Negative Kritiken
Negative Kriti­ken auf Bewer­tungs­por­ta­len können die Reputa­tion eines Arztes maßgeb­lich schädi­gen. Doch wie steht es um den juris­ti­schen Hinter­grund?Bild: Katar­zyna Bialasiewicz/Dreamstime.com

Perso­nen­be­zo­gene Bewer­tun­gen

Perso­nen­be­zo­gene Bewer­tungs­por­tale im Inter­net sind zuläs­sig (BGH vom 23.9.2014 – VI ZR 358/13, GesR 2014, 759 ff.) und erfül­len eine gesell­schaft­lich erwünschte Funktion (BGH vom 1.3.2016 – IV ZR 34/15, GesR 2016, 297 ff.). Wird ein Arzt gegen seinen Willen in ein solches Portal „aufge­nom­men“, also bewer­tet, wird aller­dings sein Grund­recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung berührt. Ebenfalls tangiert wird das in Artikel 12 GG geschützte Grund­recht auf freie Berufs­aus­übung. Für den bewer­ten­den Patien­ten strei­tet grund­sätz­lich sein Recht auf freie Meinungs­äu­ße­rung und für das die Bewer­tung veröf­fent­li­chende Portal das Recht auf Kommu­ni­ka­ti­ons­frei­heit nach Artikel 5 GG (BGH vom 23.9.2014, a.a.O., Rn. 28).

Im Streit­fall sind die grund­ge­setz­lich geschütz­ten Inter­es­sen gegen­ein­an­der abzuwä­gen. Bewer­tun­gen, in denen etwa die im Rahmen einer (behaup­te­ten) Behand­lung erbrach­ten Leistun­gen des Arztes in den Katego­rien „Behand­lung“, „Aufklä­rung“ und „Vertrau­ens­ver­hält­nis“ mit der Note 6 beurteilt werden, bringen zum Ausdruck, dass der Arzt in zentra­len Berei­chen des Behand­lungs­ge­sche­hens den an ihn gestell­ten Anfor­de­run­gen aus Sicht des die Behand­lung bewer­ten­den Patien­ten nicht gerecht gewor­den sein soll und können sich abträg­lich auf das Bild des Arztes in der Öffent­lich­keit auswir­ken (BGH vom 1.3.2016, a.a.O., Rn. 28).

Damit geht aber nicht automa­tisch ein Löschungs­an­spruch des Arztes einher: Handelt es sich um eine Meinungs­äu­ße­rung und hat es tatsäch­lich einen Arzt-Patien­ten-Kontakt gegeben, fällt die vorzu­neh­mende Abwägung häufig zulas­ten des Arztes aus, da das Recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stim­mung in der bei einer Bewer­tung des Arztes alleine betrof­fe­nen Sozial­sphäre (Beruf) nur dann überwiegt, wenn von der Bewer­tung schwer­wie­gende Auswir­kun­gen auf das Persön­lich­keits­recht ausge­hen, die mit negati­ven Sanktio­nen verknüpft sind, etwa wenn eine Stigma­ti­sie­rung, soziale Ausgren­zung oder eine Pranger­wir­kung vorlie­gen (BGH vom 23.6.2009 – VI ZR 196/08, NJW 2009, 2888 sowie LG Kiel vom 6.12.2013 – 5 O 372/13).

Eine reine Noten­be­wer­tung des Arztes soll diese Krite­rien dann nicht erfül­len, wenn sich aus dem dazuge­hö­ri­gen Kommen­tar die Gründe für die Benotung ergeben (LG München I vom 28.5.2013 – 25 O 9554/13).

In jedem Fall soll der Arzt aber vor nachweis­lich unwah­ren Tatsa­chen­be­haup­tun­gen und darauf basie­ren­den, eigent­lich grund­ge­setz­lich geschütz­ten Meinungs­äu­ße­run­gen bewahrt werden (OLG München vom 17.10.2014 – 18 W 1933/14).

Medizinisches Personal mit Smartphone
Der Betrei­ber eines Bewer­tungs­por­tals muss grund­sätz­lich keine einge­reich­ten Bewer­tun­gen prüfen. Der betrof­fene Arzt hinge­gen sollte ihn auf die Rechts­ver­let­zung aufmerk­sam machen.

