Gesundheitsdaten im Fokus: Die Digitalisierung ist im deutschen Gesundheitswesen ein heikles Thema. In vielen europäischen Ländern ist es bereits Standard, per Smartphone oder über das Internet auf Rezepte, Impfnachweise oder Laborergebnisse zugreifen zu können. Aber verglichen mit anderen EU-Ländern liegen wir bestenfalls im Mittelfeld. Dänemark, Schweden, Finnland und Estland sind deutlich weiter als wir. Auch Österrreich und Spanien haben Deutschland hinter sich gelassen.
Testphase nimmt kein Ende
Zwar sind die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland seit Januar 2021 verpflichtet, ihren Versicherten die elektronische Patientenakte bereitzustellen. De facto bietet diese bis jetzt aber kaum Vorteile. Denn der automatische Austausch von Gesundheitsdaten funktioniert kaum: Zu wenige Anbieter sind angeschlossen, zu viele Ärztinnen und Ärzte lehnen die elektronische Krankenakte ab, da sie ihrer Meinung nach den handschriftlichen Aufzeichnungen unterlegen ist. Bisher sind laut Gematik 453.351 elektronische Patientenakten im Einsatz.
Immer noch in der Testphase befindet sich das E‑Rezept, das für viele Patienten eine spürbare Erleichterung wäre. Von Oktober 21 bis April 2022 sind laut Gematik 10.660 E‑Rezepte eingelöst worden, 578.159 elektronische Arztbriefe wurden verschickt. Diese schleppende Entwicklung will die EU durch eine gesetzliche Grundlage beschleunigen.
Gesundheitsdaten auf dem Smartphone
Laut einem Bericht der FAZ möchte die EU jetzt per Gesetz für einen einheitlichen digitalen Standard innerhalb der Mitgliedstaaten sorgen. Die EU-Komission will Anfang Mai einen Gesetzentwurf für einen europäischen Gesundheitsdatenraum vorstellen. Alle Versicherten in der EU sollen dann länderübergreifend via Smartphone oder Internet Zugriff auf ihre Gesundheitsdaten haben und diese auch Arztpraxen und Apotheken zugänglich machen können. So könnten Mehrfachuntersuchungen oder Medikationsfehler wie die Nichtbeachtung von Wechselwirkungen bestimmter Wirkstoffe vermieden werden. Damit werden nicht zuletzt auch Kosten gesenkt.
Datenschutz: Gesundheitsdaten sind besonders schützenswert
Gerade in Deutschland wird oft der Datenschutz als Argument verwendet, die Digitalisierung von Patientendaten möglichst ganz zu unterlassen. Denn nach der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) gelten Gesundheitsdaten als besonders schützenswert. Datenschützer befürchten Nachteile für Menschen mit chronischen Krankheiten: Diese könnten bei der Jobsuche benachteiligt oder von Versicherungen ausgeschlossen werden.
Paradoxerweise wünschen sich viele Chroniker – zum Beispiel Menschen mit Diabetes oder Asthma – eine funktionierende elektronische Patientenakte. Denn für sie ist der Austausch zwischen den behandelnden Ärzten besonders wichtig. Gerade der fehlt aber oft. So kann es zum Beispiel vorkommen, dass ein Allgemeinmediziner das Asthmaspray eines Patienten absetzt, wenn dieser über Nebenwirkungen klagt – ohne die Gefahr eines Asthmaanfalls zu bedenken.
Daten für die Forschung
Auch für die Forschung ist der digitale Zugriff wichtig. So könnte beispielsweise die Weiterentwicklung von KI-Algorithmen vorangetrieben werden. Dabei steht der Datenschutz im Vordergrund. Denn Patientendaten sollen nur auf Antrag in anonymisierter Form zur Verfügung gestellt werden. Dadurch soll gewährleistet werden, dass auch eine indirekte Identifizierung der Patienten nicht mehr möglich ist. Der Verkauf der Daten an Dritte soll ausgeschlossen werden, ebenso wie die Nutzung der Daten für personalisierte Werbung. Auch für die Entscheidung darüber, wer Zugang zu Versicherungsleitungen oder Bonusprogrammen bekommt, soll die Nutzung von Patientendaten ausdrücklich ausgeschlossen werden.