(v.l.n.r.): Jens Spahn, Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzender AOK-Bundesverband Martin Litsch
(v.l.n.r.): Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn (©BMG/Xander Heinl (photothek.net), Vorstands­vor­sit­zende GKV-Spitzen­ver­band Dr. Doris Pfeif­fer (©GKV), Vorstands­vor­sit­zen­der AOK-Bundes­ver­band Martin Litsch (©AOK-Medien­dienst)

Die Corona­pan­de­mie belas­tet die Kapazi­tä­ten des Gesund­heits­sys­tems auf allen Ebenen. Viele Ärzte und Pflegende sind seit gerau­mer Zeit im Dienste der betrof­fe­nen COVID-19-Patien­ten und zum Schutze der Bevöl­ke­rung überob­li­ga­to­risch im Einsatz – mit gutem Erfolg. Aller­dings verspricht die flächen­de­ckende Fallzahl der Erkrank­ten sowie die Inzidenz pro Bundes­land derzeit noch kein Ende der Arbeits­stra­pa­zen und des Patien­ten­leids.

Auch wenn die Überle­bens­rate von Corona-Patien­ten in Deutsch­land und die sogenannte Repro­duk­ti­ons­zahl Hoffnung wecken, handelt es sich nach wie vor um eine sehr dynami­sche und ernst­zu­neh­mende Situa­tion. Die zu behan­deln­den und zu erwar­ten­den Krank­heits­ver­läufe können nach einhel­li­ger Meinung aller Exper­ten auch in der Zukunft nur beherrscht werden, wenn die gesamte Bevöl­ke­rung einen guten Zugang zu den Gesund­heits­leis­tun­gen hat.

Kriti­sche Finanz­lage

Die Sicher­stel­lung dieser Versor­gung ist Kernauf­trag der gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rer. Finan­ziert werden dabei die Leistun­gen in der Haupt­sa­che gemäß § 220 Absatz 1 SGB V durch Beiträge, die von Arbeit­ge­bern und Arbeit­neh­mern paritä­tisch getra­gen werden. Diesem solida­ri­schen Grund­prin­zip folgend stehen die gesetz­li­chen Kranken­ver­si­che­rer daher in einer beson­de­ren Verant­wor­tung und müssen mit den Beiträ­gen ihrer Versi­cher­ten sorgfäl­tig und wirtschaft­lich haushal­ten.

Im Zuge der Corona-Krise schlägt Martin Litsch, Vorstands­vor­sit­zen­der des AOK-Bundes­ver­ban­des, nun Alarm und teilt mit, dass die pande­mie­be­ding­ten Einnah­me­aus­fälle und Mehraus­ga­ben die gesetz­li­chen Kranken­kas­sen mit voller Wucht treffen. Seine Forde­rung an die Politik lautet daher erwar­tungs­ge­mäß: „Es müssen so schnell wie möglich zusätz­li­che Finanz­mit­tel bereit­ge­stellt werden.“

Am 11. Mai 2020 haben Doris Pfeif­fer, Vorsit­zende des GKV-Spitzen­ver­ban­des und einige Kassen­chefs mit Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Jens Spahn die kriti­sche Finanz­lage bespro­chen. Erstma­lig seit dem Jahr 2015 hätten die Ausga­ben die Einnah­men überstie­gen. Im Jahr 2019 stünden dem Einnah­me­vo­lu­men von 250,4 Milli­ar­den Euro 251,9 Milli­ar­den Euro auf der Ausga­ben­seite gegen­über. Im laufen­den Jahr würde sich dieses Defizit mit 14,1 bis 14,6 Milli­ar­den Euro noch gravie­ren­der darstel­len.

Gründe für die schlechte Kassen­lage

Inter­es­san­ter­weise würden coronabe­dingte Zusatz­aus­ga­ben, wie etwa nicht behand­lungs­be­zo­gene Ausga­ben für symptom­un­ab­hän­gige Tests auf Infek­tion oder Immuni­tät und die pande­mie­be­ding­ten Inves­ti­ti­ons- und Vorhal­te­kos­ten der Kranken­häu­ser zur Gefah­ren­ab­wehr, diese Misere nicht alleine hervor­ru­fen. Mitver­ant­wort­lich seien auch gestie­gene Ausga­ben für Arznei­mit­tel und Kranken­haus­be­hand­lun­gen, sowie verschie­dene Geset­zes­än­de­run­gen, die für mehr Pflege­per­so­nal, verän­derte Aufga­ben­spek­tren des Medizi­ni­schen Diens­tes sowie für schnel­lere Termine bei Ärzten und Physio­the­ra­peu­ten sorgen sollen.

Sollte der Steuer­zah­ler nicht einsprin­gen, müsste der Zusatz­bei­trag von derzeit 1,1 Prozent auf 2,0 bis 2,2 Prozent verdop­pelt werden, so die Vorher­sage der Kranken­kas­sen. Weitere Auswir­kun­gen der Corona-Krise im Jahr 2021 – etwa gerin­gere Einnah­men durch eine höhere Arbeits­lo­sig­keit – seien dabei laut dem Tages­spie­gel noch gar nicht berück­sich­tigt.

Ausblick

Vorerst ist davon auszu­ge­hen, dass die Beitrag­si­tua­tion – zumin­dest kurzfris­tig – noch stabil bleiben wird. Aller­dings findet sich der sogenannte Schät­zer­kreis, der den Zusatz­bei­trag prognos­tisch berech­net, in diesem Jahr erstmals früher als üblich zusam­men. Diese verfrühte Zusam­men­kunft kann mit guten Gründen als Vorbote für eine angespannte Finanz­si­tua­tion gedeu­tet werden.

Wird der finan­zi­elle Mehrbe­darf nicht mit Steuer­mit­teln abgedeckt, erschei­nen daher Beitrags­satz­an­he­bun­gen zulas­ten der Versi­cher­ten und Arbeit­ge­ber zur Jahres­wende 2020/2021 als wahrschein­lich. In diesem Zusam­men­hang wird jedoch auch der Verbleib der Liqui­di­täts­re­ser­ven aus den zurück­lie­gen­den Jahren mit guter Konjunk­tur zu thema­ti­sie­ren sein. Außer­dem ist genau darauf zu achten, dass das aktuelle GKV-Leistungs­spek­trum nicht als Sparquelle entdeckt wird und den Versi­cher­ten im bishe­ri­gen Umfang erhal­ten bleibt.

Die Corona­pan­de­mie gebie­tet allen Verant­wort­li­chen des Gesund­heits­sys­tems einen sorgfäl­ti­gen Umgang mit den vorhan­de­nen Ressour­cen, der sich zuvor­derst am Wohl der Patien­ten und Versi­cher­ten orien­tie­ren muss.