Edukation ist der Schlüssel
Die meisten Menschen möchten ihr Leben selbständig gestalten, nicht von anderen abhängig sein oder diesen zur Last fallen. Dies gilt auch, wenn chronische Wunden sie plagen. Für Patienten ist es oft schwierig, sich auf die als unflexibel empfundenen Terminplanungen aufgrund notwendiger therapeutischer Maßnahmen einzustellen, die nicht immer zum gewohnten Tagesablauf passen und zusätzlich Stress auslösen. Hinzu kommt, dass die Versorger häufig wechseln, was eine vertrauensvolle Zusammenarbeit erschweren kann, da jeweils andere Schwerpunkte und Ansätze verfolgt werden. Für den Betroffenen ist es wichtig, dass die Therapieziele nachvollziehbar sind, er die damit verbundenen Maßnahmen versteht und sich auf dieser Basis in den Versorgungsprozess einbringen kann.
Der Weg zur Akzeptanz führt über das Verständnis. Daher ist eine individuell angepasste Edukation dazu geeignet, die Lebensqualität des Patienten zu steigern. Eine wertschätzende Edukation bestärkt ihn darin, sich selbständig im Rahmen seiner Möglichkeiten in den Versorgungsprozess einzubringen bestärkt. Zudem erlernt der Betroffene, was er dazu beitragen kann. Dieser manchmal als „Empowerment“ bezeichnete Effekt hat unmittelbare Auswirkungen auf die Lebensqualität des Patienten.
„Ich muss gar nichts“ – Kommunikation auf Augenhöhe
Eine adäquate Patientenedukation basiert grundsätzlich auf der Ermittlung der Lebenssituation, der Bedürfnisse und der Vorlieben des Betroffenen. Diese Aspekte stehen bei den Entscheidungen für bestimmte Versorgungsmaßnahmen oder Therapieoptionen im Vordergrund, nicht die Präferenzen des Versorgungsteams. Dieser individuelle Fokus prägt auch die Ermittlung patientenbezogener Fakten:
- Welche Einschränkungen habe ich?
- Wie beeinflusst die Wunde meine Lebensqualität?
- Was bedeuten die Maßnahmen der Therapie für meinen Alltag?
Auf diese Weise wird im Rahmen der Patientenanamnese geklärt, welcher individuelle Unterstützungsbedarf besteht, auf welche Weise sich Betroffener und Angehörige in den Versorgungsprozess einbringen können und welche Selbstmanagementfähigkeiten vorhanden sind.
Der Patient als Partner der Versorgung
In der Zusammenarbeit mit Patienten und Angehörigen wird weitestgehend auf Fachsprache verzichtet. Das Versorgungsteam erklärt Begriffe, die nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch eines Laien entsprechen und erläutert dem Patienten die Therapiemaßnahmen in einer für ihn verständlichen Sprache. Oft ergeben sich unbeobachtet Missverständnisse, denen auf diese Weise leicht vorzubeugen ist. So kennen manche Patienten ein „Trauma“ als psychische Belastung und nicht als die Ursache für ein Ulkus am Bein. Das Wort „Ulkus“ verbinden hingegen Einige mit einem Magengeschwür.
In verständlicher Sprache werden dem Betroffenen allgemeine Inhalte vermittelt, z. B.:
- bedarfsgerechte Ernährung
- fallbezogene Hygiene
- Umgang mit den Materialien, z. B. Lagerung
- Hautpflege (Abb. 1)
Diese Sachverhalte werden ergänzt durch krankheitsspezifische Informationen, die auf die unmittelbare Verbesserung seiner individuellen Situation und seines Krankheitsverständnisses abzielen:
- Wundursache
- zeitliche Erwartung der Wundheilung
- Bedeutung von Schmerz und Exsudat
- Umgang mit Beschwerden, wie geschwollene Beine, Juckreiz, Schmerzen
- Nutzung der Materialien
- Beratung zu Hilfsmitteln, wie medizinischen Kompressionsstrümpfen, Positionierungshilfsmitteln (Kissen, Matratzensysteme), An- und Ausziehhilfen oder orthopädischen Schuhen (Abb. 2)
Chronische Wunden: Auswahl der Verbandmittel
Auch bei der Versorgung der Wunde liegt der Fokus auf die größtmögliche Erhaltung der Lebensqualität. Die Auswahl der individuell passenden Verbandmittel orientiert sich an bestimmten Kriterien:
- Wundheilungsphase und ‑stadium
- Wundlokalisation
- Exsudatmenge und ‑beschaffenheit
- Infektionszeichen
- Schutz von Wundrand und ‑umgebung (Abb. 3, Abb. 4)
- Schmerzen
- Kontinenzsituation
- Kosten- und Effektivitätskriterien
Als wesentlicher Gesichtspunkt gilt allerdings die Akzeptanz des Patienten gegenüber den infrage kommenden Therapieoptionen. Sie sollten als bequem und nicht störend empfunden werden und den Betroffenen in seinem Alltag sowie dem gewohnten Lebenswandel nicht beeinträchtigen. Das Material sollte einen atraumatischen Verbandwechsel gewährleisten und einfach zu handhaben sein.
Tipp! Über die Homepage des Wundzentrum Hamburg e.V. (www.wundzentrum-hamburg.de) können vier Patienten- und Angehörigenbroschüren zu den folgenden Themen: „Wundwissen“, „Fußgesundheit bei Diabetes mellitus“, Kompression einfach – tragbar“ und „MRE Multiresistente Erreger“ kostenlos als PDF-Dokument heruntergeladen werden (Abb. 5).
Fazit
Eine erfolgreiche Edukation stärkt das Vertrauen des Patienten in seine Fähigkeiten zur Befolgung und Durchführung von erforderlichen therapeutischen Maßnahmen im Rahmen seiner Möglichkeiten. Sein gesundheitsbezogenes Selbstmanagement ist entsprechend gestärkt und dem Gefühl von Macht- und Hilflosigkeit ist vorgebeugt.
Ein Patient, der sich selbstbestimmt informiert und basierend darauf aus eigenem Antrieb kompetent in die Versorgung einbringt, wird zum wichtigen Partner in der Therapie. Die Tatsache vom Objekt der Versorgung zum Mitglied im Versorgungsteam zu werden, vermittelt ein befriedigendes Gefühl und steigert die Lebensqualität in mehrfacher Hinsicht. Eine wichtige weiterführende Unterstützung ist die Vermittlung von Kontakten zu Selbsthilfegruppen und ggf. spezialisierten Einrichtungen.
Mehr Informationen in Teil 1 oder direkt von der Autorin Kerstin Protz, Krankenschwester, Projektmanagerin Wundforschung im Comprehensive Wound Center (CWC) am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, Referentin für Wundversorgungskonzepte, Vorstandsmitglied Wundzentrum Hamburg e.V.
Quellen
Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) Hrsg. (2015).
Expertenstandard Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, 1. Aktualisierung, Osnabrück
Initiative Chronische Wunde e.V.: www.icwunden.de
Krohwinkel M (2013). Fördernde Prozesspflege mit integrierten ABEDLs. Forschung, Theorie und Praxis. Hogrefe, Göttingen
Panfil EM, Schröder G, Hrsg (2015). Pflege von Menschen mit chronischen Wunden, 3. Auflage, Hogrefe, Göttingen
Protz K, Timm JH (2019). Moderne Wundversorgung, Praxiswissen, 9. Auflage, Elsevier Verlag, München
Sailer, M (2004). Praxishandbuch Patientenedukation: Schulung, Anleitung, Beratung, WK-Fachbücher, Elchingen