Anfor­de­run­gen an die Betrei­ber der Bewer­tungs­por­tale>

Nachdem der BGH im Jahr 2014 einen Anspruch des bewer­te­ten Arztes gegen den Portal­be­trei­ber auf Mittei­lung der persön­li­chen Daten des bewer­ten­den Patien­ten verneinte, einen Unter­las­sungs­an­spruch gegen den Anbie­ter bei persön­lich­keits­rechts­ver­let­zen­den Bewer­tun­gen aller­dings grund­sätz­lich bejahte (BGH vom 1.7.2014 – VI ZR 345/13, GesR 2014, 538), hat er in der Entschei­dung vom 1.3.2016 die Prüfpflich­ten des Portal­be­trei­bers konkre­ti­siert: Der Betrei­ber ist nicht grund­sätz­lich verpflich­tet, von Nutzern einge­stellte Beiträge vor der Veröf­fent­li­chung auf eventu­elle Rechts­ver­let­zun­gen zu überprü­fen. Er macht sich durch die Veröf­fent­li­chung auch nicht den Inhalt der Bewer­tung zu eigen und kann insofern auch nicht als mittel­ba­rer Störer auf Unter­las­sung in Anspruch genom­men werden. Erfährt er aber – in der Regel durch den bewer­te­ten Arzt – von einer mögli­chen Rechts­ver­let­zung und ist die Beanstan­dung so konkret gefasst, dass der behaup­tete Rechts­ver­stoß auf Basis der Ausfüh­run­gen des Arztes unschwer bejaht werden könnte, muss er den Sachver­halt unter Einho­lung einer Stellung­nahme des Patien­ten ermit­teln. Der Prüfauf­wand darf nach Ansicht des BGH aber den Betrieb des Portals weder wirtschaft­lich gefähr­den noch unver­hält­nis­mä­ßig erschwe­ren, muss aber dem Umstand Rechnung tragen, dass eine gewis­sen­hafte Prüfung der Beanstan­dun­gen des Arztes entschei­dende Voraus­set­zung für einen ausrei­chen­den Schutz der Persön­lich­keits­rechte des Arztes ist.

In der Praxis bedeu­tet dies, dass der Provi­der auf eine ausrei­chend konkrete Beanstan­dung des Arztes hin die Bewer­tung zunächst aus dem Portal nimmt. Er übersen­det die Beanstan­dung des Arztes dem Patien­ten mit der Bitte um Stellung­nahme und fordert ihn auf, Nachweise dafür vorzu­le­gen, dass der bewer­tete Arzt-Patien­ten-Kontakt tatsäch­lich statt­ge­fun­den hat. Dies geschieht regel­mä­ßig durch das Anfor­dern von Termin­zet­teln, Rechnun­gen, Überwei­sungs­trä­gern o.Ä. Eine bloße E‑Mail des Patien­ten, in der dieser ohne Nachweise den Kontakt (weiter­hin) behaup­tet, reicht nicht aus (LG München I vom 3.3.2017 – 25 O 1870715). Der Arzt hat einen Anspruch darauf, dass ihm diese Dokumente (geschwärzt) zur Überprü­fung übersandt werden (BGH vom 1.3.2016, a.a.O., Rn. 43). Danach entschei­det der Betrei­ber, ob – bei nachge­wie­se­nem Arzt-Patien­ten-Kontakt – unwahre Tatsa­chen­be­haup­tun­gen bzw. bloße Schmäh­kri­tik vorlie­gen und das Persön­lich­keits­recht des Arztes das Recht des Patien­ten auf freie Meinungs­äu­ße­rung überwiegt. Abhän­gig vom Ausgang des Abwägungs­vor­gangs wird die Bewer­tung entwe­der wieder einge­stellt oder dauer­haft gelöscht. Meldet sich der Patient auf die Rückfrage des Betrei­bers gar nicht, ist die Bewer­tung dauer­haft zu löschen.

Stellt der Betrei­ber die Bewer­tung wieder ein, kann der Arzt entwe­der diese Bewer­tung über eine entspre­chende Funktion auf der Homepage (z.B. bei jameda) kommen­tie­ren oder den Betrei­ber auf Löschung/Unterlassung gericht­lich in Anspruch nehmen, was nur selten erfolg­reich sein wird. Einen Anspruch auf Löschung seiner Basis­da­ten hat der Arzt unter keinen Umstän­den, auch nicht bei positi­ven Bewer­tun­gen (BGH vom 23.9.2014, a.a.O., Rn. 24, 44).

