Einrichtungsbezogene Impfpflicht: Keine Impfung, kein Lohn
Eine Frau war als Pflegerin in einem Altenpflegeheim schon viele Jahre beschäftigt. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht gegen Corona hat allerdings einen Keil zwischen sie und ihren Arbeitgeber getrieben.
Ab dem 16. März 2022 galt eben jene einrichtungsbezogene Impfpflicht auch für die Arbeit in Pflegeheimen, worüber der Arbeitgeber der Frau die Mitarbeitenden schriftlich informierte. Demnach mussten alle vor Eintritt der neuen Regelung einen Genesenennachweis oder ein ärztliches Attest vorlegen.
Der Arbeitgeber wies ausdrücklich darauf hin, sollte ein entsprechender Nachweis nicht vorgelegt werden, dürften die Betroffenen nicht mehr dort arbeiten und seien so „bis auf Widerruf von der Arbeit ohne Lohnausgleich freizustellen.“
Von der Nachricht ließ sich besagte Pflegerin allerdings nicht beirren und legte trotz allem keinen entsprechenden Nachweis vor. Ihr Arbeitgeber erteilte ihr deshalb eine Abmahnung und stellte sie widerruflich von der Arbeit frei – wie angekündigt ohne Lohn.
Nur wenige Tage nach ihrer Freistellung erkrankte die Pflegerin am Coronavirus. Diese Gelegenheit wollte sie nutzen, um eventuell doch einen Teil ihres Gehaltes ausgezahlt zu bekommen und ging dafür sogar vor Gericht.
Pflegerin war während Freistellung an Corona erkrankt
Für den März 2022 fordert sie vom Arbeitgeber die Zahlung der restlichen Vergütung, der ihr seit der Freistellung entgangen ist. Sie ist der Meinung, dass ihr Arbeitgeber im Krankheitsfall den Lohn weiterzahlen müsse.
Als Bestandskraft – seit 2007 arbeitet sie dort – hätte sie ihrer Ansicht nach ohnehin so lange weiterarbeiten dürfen, bis eine entsprechende Untersagung durch die zuständige Behörde (das Gesundheitsamt) erfolgt sei. Somit habe sich der Arbeitgeber nach der Freistellung zusätzlich im Annahmeverzug befunden, da sie leistungswillig und leistungsfähig gewesen sei.
Darüber hinaus möchte sie, dass die Abmahnung aus ihrer Personalakte entfernt wird. Es habe keine arbeitsvertragliche Vereinbarung gegeben, nach der sie dazu verpflichtet war, einen Impf- oder Genesenennachweis vorzulegen.
Das ArbG Villingen-Schwenningen hat daraufhin zunächst in einem Teilurteil entschieden, dass der Arbeitgeber zumindest den restlichen Lohn für März nachzahlen muss. Die Abmahnung müsse er hingegen nicht zurücknehmen. In der Berufung hat das LAG Baden-Württemberg dann auch der Klage gegen die Abmahnung zugestimmt. Ein Erfolg auf ganzer Linie für die Pflegerin, der jedoch nicht lange währte.
BAG weist Klage ab
Gegen das Urteil ging der Arbeitgeber in Revision vor dem Bundesarbeitsgericht. Das gab ihm nun zumindest zum Teil recht und entschied, dass er keine Lohnnachzahlungen zu leisten hat.
Die Abmahnung hingegen müsse er aus der Personalakte entfernen. Wie das Gericht erklärte, ist eine Abmahnung dazu da, um Mitarbeitende auf arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen aufmerksam zu machen. Dass die Pflegerin keinen Impfnachweis vorlegte, stellt demnach keine Pflichtverletzung dar.
Nach Auffassung des Gerichts hat die Pflegerin allerdings weder Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs noch Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall.
Der Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs besteht nicht, weil die Klägerin im Streitzeitraum aus in ihrer Person liegenden Gründen außerstande war, die geschuldete Arbeitsleistung zu bewirken (§ 297 BGB). Sie war demnach nicht leistungsfähig, wie sie behauptet hatte.
Auch eine Fortzahlung des Lohns im Krankheitsfall ist nicht möglich. Sie war zwar tatsächlich krank, allerdings war die Corona-Erkrankung nicht alleinige Ursache für ihren Arbeitsausfall.
Außerdem lag die Pflegerin falsch in der Annahme, sie hätte weiterarbeiten dürfen, bis das Gesundheitsamt ihr die Arbeit untersagt. Nach dem damals geltenden § 20a IfSG war nicht nur das Gesundheitsamt dazu befähigt, sondern auch der Arbeitgeber. Der hat im Sinne des § 106 Satz 1 GewO ein Weisungsrecht und durfte demnach die gesetzlichen Forderungen für die einrichtungsbezogene Impfpflicht in seiner Einrichtung eigenständig umsetzen.
Quelle: BAG vom 19. Juni 2024 – 5 AZR 192/23