Delegation
Delega­tion ärtzli­cher Tätig­kei­ten an Pflege­fach­kräfte – ganz ohne Haftung? Bild: © Pop Nukoon­rat | Dreamstime.com

Delega­tion und Substi­tu­tion als Lösung: Das Versor­gungs­pro­blem in Deutsch­land

Heilkund­li­che Tätig­kei­ten müssen prinzi­pi­ell von Ärztin­nen und Ärzten durch­ge­führt werden. Welche Maßnah­men hierzu zählen, ist in § 28 SGB V näher beschrie­ben. Demnach gilt als ärztli­che Tätig­keit eine Maßnahme, „die zur Verhü­tung, Früherken­nung und Behand­lung von Krank­hei­ten nach den Regeln der ärztli­chen Kunst ausrei­chend und zweck­mä­ßig ist.“

Die Berufs­pflich­ten, die sich auch aus dem Behand­lungs­ver­trag ergeben, müssen Ärztin­nen und Ärzte in der Regel auch persön­lich erbrin­gen. Mit Blick auf eine sich weiter zuspit­zende Versor­gungs­pro­ble­ma­tik im deutschen Gesund­heits­we­sen gibt es aller­dings Ausnah­me­si­tua­tio­nen, in denen dieser Arztvor­be­halt umgan­gen werden kann. So können bestimmte ärztli­che Tätig­kei­ten auch vom Pflege­per­so­nal übernom­men werden, um Ärztin­nen und Ärzte zu entlas­ten.

Zentral ist hier die Delega­tion und die Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten. Durch die Übernahme ärztli­cher Tätig­kei­ten entste­hen aller­dings neue recht­li­che Haftungs­fra­gen, die für eine sichere Patien­ten­ver­sor­gung zu klären sind. Inwie­weit müssen also Nicht-Ärztin­nen und Nicht-Ärzte bei der Übernahme ärztli­cher Tätig­kei­ten haften?

Delega­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten

Die Delega­tion also Übertra­gung heilkund­li­cher Tätig­kei­ten auf nicht-ärztli­ches Perso­nal unter­liegt einigen recht­li­chen Vorga­ben. Nach dem Bundes­man­tel­ver­trag Ärzte gibt es ärztli­che Tätig­kei­ten die nicht übertra­gen werden können, die im Einzel­fall übertra­gen werden können und die generell übertra­gen werden können.

Der Bundes­man­tel­ver­trag benennt auch konkret welche Tätig­kei­ten in die jewei­lige Gruppe fallen. Im Folgen­den werden ärztli­che Tätig­kei­ten genannt, die in keinem Fall übertra­gen werden können:

  • Anamnese
  • Indika­ti­ons­stel­lung
  • Unter­su­chung des Patien­ten einschließ­lich invasi­ver diagnos­ti­scher Leistun­gen
  • Diagno­se­stel­lung
  • Aufklä­rung und Beratung von Patien­tin­nen und Patien­ten
  • Entschei­dung über Thera­pien
  • Durch­füh­rung invasi­ver Thera­pien einschließ­lich opera­ti­ver Eingriffe

Abseits der genann­ten ärztli­chen Tätig­kei­ten, können alle weite­ren Leistun­gen theore­tisch delegiert werden. Eine Delega­tion ist aller­dings nur dann denkbar, wenn davon ausge­gan­gen werden kann, dass die ausge­wählte Pflege­fach­kraft die Aufgabe genauso gut wie ein Facharzt durch­füh­ren kann. Sie benötigt also eine passende formelle und materi­elle Quali­fi­ka­tion, um überhaupt für die Delega­tion in Frage zu kommen.[1]

Haftung bei der Delega­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten

Zentral für Haftungs­fra­gen bei der Delega­tion von ärztli­chen Tätig­kei­ten ist das Weisungs­recht der Ärztin oder des Arztes.

Das bedeu­tet, nur weil eine Pflege­fach­kraft über die nötige Quali­fi­ka­tion verfügt, um eine ärztli­che Tätig­keit zu überneh­men, darf sie das nicht automa­tisch. Die Ärztin oder der Arzt dürfen immer noch selbst entschei­den, an wen sie die Leistung delegie­ren.

