Einrichtungsgezogene Impfpflicht
Wegen der einrich­tungs­be­zo­ge­nen Impfpflicht wurde eine Alten­pfle­ge­rin freige­stellt. Jetzt fordert sie nachträg­lich ihr Gehalt zurück. Bild: © Dennis Schweit­zer | Dreamstime.com

Einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht: Keine Impfung, kein Lohn

Eine Frau war als Pflege­rin in einem Alten­pfle­ge­heim schon viele Jahre beschäf­tigt. Die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht gegen Corona hat aller­dings einen Keil zwischen sie und ihren Arbeit­ge­ber getrie­ben.

Ab dem 16. März 2022 galt eben jene einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht auch für die Arbeit in Pflege­hei­men, worüber der Arbeit­ge­ber der Frau die Mitar­bei­ten­den schrift­lich infor­mierte. Demnach mussten alle vor Eintritt der neuen Regelung einen Genese­nen­nach­weis oder ein ärztli­ches Attest vorle­gen.

Der Arbeit­ge­ber wies ausdrück­lich darauf hin, sollte ein entspre­chen­der Nachweis nicht vorge­legt werden, dürften die Betrof­fe­nen nicht mehr dort arbei­ten und seien so „bis auf Wider­ruf von der Arbeit ohne Lohnaus­gleich freizu­stel­len.“

Von der Nachricht ließ sich besagte Pflege­rin aller­dings nicht beirren und legte trotz allem keinen entspre­chen­den Nachweis vor. Ihr Arbeit­ge­ber erteilte ihr deshalb eine Abmah­nung und stellte sie wider­ruf­lich von der Arbeit frei – wie angekün­digt ohne Lohn.

Nur wenige Tage nach ihrer Freistel­lung erkrankte die Pflege­rin am Corona­vi­rus. Diese Gelegen­heit wollte sie nutzen, um eventu­ell doch einen Teil ihres Gehal­tes ausge­zahlt zu bekom­men und ging dafür sogar vor Gericht.

Pflege­rin war während Freistel­lung an Corona erkrankt

Für den März 2022 fordert sie vom Arbeit­ge­ber die Zahlung der restli­chen Vergü­tung, der ihr seit der Freistel­lung entgan­gen ist. Sie ist der Meinung, dass ihr Arbeit­ge­ber im Krank­heits­fall den Lohn weiter­zah­len müsse.

Als Bestands­kraft – seit 2007 arbei­tet sie dort – hätte sie ihrer Ansicht nach ohnehin so lange weiter­ar­bei­ten dürfen, bis eine entspre­chende Unter­sa­gung durch die zustän­dige Behörde (das Gesund­heits­amt) erfolgt sei. Somit habe sich der Arbeit­ge­ber nach der Freistel­lung zusätz­lich im Annah­me­ver­zug befun­den, da sie leistungs­wil­lig und leistungs­fä­hig gewesen sei.

Darüber hinaus möchte sie, dass die Abmah­nung aus ihrer Perso­nal­akte entfernt wird. Es habe keine arbeits­ver­trag­li­che Verein­ba­rung gegeben, nach der sie dazu verpflich­tet war, einen Impf- oder Genese­nen­nach­weis vorzu­le­gen.

Das ArbG Villin­gen-Schwen­nin­gen hat darauf­hin zunächst in einem Teilur­teil entschie­den, dass der Arbeit­ge­ber zumin­dest den restli­chen Lohn für März nachzah­len muss. Die Abmah­nung müsse er hinge­gen nicht zurück­neh­men. In der Berufung hat das LAG Baden-Württem­berg dann auch der Klage gegen die Abmah­nung zugestimmt. Ein Erfolg auf ganzer Linie für die Pflege­rin, der jedoch nicht lange währte.

BAG weist Klage ab

Gegen das Urteil ging der Arbeit­ge­ber in Revision vor dem Bundes­ar­beits­ge­richt. Das gab ihm nun zumin­dest zum Teil recht und entschied, dass er keine Lohnnach­zah­lun­gen zu leisten hat.

Die Abmah­nung hinge­gen müsse er aus der Perso­nal­akte entfer­nen. Wie das Gericht erklärte, ist eine Abmah­nung dazu da, um Mitar­bei­tende auf arbeits­ver­trag­li­che Pflicht­ver­let­zun­gen aufmerk­sam zu machen. Dass die Pflege­rin keinen Impfnach­weis vorlegte, stellt demnach keine Pflicht­ver­let­zung dar.

Nach Auffas­sung des Gerichts hat die Pflege­rin aller­dings weder Anspruch auf Vergütung wegen Annah­me­ver­zugs noch Anspruch auf Entgelt­fort­zah­lung im Krank­heits­fall.

Der Anspruch auf Vergütung wegen Annah­me­ver­zugs besteht nicht, weil die Kläge­rin im Streit­zeit­raum aus in ihrer Person liegen­den Gründen außer­stande war, die geschul­dete Arbeits­leis­tung zu bewir­ken (§ 297 BGB). Sie war demnach nicht leistungs­fä­hig, wie sie behaup­tet hatte.

Auch eine Fortzah­lung des Lohns im Krank­heits­fall ist nicht möglich. Sie war zwar tatsäch­lich krank, aller­dings war die Corona-Erkran­kung nicht allei­nige Ursache für ihren Arbeits­aus­fall.

Außer­dem lag die Pflege­rin falsch in der Annahme, sie hätte weiter­ar­bei­ten dürfen, bis das Gesund­heits­amt ihr die Arbeit unter­sagt. Nach dem damals gelten­den § 20a IfSG war nicht nur das Gesund­heits­amt dazu befähigt, sondern auch der Arbeit­ge­ber. Der hat im Sinne des § 106 Satz 1 GewO ein Weisungs­recht und durfte demnach die gesetz­li­chen Forde­run­gen für die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht in seiner Einrich­tung eigen­stän­dig umset­zen.

Quelle: BAG vom 19. Juni 2024 – 5 AZR 192/23