Könnte es so einfach sein? Wie müsste eine Studie hierzu aussehen?
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Könnte es so einfach sein?
Was wäre aber, wenn Heparin und/oder ASS (oder beide in Kombination) vermeiden würde, dass Patienten überhaupt erst so schwer krank werden?
Fassen wir zusammen: Einigen Menschen scheint das Corona-Virus überhaupt nichts anhaben zu können. Bei anderen, besonders mit steigendem Alter, scheint es aber Autoimmunprozesse in Gang zu setzen, die unter anderem das Gerinnungssystem aktivieren. Wenn diese Vorgänge sich verschlimmern, kommt es in der Lunge zur Verlegung der Schlagadern durch Gerinnsel, was eine Beatmung erforderlich macht. Menschen, die in dieser Phase Heparin oder ASS erhalten, überleben besser als Menschen, die die Medikamente nicht erhalten.
Was wäre, wenn wir aber das Entstehen dieser Gerinnsel bereits dadurch vermeiden könnten, indem die Menschen, die mit Corona infiziert sind, schlicht ASS schlucken? Oder die, welche bereits Krankheitssymptome wie Husten, Fieber oder Geschmacksverlust erleiden, Heparin erhalten? Beide Medikamente sind in Deutschland zur Vorbeugung von Thrombosen zugelassen, es handelt sich also bei der Anwendung bei Corona-Patienten unter folgenden Bedingungen nicht um einen sogenannten „off label use“ (sprich: eine Anwendung außerhalb der eigentlichen Zulassung):
ASS ist allgemein zur Behandlung von Infektionskrankheiten der oberen Atemwege viraler Art zugelassen, die übliche Dosierung beträgt 500 mg mehrfach täglich. Die Dosierung von 100 mg einmal täglich ist zudem zugelassen zum Vorbeugen von Thrombosen in Schlagadern – zwar nicht explizit in Zusammenhang mit Corona, aber das Medikament ist an sich für Infekte als symptomlindernd allemal zugelassen.
Heparin ist zugelassen zur Vorbeugung von Thrombosen in den Venen bei Patienten in Risikosituationen, jedoch meistenteils nur im Zusammenhang mit einem Eingriff. Einzig das niedermolekulare Heparin Dalteparin (Fragmin® P Forte) kann auch bei internistischen ambulanten Patienten mit dem Risiko einer Thrombose bei eingeschränkter Mobilität eingesetzt werden.
ASS ist günstig sowie frei käuflich und Heparin erhält man über ein Rezept vom Arzt. Das Nebenwirkungsprofil beider Medikamente bei den sinnvollen niedrigen Dosierungen ist sehr gering, beide werden tausendfach täglich eingesetzt!
Keineswegs darf hier auf die fachliche ärztliche, individuell abgestimmte Beratung verzichtet werden! Bei den aktuell vorliegenden Zahlen wäre aber eine Studie, um die Wirksamkeit dieser Medikamente bei Corona-Infizierten zu beweisen, kinderleicht!
So könnte eine Studie ablaufen
Da „ältere“ Personen besonders anfällig für die Entwicklung von Symptomen sind, müsste man circa 5.000 freiwillige Probanden, die über 50 Jahre alt sind, finden und in vier Gruppen einteilen – das macht man am besten „randomisiert“, das heißt sie werden per Zufall den jeweiligen Gruppen zugewiesen. Diese freiwilligen Probanden müssten Corona-positiv getestet sein und leichte Symptome haben, sowie bisher keine gerinnungshemmenden Medikamente nehmen. Sie würden einen Aufnahmebogen ausfüllen (online oder am Telefon), in dem sie zu ihren Vorerkrankungen und Medikamenten Auskunft geben sowie zu den Symptomen, die sie durch die Infektion mit dem Corona-Virus im Moment haben. Sie müssten jeden Tag ihre Temperatur messen und ihre Symptome über eine App ihres Smartphones oder online per Computer eintragen. Wer darüber nicht verfügt, erhielte per Post einen Fragebogen zum Ausfüllen und Zurücksenden.