Ärztin­nen und Ärzte haben hierbei drei Pflich­ten zu beach­ten:

  • Auswahl­pflicht
  • Anlei­tungs­pflicht
  • Überwa­chungs­pflicht

Das ärztli­che Perso­nal entschei­det also, welche Pflege­fach­kraft bei geeig­ne­ter Quali­fi­ka­tion eine Aufgabe überneh­men darf. Dann muss die Ärztin oder der Arzt die Pflege­kraft anlei­ten die Aufgabe richtig durch­zu­füh­ren und den Eingriff im Anschluss in regel­mä­ßi­gen Abstän­den überwa­chen.

Haftung des leistungs­ab­ge­ben­den Arztes

Das bedeu­tet, die Verant­wor­tung für Eingriffe bei der Delega­tion von ärztli­chen Tätig­kei­ten, trägt nicht die Pflege­fach­kraft, die die Aufgabe übernimmt, sondern die Ärztin oder der Arzt. Schließ­lich besteht der Behand­lungs­ver­trag zwischen Arzt und Patient und das nicht-ärztli­che Perso­nal tritt nur als Erfül­lungs­ge­hilfe auf.

Entsteht durch einen Behand­lungs­feh­ler ein Schaden bei der Patien­tin oder dem Patien­ten muss also in der Regel die Ärztin oder der Arzt haften, wenn sie oder er nicht bewei­sen kann, dass die beruf­li­chen Pflich­ten erfüllt wurden.

Haftung des nicht-ärztli­chen Perso­nals

Es gibt aller­dings auch Fälle, in denen das nicht-ärztli­che Perso­nal für eigenes Verschul­den im Rahmen einer Delega­tion verant­wort­lich gemacht werden kann.[2] Zum einen kann es zur Haftung für Schäden kommen, wenn die Pflege­fach­kraft entge­gen der ärztli­chen Weisung handelt.

Aller­dings sollte den ärztli­chen Anwei­sun­gen auch nicht einfach blind gefolgt werden. Erkennt die Pflege­fach­kraft, dass eine ärztli­che Anwei­sung fehler­haft ist, dann muss sie dies der Ärztin oder dem Arzt mittei­len. Sollte sie die Behand­lung trotz Zweifel ohne Wider­spruch durch­füh­ren, kann es zur Haftung für entstan­dene Schäden beim Patien­ten kommen.

Eine mögli­che Haftung ergibt sich außer­dem aus der sogenann­ten „Remons­tra­ti­ons­pflicht“. Demnach dürfen Pflege­fach­kräfte nur jene ärztli­chen Tätig­kei­ten überneh­men, die sie vollstän­dig beherr­schen. Glaubt die Pflege­fach­kraft der Aufgabe nicht gewach­sen zu sein, muss sie das Delega­ti­ons­ge­such ableh­nen.

Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten

Die Substi­tu­tion ist grund­sätz­lich von der Delega­tion zu unter­schei­den. Während bei der Delega­tion die Pflege­fach­kraft unter ärztli­cher Anord­nung handelt, ist das bei der Substi­tu­tion nicht so. Hier handelt die Pflege­fach­kraft eigen­ver­ant­wort­lich.

In der Praxis ist die Substi­tu­tion aller­dings noch nicht angekom­men. Zwar wurde schon 2008 durch das Pflege-Weiter­ent­wick­lungs­ge­setz (PfWG) eine Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten zumin­dest theore­tisch möglich, aller­dings wurde keine prakti­sche Umset­zung dieser Möglich­keit etabliert. Auch nicht, nachdem die Entwick­lung von Model­len durch den Gesetz­ge­ber eigent­lich verpflich­tend wurde.

Aus diesem Grund sollen die Regelun­gen der Modell­pro­gramme nach § 63 Absatz 3b und 3c sowie § 64 SGB V durch ein neues Pflege­kom­pe­tenz­ge­setz aufge­ho­ben werden. Das befin­det sich aller­dings noch im Entwurfs­sta­dium; erwei­terte Versor­gungs­auf­ga­ben sollen zukünf­tig für quali­fi­zierte Pflege­fach­per­so­nen bereit­hal­ten werden.

Darun­ter insbe­son­dere Befug­nisse im Bereich der (komple­xen) Wundver­sor­gung, der Versor­gung von Menschen mit diabe­ti­scher Stoff­wech­sel­lage und von Menschen mit demen­zi­el­len Erkran­kun­gen.

