Zum Auftakt wurde die Themenrelevanz des Textilservice von Sven Schöppe mit einem immensen Zahlenwerk belegt. Auf der einen Seite benötigen circa 3 Millionen Menschen in den unterschiedlichen medizinischen und pflegerischen Einrichtungen Deutschlands täglich frische und hygienische Berufs- und Schutzkleidung und auf der anderen Seite müssen circa 17,2 Millionen Patienten sowie circa 0,82 Millionen Pflegebedürftige pro Jahr stationär versorgt werden.
Den Anfall der Wäsche in den derzeit 1.874 Krankenhäusern und 16.500 Altenheimen bezifferte Schöppe mit 2.000 Tonnen pro Tag. Vor dem Hintergrund der permanenten Infektionsgefahren und der zunehmenden Anzahl an resistenten Erregern kommt daher den Anforderungen der Hygiene an die Wäsche aus Gesundheitseinrichtungen, die Wäscherei und den Waschvorgang sowie den Bedingungen bei der Vergabe von Wäsche an gewerbliche Wäschereien eine Schlüsselposition bei der Verhütung und Bekämpfung von Infektionen zu.
Hygienische Anforderungen
Zur Sicherstellung der hygienisch-sauberen Aufbereitung von Wäsche, die frei von Krankheitserregern, beziehungsweise in manchen Einsatzbereichen sogar steril sein muss, gibt es infektionsschutzrechtliche Vorschriften, deren sorgfaltsbestimmende Standards sich in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen nach den Empfehlungen der Kommission für Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut ausrichten.
Transparent wird die Einhaltung dieser Anforderungen dann beispielsweise über die Güte- und Prüfbestimmungen für sachgemäße Wäschepflege nach RAL GZ 992/1, ‑2, ‑3 und ‑4, die sich nach außen durch die Vergabe eines RAL-Hygienezeugnisses ausdrückt. Über die Erläuterung der Prozessstrukturen in allen Stufen der Leistungskette der Textilversorgung ist es Sven Schöppe gelungen, bei den Studierenden das Bewusstsein für die verschiedenen Standards bei der Wäsche von Textilien im Gesundheitsbereich zu schärfen.
Einsichten in die professionelle Textilaufbereitung
Im praktischen Vortragsteil wurden die Bereiche der Waschverfahren und Textillogistik näher beleuchtet. Ausgehend von der Vorstellung der Einsatzbereiche verschiedener industrieller Waschmaschinentypen, wie etwa einer kontinuierlich arbeitenden Waschstraße oder diskontinuierlich arbeitenden Wasch-Schleuder-Maschinen, wurde die Differenzierung infektiöser Wäsche im textilen Kreislauf besprochen.
Die Studierenden konfrontierten Sven Schöppe mit ihren Erfahrungen aus den verschiedenen Systemen der Wäschelogistik in ihren Einrichtungen. Schnell wurde deutlich, dass der erregerabhängige Umgang mit Schmutzwäsche aus infektionsverdächtigen, infektiösen und hochinfektiösen Risikobereichen in der gelebten Praxis der Krankenhäuser und Altenheime kein Problem darstellt und die bestehenden Ansätze zur Sicherung der hygienischen Qualität funktionieren.
Bei der Besprechung der textilen Logistikkreisläufe entstand eine rege Diskussion, in der auch zur Sprache kam, dass sich die individuelle Tragedauer der professionellen Berufsbekleidung nicht immer und überall mit den jeweiligen Entsorgungszyklen der Hygieneordnungen deckt. Ein Umstand, der nicht nur infektionsschutzrechtliche Bedenken hervorruft, sondern aus der Sicht der Textilservicedienstleister auch die genaue Kalkulation der Umlaufmenge der benötigten Bekleidung erschwert. Insoweit riet Sven Schöppe seinen Zuhörern zur engeren Zusammenarbeit mit den Textilprofis, damit derartige Detailfragen einer besseren Abstimmung zugeführt werden. Dies würde in vielen Fällen zu einer direkt messbaren Effizienzsteigerung führen.
Verwunderung riefen die Hinweise auf die beträchtliche betriebswirtschaftliche Relevanz der Schädigungen der Textilien durch zurück gelassene Fremdkörper wie Spritzen, Scheren oder Kugelschreiber, beziehungsweise durch nicht entfernbare Bemalungen mit Filzschreibern oder durch den schlichten Schwund von entwendeten Bekleidungsstücken hervor. In einem Feldversuch seien hierdurch oder durch andere Fehlerquellen, wie der versehentliche Abwurf von verschmutzter Kleidung oder Bettwäsche in blaue Müllsäcke, Fehlbestände von 10 bis 15 Prozent des Wäschebestandes zu verzeichnen.