Da die Verschlechterung meist in den ersten sieben bis zehn Tagen nach Symptombeginn auftritt, reichen sieben Tage der Gabe des Medikaments, um festzustellen, ob eine der Varianten bessere Ergebnisse zeigt als eine andere. Die Patienten müssten dann über vier Wochen alle sieben Tage online oder im Rahmen eines Anrufs angeben, wie es ihnen geht, beziehungsweise sollten sie stationär aufgenommen werden, würde der Krankenhausarzt ermächtigt, über den Verlauf an die Studienzentrale zu berichten. Sogenannte „Endpunkte“ der Studie wären dann:
- Wie viele Menschen in welcher Gruppe mussten in einem Krankenhaus aufgenommen werden?
- Wie viele mussten beatmet werden?
- Wie viele verstarben?
Wenn ein Medikament, oder die Kombination von beiden, Einfluss auf den Verlauf der Krankheit hat, müssten die Ergebnisse in den Gruppen unterschiedlich ausfallen.[9]
Arzneimittelrecht als Hindernis
Klingt doch einfach, oder? Ja, das wäre es in der Tat. Allerdings gibt es in Deutschland ein Gesetz, das seit dem Jahr 2004 in Kraft ist.[10]
Hiernach gilt:
Will man ein Medikament „neu zulassen“ (so, wie jetzt die neuentwickelten Corona-Impstoffe), müssen diverse Phasen durchlaufen werden: Es müssen Sicherheitsstufen eingebaut werden, die Medikamente müssen über einen längeren Zeitraum untersucht werden, die Probanden, die an der Studie teilnehmen, müssen über eine teure Versicherung geschützt werden, falls sie Schaden nehmen, und so weiter.[11] Das ist im Grunde auch gut so.
Allerdings gelten seither die gleichen Bestimmungen auch für altbekannte Medikamente, und zwar wenn man zwei davon zur Behandlung einer ohnehin für sie zugelassenen Krankheit miteinander oder mit einem Scheinmedikament (sprich ein Medikament ohne Wirkstoff = Placebo) vergleichen möchte – auch wenn ihre Wirksamkeit im Einzelnen schon nachgewiesen ist! In concreto bedeutet dies, dass die Hürden für den Vergleich von ASS – ein frei verkäufliches „Uralt“-Medikament – mit einem Scheinmedikament genauso hoch sind, wie die Studie für die Zulassung eines geeigneten Impfstoffes.
Allein die Kosten, um die Studie anzumelden, lägen im sechsstelligen Bereich. Kein pharmazeutisches Unternehmen würde für so eine Studie so viel Geld ausgeben, denn die Patente von ASS und Heparin sind lange abgelaufen, die Rentabilität hält sich in Grenzen. Ja, – wie die Pharma-Industrie? Warum nicht direkt eine Universität? Universitäten machen Studien an Patienten, die bei ihnen aufgenommen wurden – das wäre für diese Studie zu spät. Mehrere Bemühungen, Universitäten mit ins Boot zu holen, scheiterten aber auch an dem Wissen um die Hürden für so eine Studie.
Alternativ könnte eine Studie auch anders aussehen, nämlich so, dass Menschen mit Corona freiwillig an einer sogenannten Beobachtungsstudie teilnähmen. Sie könnten dann selbst entscheiden, ob sie ASS, Heparin (hier zusammen mit dem Hausarzt, der das Rezept ausstellen müsste), beides oder nichts zu sich nehmen. Ein solches Vorhaben würde aber erheblich mehr Teilnehmer erfordern, um zum selben Ergebnis zu kommen.