In Ergän­zung hierzu sorgt das bereits verab­schie­dete Pflege­stu­dium-Stärkungs­ge­setz (PfStudStG) ab dem 1. Januar 2025 für eine Aufwer­tung der hochschu­li­schen Ausbil­dung. Ergänzt wird hier das Pflege­stu­dium durch Inhalte, die eine eigen­ver­ant­wort­li­che und selbst­stän­dige Ausübung von erwei­ter­ten heilkund­li­chen Tätig­kei­ten ebenfalls in den Berei­chen Wundver­sor­gung, Diabe­tes und Demenz ermög­li­chen.

Die aktuelle Geset­zes­lage sorgt also dafür, dass nötige Quali­fi­ka­tio­nen für die Substi­tu­tion von ärztli­chen Leistun­gen über den akade­mi­schen Weg erlangt werden können. Somit ist vermut­lich erst im Jahr 2029 damit zu rechnen, dass ausrei­chend fertig studierte Pflege­fach­kräfte mit der nötigen Quali­fi­ka­tion im Einsatz sind.

Wenn im Folgen­den also die Haftung bei der Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten disku­tiert wird, ist von hypothe­ti­schen Gegeben­hei­ten die Rede, die erst zukünf­tig relevant sind.

Haftung bei der Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten

Wenn zukünf­tig im Rahmen der Substi­tu­tion heilkund­li­che Tätig­kei­ten übernom­men werden, treten die genann­ten ärztli­chen Pflich­ten in den Hinter­grund, weil die Pflege­fach­per­so­nen in eigener Verant­wor­tung handeln. Entspre­chend kann aus haftungs­recht­li­cher Sicht nichts mehr durch Ärztin­nen oder Ärzte aufge­fan­gen werden.

In dem Sinne handelt es sich also bei der Substi­tu­tion um eine neue Form der ärztli­chen Leistungs­er­brin­gung, bei der das volle Haftungs­ri­siko auf die quali­fi­zierte Pflege­fach­per­son überge­hen würde.

Nach der bishe­ri­gen gesetz­ge­be­ri­schen Konzep­tion ist die Erstdia­gnose des Arztes die Grund­vor­aus­set­zung für die substi­tu­ie­ren­den Tätig­kei­ten von quali­fi­zier­ten Pflege­fach­per­so­nen.

Für alle weite­ren Maßnah­men zur heilkund­li­chen Behand­lung der Patien­tin­nen und Patien­ten in den drei genann­ten Berei­chen tragen die Pflege­fach­per­so­nen die fachli­che, wirtschaft­li­che und recht­li­che Verant­wor­tung.

FAQ

Was ist Delega­tion und Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten?

Delega­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten bedeu­tet die Übertra­gung bestimm­ter medizi­ni­scher Aufga­ben von Ärztin­nen und Ärzten an quali­fi­zierte Pflege­fach­per­so­nen, das unter ärztli­cher Anwei­sung handelt. Substi­tu­tion hinge­gen beschreibt die eigen­ver­ant­wort­li­che Übernahme solcher Aufga­ben durch Pflege­fach­per­so­nen, ohne direkte ärztli­che Anlei­tung. Während Delega­tion in der Praxis gängig ist, ist die Substi­tu­tion noch weitge­hend theore­tisch und recht­lich in der Entwick­lung.

Wie sieht die Haftung bei der Delega­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten aus?

Bei der Delega­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten haftet grund­sätz­lich die Ärztin oder der Arzt, da sie für die Auswahl, Anlei­tung und Überwa­chung der Pflege­fach­per­so­nen verant­wort­lich sind. Die Verant­wor­tung bleibt überwie­gend bei den Ärztin­nen und Ärzten, es sei denn, die Pflege­fach­kraft begeht eigenes Verschul­den.

Wie sieht die Haftung bei der Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten aus?

Bei der Substi­tu­tion ärztli­cher Tätig­kei­ten übernimmt die Pflege­fach­per­son die volle Verant­wor­tung für die ausge­führte heilkund­li­che Aufgabe. Sie handelt eigen­ver­ant­wort­lich und ohne direkte ärztli­che Anwei­sung. In diesem Fall tragen die Pflege­fach­per­so­nen die fachli­che, wirtschaft­li­che und recht­li­che Verant­wor­tung.

Quellen:

  1. Di Bella, Marco (2008): Delega­tion der Behand­lungs­pflege. Perspek­ti­ven für die prakti­sche Umset­zung. Köln: G&S Verlag.
  2. Achter­feld, Claudia (2014): Aufga­ben­ver­tei­lung im Gesund­heits­we­sen. Recht­li­che Rahemen­be­din­gun­gen der Delega­tion. Berlin: Sprin­ger.