Exsudatmanagement
Exsud­at­ma­nage­ment Bild: an Hinnerk Timm, Hamburg

Zwischen Ebbe und Flut – das Exsud­at­ma­nage­ment

Verband­mit­tel bewir­ken ledig­lich eine Symptom­lin­de­rung. Daher geht das Exsud­at­ma­nage­ment über Aspekte der Produkt­aus­wahl hinaus und zielt primär darauf ab, die Wundbe­din­gun­gen zu optimie­ren. Dies erfolgt durch kausal­the­ra­peu­ti­sche Maßnah­men, das heißt die Ursache ist vorran­gig zu behan­deln.

Hierzu gehört zum Beispiel bei infizier­ten Wunden eine Infekt­kon­trolle und ‑sanie­rung durch Wunddé­bri­de­ment (Abb. 1), Einsatz von Lokal­an­ti­sep­tika (als Antisep­ti­kum mit Octeni­din oder Polihe­xa­nid oder als antiin­fek­ti­ves /antimikrobielles Verband­mit­tel, zum Beispiel mit Silber) (Abb. 2) oder bei syste­mi­schen Infek­ten durch Gabe von Antibio­tika nach Antibio­gramm­be­stim­mung. Es ist zu beden­ken, dass ein Keim nur einen Tod sterben kann. Daher ist es nicht sinnvoll, die genann­ten Versor­gungs­op­tio­nen kombi­niert einzu­set­zen! Bei stark exsudie­ren­den venösen Ulzera in der Entstau­ungs­phase ist eine sach- und fachge­rechte Kompres­si­ons­the­ra­pie erfor­der­lich.

Der unter­stüt­zende Einsatz von Hautpflege und ‑schutz­prä­pa­ra­ten beugt der Schädi­gung von Wundrand und ‑umgebung vor. Bei deren Appli­ka­tion ist auch die Benet­zung von intak­ten Hautarea­len, zum Beispiel Stegen oder Inseln, inner­halb der Wunde zu beach­ten. Um eine Beobach­tung der Haut jeder­zeit zu ermög­li­chen, sind farblose, durch­sich­tige Produkte bevor­zugt zu verwen­den (Abb. 3). Zudem kann Hautir­ri­ta­tio­nen durch Einsatz nicht-haften­der Verband­mit­tel oder solchen mit hautfreund­li­chen Silikon­be­schich­tun­gen vorge­beugt werden.

1: Chirurgisches Débridement 2: Einsatz einer silberhaltigen Hydrofaser, die zudem einen guten Wundrandschutz gewährleistet 3: Applikation eines transparenten Hautschutzfilms
1: Chirur­gi­sches Débri­de­ment 2: Einsatz einer silber­hal­ti­gen Hydro­fa­ser, die zudem einen guten Wundrand­schutz gewähr­leis­tet 3: Appli­ka­tion eines trans­pa­ren­ten Hautschutz­films Bild: Kerstin Protz

Ergän­zend sind Verband­mit­tel nach Aufnah­me­ver­mö­gen und Reten­tion sowie anhand notwen­di­ger Wechsel­in­ter­valle entspre­chend auszu­wäh­len; ggf. ist auch zusätz­lich auf die Fähig­keit zur Geruchs­bin­dung zu achten. Insbe­son­dere sogenannte Super­ab­sor­ber-Wundver­bände sind für hohe Exsud­at­men­gen indiziert. Sie enthal­ten super­ab­sor­bie­rende Polymere (SAP), die in der Lage sind Exsudat einzu­schlie­ßen und ein Vielfa­ches ihres Eigen­ge­wich­tes an Flüssig­keit zu speichern. Der Vorteil gegen­über anderen absor­bie­ren­den Verband­mit­teln ist, dass Super­ab­sor­ber-Wundver­bände auch unter Druck, zum Beispiel Kompres­si­ons­the­ra­pie, die aufge­nom­mene Flüssig­keit nicht wieder abgeben, das heißt über eine gute Reten­tion verfü­gen.

Für die Wechsel­in­ter­valle gilt: so häufig wie nötig, so selten wie möglich! Für Betrof­fene ist die Anpas­sung ihrer Kleidung, zum Beispiel weit, lang und schwarz, ein wichti­ger Hinweis, um mögli­che Feuch­tig­keits­fle­cken nach außen zu kaschie­ren.