Und, wenn der Staat selbst aktiv würde? Sinnvoller erscheinen doch ohnehin Studien, die von der Bezahlung der Industrie unabhängig sind. Von „Staatsinteresse“ wäre das Ergebnis allemal. Sollte das Medikament die Krankenhausaufnahme und/oder die Sterblichkeit auch nur halbieren (bei schwerkranken Menschen in Wuhan konnte Heparin ein Drittel der Todesfälle vermeiden verglichen mit Patienten, die kein Heparin erhielten!), wäre es schon allein finanziell ein so deutlicher Gewinn, dass die Investition sich lohnt, auch mit Blick auf die Wirtschaft im Land – auch wenn in den Augen der Autorin die reelle Chance auf Verringerung von menschlichem Leid, Krankheit und Tod, sowie das Vermeiden der aktuellen Vereinsamung (hierzulande und wirklich weltweit – also auch in den ärmeren Ländern) von viel höherem Wert wäre! Danach könnten wir dann weitere Schritte gehen und nach dem Wie und dem Warum der Wirksamkeit forschen. Und wir könnten schauen, ob die neuen, oralen Antikoagulantien auch eingesetzt werden könnten – diese sind aber noch nicht zugelassen für die Vorbeugung von Thrombosen bei Patienten mit fieberhaften Infekten, das macht es zum jetzigen Zeitpunkt deutlich schwieriger.
Fazit
Das Studiendesign ist fertig, die Ethik-Kommission ist involviert, mit diversen Gesundheitsämtern und „Abstrichpraxen“ wurden alle Einzelheiten abgesprochen, es könnte also einfach losgehen, wenn da die Auflagen nicht wären …
Halten Sie kurz inne und überlegen Sie: ASS oder Heparin oder beides zusammen könnten Corona den Schrecken nehmen. Hier und überall auf der Welt zu wirklich absolut niedrigen Kosten. Wollen wir es wirklich hinnehmen, das nicht herauszufinden?
Zur Autorin: Dr. med. Erika Mendoza ist Generalsekretärin und Mitglied im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Phlebologie (DGP), Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für CHIVA sowie Begründerin und Vorsitzende des Wundnetzes Hannover West.
[9] Mendoza E (2020): Krankheitsprogression in frühen Stadien von COVID-19 und Ge- rinnungshemmer: Die Möglichkeiten und Schwierigkeiten einer sinnvollen Untersu- chung. In: Phlebologie 49 (4), S. 199–203. DOI: 10.1055/a‑1208–0291.
[10] Gemeint ist das Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (Arzneimittelgesetz
– AMG). Dieses wurde im Zuge der 12. AMG-Novelle, die am 6. 8. 2004 in Kraft getreten ist, an die Vorgaben zur Guten klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Humanarzneimitteln gemäß der europäischen Richtlinie RL 2001/20/EG angepasst.
§ 4 Abs. 23 AMG:
Klinische Prüfung bei Menschen ist jede am Menschen durchgeführte Untersuchung, die dazu bestimmt ist, klinische oder pharmakologische Wirkungen von Arzneimitteln zu erforschen oder nachzuweisen oder Nebenwirkungen festzustellen oder die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel oder die Ausscheidung zu untersuchen, mit dem Ziel, sich von der Unbedenklichkeit oder Wirksamkeit der Arzneimittel zu überzeugen. Satz 1 gilt nicht für eine Untersuchung, die eine nichtinterventionelle Prüfung ist. Nichtinterventionelle Prüfung ist eine Untersuchung, in deren Rahmen Erkenntnisse aus der Behandlung von Personen mit Arzneimitteln anhand epidemiologischer Methoden analysiert werden; dabei folgt die Behandlung einschließlich der Diagnose und Überwachung nicht einem vorab festgelegten Prüfplan, sondern ausschließlich der ärztlichen Praxis; soweit es sich um ein zulassungspflichtiges oder nach § 21a Absatz 1 genehmigungspflichtiges Arzneimittel handelt, erfolgt dies ferner gemäß den in der Zulassung oder der Genehmigung festgelegten Angaben für seine Anwendung.
Dem Wortlaut von § 4 Absatz 23 AMG folgend würde eine Untersuchung eines bereits zugelassenen Arzneimittels gegen ein Placebo und die damit verbundene Randomisierung eine (interventionelle) klinische Prüfung (Phase IV) darstellen, für die die Vorschriften §§ 40 bis 42b des Arzneimittelgesetzes zur Anwendung kommen müssten.
[11] Vgl. nur §§ 40 ff. AMG sowie die Bestimmungen der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei der Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GOP‑V).