Vorge­hen des Arztes gegen den Bewer­ten­den

Die Bewer­tun­gen erfol­gen anonym oder pseud­ony­mi­siert. Dem Portal­be­trei­ber ist es durch § 12 Abs. 1 Teleme­di­en­ge­setz unter­sagt, Daten des bewer­ten­den Patien­ten an den Arzt weiter­zu­ge­ben, sodass der Arzt in der Regel nicht in der Lage ist, den Patien­ten zivil­recht­lich außer­ge­richt­lich bzw. gericht­lich auf Wider­ruf bzw. Unter­las­sung in Anspruch zu nehmen.

In Einzel­fäl­len wird der Arzt aber anhand der konkre­ten Bewer­tung den Inhalt einem bestimm­ten Arzt-Patien­ten-Kontakt zuord­nen und den Patien­ten damit indivi­dua­li­sie­ren können. In diesen Fällen sollte der Patient schrift­lich unter Darle­gung des tatsäch­li­chen Ablaufs des Arzt-Patien­ten-Kontakts aufge­for­dert werden, seine Bewer­tung zurück­zu­neh­men, anderen­falls er mit einer gericht­li­chen Inanspruch­nahme rechnen müsse. Die Beratungs­pra­xis zeigt, dass Patien­ten häufig auf eine solche Inter­ven­tion hin die Bewer­tung zurück­neh­men.

Negative Bewer­tun­gen können die Reputa­tion eines Arztes vernich­ten. Die Geset­zes­lage in Deutsch­land gibt Ihnen als bewer­te­ter Arzt jedoch kaum Möglich­kei­ten um sich zu vertei­di­gen. Mögli­che Lösungs­an­sätze bietet jedoch der Zielgrup­pen-Baustein von ROLAND Rechts­schutz, Partner von HDI Versi­che­rung.

Gelöschte Bewer­tun­gen in Suchma­schi­nen

Wird die Bewer­tung aus dem Inter­net­por­tal gelöscht, scheint die Angele­gen­heit für den Arzt erledigt. Das Inter­net aber „vergisst nicht“, sodass es nicht ausge­schlos­sen ist, dass persön­lich­keits­rechts­ver­let­zende Bewer­tun­gen zwar vom Portal gelöscht und unmit­tel­bar über dieses bei einer Recher­che unter dem Namen des bewer­te­ten Arztes auch nicht mehr aufzu­fin­den sind, die Bewer­tung aber über eine der gängi­gen Suchma­schi­nen noch gefun­den wird, da diese ihre Inhalte nur alle paar Wochen aktua­li­sie­ren (Heinz, GesR 2016, 679). Erlangt ein Suchma­schi­nen­be­trei­ber Kennt­nis von rechts­ver­let­zen­den Bewer­tun­gen, ist er zur Löschung verpflich­tet, wenn der Anspruch­stel­ler nachwei­sen kann, dass aufgrund der Eingabe seines Namens in die Suchma­schine ein Eintrag erscheint, der auf seine Person hinweist und einen rechts­ver­let­zen­den Inhalt hat, der durch die Suchma­schine verbrei­tet wird, sodass der Betrei­ber an der Rechts­ver­let­zung mitwirkt (OLG Hamburg vom 26.5.2011 – 3 U 67/11).

Ausblick

Ärzte­be­wer­tungs­por­tale werden sich weiter­hin großer Beliebt­heit bei den Patien­ten erfreuen. Die Möglich­kei­ten effek­ti­ven Reputa­ti­ons­schut­zes für den bewer­te­ten Arzt sind – sofern es sich nicht um offen­sicht­li­che und an der Sache vorbei­ge­hende „Schmäh­kri­tik“ handelt – begrenzt. Orien­tiert sich der Portal­be­trei­ber an den vom BGH aufge­stell­ten Maßstä­ben, wird eine Klage auf Löschung des Eintrags wenig Aussicht auf Erfolg haben. In diesen Fällen empfiehlt sich vielmehr eine direkte Inanspruch­nahme des Patien­ten, falls dieser nament­lich bekannt ist.

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