Qualität und Kosten
Andreas Fastenau erklärte daran anschließend die Methoden zur Berechnung des Wäschebestandes in einer Einrichtung, bei der das Trageverhalten und die Wechselfrequenz der Arbeitskleidung entscheidende Faktoren seien. Damit keine Verknappungen in der Umlaufmenge eintreten, empfahl er den Zuhörern die Beschaffungsentscheidung an einer Faustregel auszurichten. Fastenaus Tipp: „Damit ein Teil getragen werden kann, müssen sich drei drehen.“
Mit dem Blick auf die Nutzungsdauer eines Textils bemerkte er, dass die Stoffqualität der Kasacks technisch gesehen circa 200 Waschvorgänge zulassen; nach seinen Erfahrungen seien jedoch circa 80 Aufbereitungsvorgänge zur Berechnung der Zeitspanne, in der das Textil genutzt werden kann, realistischer – unter Berücksichtigung des von ihm als „Bermuda-Dreieck der Textilversorgung“ bezeichneten Phänomens des Textilschwundes.
Betriebswirtschaft in der Textilversorgung
Insgesamt sei die genaue Quantifizierung des Textilbedarfs in Gesundheitseinrichtungen – gleich ob Krankenhaus oder Pflegeeinrichtung – sehr herausfordernd und erfordere umfassende Analysen und Transparenz in allen Bereichen der Beschaffung und Nutzung. An die betriebswirtschaftlich interessierten Studierenden adressierte er den Hinweis, dass natürlich jede Stufe der Lieferkette eigene Kosten verursache, die nicht immer auf den ersten Blick offensichtlich seien.
Als Beispiel benannte Fastenau zunächst Transport- und Lagerkosten, die je nach Lieferbedingungen und Lagerungsanforderungen variieren könnten. Ein Kostentreiber könne aber auch die Varianz der unterschiedlichen Textilien sein. Fastenaus Hinweis: „Je spezialisierter die Kundenwünsche ausfallen, desto kostenaufwendiger wird die Anschaffung.“
Würde Bekleidung etwa in verschiedenen Farben gewünscht, mit zusätzlichen Taschen oder größenverstellbaren Riegeln ausgestattet, treibe dies den Beschaffungspreis unter dem Gesichtspunkt der versteckten Opportunitätskosten in die Höhe – unabhängig davon, ob das Besitzmodell auf Kauf, Miete oder Leasing ausgerichtet ist.
Zudem können Qualitätsdifferenzen der Textilien zu unterschiedlichen Kostenstrukturen führen. Höhere Stoffqualität könne initial teuer erscheinen, aber auf lange Sicht Kosten einsparen, zum Beispiel durch geringere Ersatzfrequenzen. So ließen sich Textilien aus Mischgewebe deutlich besser und nachhaltiger bearbeiten als Baumwoll-Textilien. Im Resümee lautete der Spartipp von Andreas Fastenau, dass eine weitgehende Standardisierung der ärztlichen und pflegerische Berufskleidung und die Wahl des richtigen Materials das „A“ und „O“ in der Beschaffungsentscheidung von Textilien darstelle.
Technisches Potenzial
Nach der Überzeugung des Systemberaters ist der Hebel der Poolversorgung enorm, wenn die die Berechnungen der Warenbestände feinjustiert sind. Sein auf die automatisierte Ausgabe von Berufsbekleidung spezialisiertes Magdeburger Unternehmen „texxeo“ verwaltet täglich ungefähr 1 Millionen hygienisch aufbereitete Umlauftextilstücke – bei einer Verfügbarkeitsquote von 99,97 Prozent. Die Textilexperten setzen dabei auf digitalisierte Systeme, die mittels RFID-Teileverfolgung und IT-gestützte Bekleidungsausgabesysteme die Arbeitskleidung und Wäsche über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen effizient verwalten und an die Beschäftigten bedarfsgerecht verteilen.
Fazit
Insgesamt bot die Veranstaltung umfassende Einblicke in die Herausforderungen und Innovationen der professionellen Textilaufbereitung im Gesundheitswesen. Sven Schöppe und Andreas Fastenau unterstrichen dabei eindrucksvoll die Bedeutung der Standardisierung und Digitalisierung in diesem Bereich.
Diese Ansätze sind nicht nur entscheidend für die Effizienz und Qualität der Textilversorgung, sondern auch für die Einhaltung der hohen Hygienestandards im Gesundheitswesen. Die Standardisierung ermöglicht die kosteneffiziente Verfügbarkeit der Dienstkleidung, während die Digitalisierung die Prozesse transparenter und nachvollziehbarer macht. Durch den Einsatz neuer Technologien und optimierter Verfahren können Einrichtungen erhebliche Kosteneinsparungen sowie eine höhere Patientensicherheit erzielen.
Insgesamt zeigte der Informationstag an der Katholischen Hochschule NRW, dass die Implementierung dieser Innovationen ein Schlüsselfaktor für die Zukunft der professionellen Textilaufbereitung im Gesundheitsdienst darstellt.