Wundex­su­dat – Erfas­sen, bewer­ten und reagie­ren

Das Exsudat ist nach Menge, Konsis­tenz, Farbe und Geruch zu spezi­fi­zie­ren, da diese Aspekte Aufschluss über die vorlie­gende Wundhei­lungs­phase, den Wundzu­stand und die Keimsi­tua­tion einer Wunde geben. Daher sind diese Spezi­fi­zie­run­gen im Wundas­sess­ment entspre­chend zu erfas­sen und zu dokumen­tie­ren.

Exsud­at­menge: Als relative Größe lässt sich die Menge des Wundex­su­dats nicht objek­tiv beschrei­ben. Die typischen Formu­lie­run­gen, wie „(besonders/sehr) viel, mittel/mäßig, wenig/kaum/gering“, basie­ren auf subjek­ti­ven Eindrü­cken. Hinweise können die Länge der Verband­wech­sel­in­ter­valle und die Sätti­gung der Verband­mit­tel geben. Wesent­lich ist, dass im Behand­lungs­team Einig­keit über die verwen­de­ten Begriffe zur Beschrei­bung der Exsud­at­menge besteht.

Exsudat­kon­sis­tenz: Dieser Begriff beschreibt die Beschaf­fen­heit des Exsudats. Sie kann von „dünnflüssig/serös“ bzw. „niedrig­vis­kös“ bis zu „zäh“ bzw. „hochvis­kös“ oder „klebrig“ variie­ren.

Wundex­su­dat ist typischer­weise eine seröse Flüssig­keit, die während der Granu­la­ti­ons­phase dazu dient, die Zellmi­gra­tion zu ermög­li­chen. Die dünnflüs­sige Konsis­tenz ist zudem typisch bei fortge­schrit­te­ner chroni­scher venöser Insuf­fi­zi­enz (CVI), bei lympha­ti­schen Erkran­kun­gen, bei dekom­pen­sier­ter Herzin­suf­fi­zi­enz, Harnwegs- und Lymph­fis­tel (Abb. 4) oder Mangel­er­näh­rung.

Wenn das Wundex­su­dat zäh ist, deutet dies auf einen hohen Eiweiß­an­teil hin, der zum Beispiel auf eine Infek­tion oder Wunden in der Reini­gungs­phase bzw. Autolyse von Nekro­sen zurück zu führen ist. Aber auch Rückstände von Verband­mit­teln, zum Beispiel Hydro­kol­lo­id­ver­bände (Abb. 5) und Darmfis­teln, können Ursache für hochvis­kö­ses Exsudat sein.

Exsudat­farbe: Sie umfasst ein großes Spektrum an Tönun­gen. Das normale seröse Erschei­nungs­bild ist klar, trans­pa­rent bis leicht gelblich, kann aber auch auf eine Lymph- bzw. Harnweg­s­fis­tel oder CVI hindeu­ten. Eine Entzün­dung oder Infek­tion färbt das Wundex­su­dat unter anderem durch Fibrin­fä­den trübe, milchig bzw. creme­far­ben. Ist ein Pseudo­mo­nas aerugi­nosa der Auslö­ser, erscheint das Wundex­su­dat meist grünlich (Abb. 6). Eine rosige oder rote Färbung (Abb. 7) kann auf Blutzel­len hindeu­ten, zum Beispiel aufgrund einer Verlet­zung. Darm- und Harnweg­s­fis­teln aber auch Rückstände von Verband­mit­tel (insbe­son­dere Hydro­kol­lo­id­ver­bände) sowie Wundschorf färben das Wundex­su­dat gelb bis bräun­lich. Auch bläuli­che, grau-schwarze Färbun­gen können ein Hinweis für Rückstände von Verband­mit­teln, insbe­son­dere silber­hal­ti­gen Produk­ten (Abb. 8), sein.

