Vor dem Amtsgericht Brandenburg möchte der Betreuer (gleichzeitig der Bevollmächtigte) einer Frau mit seniler Demenz erwirken, dass er am Bett der Frau ein Gitter befestigen darf. Der Betreuer eines Pflegeheims und auch die behandelnde Ärztin halten es für nötig, die Frau zeitweise unter freiheitsentziehende Maßnahmen zu stellen.
Die Beschränkung sei deshalb notwendig, um Verletzungen durch Sturz oder unkontrollierte Bewegungen zu verhindern. Die Ärztin rät deshalb ausdrücklich dazu, das Bett der Frau mit einem Gitter auszustatten. Die Verfahrenspflegerin (sie hat die Aufgabe, die prozessualen Interessen der Betroffenen zu vertreten) lehnt jedoch die Notwendigkeit eines solchen Gitters ab.
Der Betreuer ist nach der entsprechenden Prüfung zu dem Ergebnis gekommen, dass freiheitsentziehende Maßnahmen unvermeidbar sind. Die Betroffene selbst ist nicht in der Lage, die Notwendigkeit dieser Maßnahmen zu erkennen. Dies folgt aus dem Ergebnis der gerichtlichen Ermittlungen, bei dem sich das Gericht unter anderem auch einen unmittelbaren Eindruck der Betroffenen in ihrem üblichen Umfeld verschafft hat.
Es besteht Gefahr für die Betroffene
Das Gericht ist nach Abwägung aller Gesichtspunkte zu der Erkenntnis gekommen, dass tatsächlich eine Gefahr für die betroffene Frau besteht. So ist aus dem ärztlichen Zeugnis, der Stellungnahme des Betreuers und der Stellungnahme der Verfahrenspflegerin deutlich geworden, dass es in der Vergangenheit schon mindestens eine gefährliche Situation für die Betroffene gab.
Bettgitter stellen nach § 1906 BGB eine freiheitsentziehende Maßnahme dar, sollten die Betroffenen in ihrer körperlichen Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden. In diesem Fall sind die Merkmale freiheitsentziehender Maßnahmen insofern erfüllt, da die Betroffene nach Angaben des Bevollmächtigten und der Betreuungsbehörde sowie des Pflegepersonals schon mal in der Lage war, selbstständig aus dem Bett zu fallen. Das Bettgitter würde die Frau also tatsächlich in ihrer Bewegungsfreiheit einschränken. Hierbei reicht es schon, wenn das Potenzial besteht die Bewegung einzuschränken.
Wann spricht man von Freiheitsentzug?
Somit sind die Voraussetzungen (geregelt in § 1906 Absatz 1,2 BGB) für die Anbringung eines Bettgitters in diesem Fall durchaus gegeben. Dass die Verfahrenspflegerin ein Bettgitter nicht für notwendig hält, entspricht also nicht der eindeutigen gesetzlichen Grundlage. Allgemein müssen folgende Punkte erfüllt sein, damit von einer freiheitsentziehenden Maßnahme gesprochen werden kann:
- Die Maßnahme muss freiheitsentziehenden Charakter haben.
- Sie muss ohne oder gegen den Willen der Betroffenen erfolgen.
- Wenn Betroffene eine Behinderung ihrer Bewegungsfreiheit nicht mit zumutbaren Mitteln überwinden können.
Hieran gemessen, ist im vorliegenden Fall eine Freiheitsentziehung anzunehmen. Keine Freiheitsentziehung liegt nur dann vor, solange Betroffenen keine Hindernisse in den Weg gelegt/gestellt/befestigt werden. Ansonsten würde psychisch Kranken, geistig Behinderten oder altersverwirrten Menschen jeglicher Grundrechtsschutz verweigert.
Ist ein Bettgitter zulässig?
Nach § 1906 Absatz 1 und 4 BGB ist die Genehmigung des Bettgitters in diesem Fall zulässig, da für die Betroffene aufgrund ihrer geistigen Behinderung die Gefahr besteht, sich gesundheitliche Schäden zuzufügen. Die Selbstgefährdung setzt hierbei kein zielgerichtetes Handeln voraus. Es genügt, dass die Frau unbeabsichtigt aus dem Bett rutscht oder fällt und sich dadurch verletzt.
Ob ein Bettgitter genehmigt wird oder nicht, entscheidet das Gericht auch nach den tatsächlichen Gegebenheiten im Schlafzimmer der Frau. So ist auch denkbar, dass alternative Maßnahmen wie Niederflurbetten oder weichere Matratzen verwendet werden anstellen eines Bettgitters. Diese Alternativen sind allerdings nicht immer uneingeschränkt geeignet und auch nicht zwingend in der Pflegeeinrichtung vorhanden.
So ist es zwar nach Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz geboten, den Heimbewohnerinnen und Heimbewohnern zur Wahrung ihrer Grundrechte auf Freiheit der Person auch alternative Maßnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Einrichtung zur Anschaffung von Niederflurbetten oder anderen Maßnahmen zu zwingen ist allerdings nicht möglich. Dazu ist nur die Heimaufsicht berechtigt – nicht die Gerichte.
Nach alledem sind die genannten Maßnahmen nach § 1906 Absatz 1 BGB zum Wohle der Betroffenen zu genehmigen. Nach Einschätzung der Verfahrensärztin wird sich der Gesundheitszustand der Betroffenen bis zur erneuten Überprüfung nicht wesentlich bessern. Entsprechend hat das Gericht die Entscheidung über die Frist der freiheitsentziehenden Maßnahme getroffen.
Quelle: AG Brandenburg von 17.3.2022 – 85 XVII 80/21