand­teil des Wundhei­lungs­pro­zes­ses.Bild: © Sirirat Makpra­sert | Dreamstime.com

Die Phasen der Wundhei­lung werden in verschie­de­nen Model­len gelehrt. Letzt­lich gibt es aber immer eine Reini­gungs­phase, die als Voraus­set­zung der Heilung gilt.

Eine frische Wunde erfährt eine initiale adren­erge Vasokonstrik­tion zur Minimie­rung des Blutver­lus­tes, während Reflexe und Schmerz­reiz weitere Schäden vermei­den. Gleich­zei­tig kommt es zur Aktivie­rung der Gerin­nungs- und Komple­ment­kas­kade, die einen provi­so­ri­schen Wundver­schluss und eine Abtötung von eindrin­gen­den Bakte­rien und Anlocken von Makro­pha­gen bewir­ken.

Dieser Initial­phase folgt eine Vasodila­ta­tion zur Verbes­se­rung der Wundver­sor­gung mit Zunahme der Gefäß­per­mea­bi­li­tät (Adrena­lin­ab­bau, Histamin, Seroto­nin). Eine provi­so­ri­sche Matrix aus Fibrin und Kompo­nen­ten der Extra­zel­lu­lä­ren Matrix (ECM) schüt­zen vor Bakte­rien und Wasser­ver­lust und stellen ein Reser­voir für Wachs­tums­fak­to­ren dar.

Die weitere Wundhei­lung wird maßgeb­lich durch Matrix­me­tall­o­pro­te­in­asen (MMP) und ihren Gegen­spie­ler bestimmt, die Tissue Inhibi­tor-Metall­o­pro­tea­sen (TIMP), die von Zellen und Bakte­rien produ­ziert werden. Sie dienen zur Entfer­nung der Matrix­bar­rie­ren und zur Zellmi­gra­tion beim initia­len Wundde­bri­de­ment.

Sterile Wunden gibt es nicht

Bei der chroni­schen Wunde kommt es zur Störung der Regula­tion. Folge: überschie­ßen­der Abbau von Matrix­pro­te­inen, Degene­ra­tion von Wachs­tums­fak­to­ren und deren Rezep­to­ren.

Bakte­rien bieten mit ihren Stoff­wech­sel­pro­te­inen einen Anreiz für die Entzün­dungs­re­ak­tion.
Sie können mit Toxinen direkt in das Heilungs­ge­sche­hen eingrei­fen. Endoto­xine aus der Zellwand (Lipopo­lys­ac­cha­ride) stellen einen wichti­gen Anreiz zur Neoan­gio­ge­nese dar.

Sterile Wunden gibt es nicht. Eine Konta­mi­na­tion (Attach­ment, keine oder geringe Vermeh­rung, bei Schnitt­wun­den und gut adaptier­ten postope­ra­ti­ven Wunden) ist obligat, bei länger offenen Wunden kommt es automa­tisch zur Koloni­sa­tion (Vermeh­rung ohne Infek­ti­ons­zei­chen, regel­haft bei Brand- und Schürf­wun­den, diabe­ti­schen Füßen, Ulcera). Der Begriff „Kriti­sche Koloni­sa­tion“ (chroni­sche Wunde, Vermeh­rung, Heilungs­ver­zö­ge­rung oder –still­stand durch Stoff­wech­sel der Erreger/Toxine) wird von Mikro­bio­lo­gen kritisch gesehen, da norma­ler­weise eine Koloni­sa­tion alleine keine Heilungs­ver­zö­ge­rung bewirkt. Bei der Infek­tion dagegen stören die Bakte­rien auf jeden Fall die Wundhei­lung.

Eine weitere wichtige Rolle ist das Anlocken von Makro­pha­gen. Deren Aufga­ben sind Wundpha­go­zy­tose (Abräu­men von Nekro­sen und Bakte­rien), Produk­tion von Zytoki­nen und Wachs­tums­fak­to­ren, geord­nete Rekru­tie­rung von Fibro­blas­ten und Endothel­zel­len, Freiset­zung von Media­to­ren zur Ausbil­dung von Granu­la­ti­ons­ge­webe. Neutro­phile Granu­lo­zy­ten synthe­ti­sie­ren und setzen Entzün­dungs­me­dia­to­ren frei, Fibro­blas­ten und Epithel­zel­len werden aktiviert. Durch Produk­tion und Speiche­rung großer Mengen von Protea­sen und Sauer­stoff­ra­di­ka­len sorgen sie für die Wundrei­ni­gung und dezimie­ren damit auch die Bakte­rien.

Bakte­rien als Bestand­teil der Wundhei­lung

Die Bakte­rien sind fest in den norma­len Ablauf der Wundhei­lung integriert. Sie werden benötigt für Entzün­dungs­reize und Neoan­gio­ge­nese, ohne die keine physio­lo­gi­sche Wundhei­lung statt­fin­den kann. Bei frischen Wunden stellen sie eine Schutz­front (Koloni­sa­ti­ons­re­sis­tenz), die sich bei chroni­schen Wunden zu einem Gleich­ge­wicht entwi­ckelt, das vor Infek­tio­nen schützt. Aller­dings handelt es sich um ein fragi­les Gleich­ge­wicht, das zum Beispiel durch unste­rile Materia­lien kippen kann.

Die Folge ist dann eine Infek­tion.

Quelle: ICW (Hrsg): Konsen­sus­emp­feh­lung Leitli­nie für Hygiene in der Wundver­sor­gung, 2012; Schwarz­kopf A (2002) Die Mikro­bio­lo­gie der Wunde. ZfW 2: 214–216; Schwarz­kopf A, Schwarz­kopf C, Blacky A. (2007): Hygie­ne­maß­nah­men. In: Wild T., Auböck J. (Hrsg.); Manual der Wundhei­lung, Sprin­ger-Verlag Wien, New York, 151–157; Schwarz­kopf A (2007/2008/2009): Erreger des Monats, Rubrik in der Zeitschrift Wundma­nage­ment, mhp-Verlag, Wiesba­den; Schwarz­kopf A (2010) Hygiene. In: Panfil, E.M., Schrö­der G. (Hrsg): Pflege von Menschen mit chroni­schen Wunden, 2. Auflage. Hans Huber-Verlag, Hogrefe AG, Bern, S. 359–376; Schwarz­kopf A (2012) Multi­re­sis­tente Erreger im Gesund­heits­we­sen. mhp-Verlag, Wiesba­den