4: Seriöses Exsudat, Lyhmphfistel 5: Rückstände eines Hydrokolloidverbandes 6: Lokaler Wundinfekt durch Pseudomonas aeruginosa
4: Seröses Exsudat, Lyhmph­fis­tel 5: Rückstände eines Hydro­kol­lo­id­ver­ban­des 6: Lokaler Wundin­fekt durch Pseudo­mo­nas aerugi­nosa Bild: Kerstin Protz
7: Blutiges Exsudat, Zustand nach Spalthautentnahmestelle 8: Braune Rückstände von silberhaltiger Wundauflage im Gewebe
7: Bluti­ges Exsudat, Zustand nach Spalt­hau­t­ent­nah­me­stelle 8: Braune Rückstände von silber­hal­ti­ger Wundauf­lage im Gewebe Bild: Kerstin Protz

Exsudat­ge­ruch: Im Zusam­men­hang mit der Wunde empfin­den Betrof­fene den Geruch persön­lich und sozial als sehr belas­tend. Im schlimms­ten Fall kann dies zu sozia­ler Isola­tion und Körper­bild­stö­run­gen führen. Da Menschen Gerüche subjek­tiv sehr unter­schied­lich wahrneh­men, ist auf eine Spezi­fi­zie­rung, zum Beispiel in jauchig, faulig, beson­ders übelrie­chend, stinkend, süßlich, säuer­lich, zu verzich­ten. Eine Dokumen­ta­tion von „ja – vorhan­den“ und „nein – nicht vorhan­den“ ist ausrei­chend. Unange­neh­men Gerüchen können unter­schied­li­che Ursachen zugrunde liegen, zum Beispiel Wundin­fek­tion, malignom-assozi­ierte Wunden oder Nekro­sen in der Autolyse. Geruch ist immer ein stören­der Einfluss­fak­tor und deshalb entspre­chend zu behan­deln. In der lokalen Behand­lung kann der Einsatz von Aktiv­koh­le­auf­la­gen eine wichtige Unter­stüt­zung sein.

Verband­mit­tel im Einsatz zwischen den Gezei­ten

Tabelle: Vorschläge für Versorgungsoptionen orientiert am Exsudataufkommen
Tabelle: Vorschläge für Versor­gungs­op­tio­nen orien­tiert am Exsudat­auf­kom­men Bild: Kerstin Protz

Fazit

Im Exsud­at­ma­nage­ment arbei­ten die Versor­ger eng mit dem Betrof­fe­nen zusam­men. Patien­ten und Patien­tin­nen sind daher über Entste­hung und Bedeu­tung des Wundex­su­dats und entspre­chende Behand­lungs­stra­te­gien aufzu­klä­ren. Ihre Wünsche und Vorlie­ben sind bei der Entschei­dung für die Versor­gungs­op­tio­nen ebenso maßgeb­lich wie Wundzu­stand und beglei­tende Erkran­kun­gen. Unter Berück­sich­ti­gung der indivi­du­el­len Wund- und Lebens­si­tua­tion sollte hierdurch eine bestmög­li­che Lebens­qua­li­tät erreicht werden

Kerstin Protz: Gesund­heits- und Kranken­pfle­ge­rin, Projekt­ma­na­ge­rin Wundfor­schung am Insti­tut für Versor­gungs­for­schung in der Derma­to­lo­gie und bei Pflege­be­ru­fen (IVDP) am Unikli­ni­kum Hamburg-Eppen­dorf, Referen­tin für Wundver­sor­gungs­kon­zepte, Vorstands­mit­glied Wundzen­trum Hamburg e.V., Deutscher Wundrat e.V. und European Wound Manage­ment Associa­tion (EWMA)

Quellen

Disse­mond J et al. Standards des ICW e. V. für die Diagnos­tik und Thera­pie chroni­scher Wunden. WundMa­nage­ment. 2017; 11(2): 81–86.

Protz K (2019). Moderne Wundver­sor­gung, Praxis­wis­sen, 9. Auflage, Elsevier Verlag, München

Winter GD. Forma­tion of the scab and the rate of epithe­lia­liza­tion of super­fi­cial wounds in the skin of the young domestic pig. Nature 1962 Jan 20; 193:293–294.

World Union of Wound Healing Socie­ties (WUWHS) – Konsens­do­ku­ment. Wundex­su­dat: effizi­ente Beurtei­lung und Behand­lung Wounds Inter­na­tio­nal, 2019

Wundzen­trum Hamburg e. V., Standards: www.wundzentrum-hamburg.de