Freiheit
Fixie­rung oder maximale Freiheit? Bild: © motor­tion | Dreamstime.com

Vor dem Amtsge­richt Branden­burg möchte der Betreuer (gleich­zei­tig der Bevoll­mäch­tigte) einer Frau mit seniler Demenz erwir­ken, dass er am Bett der Frau ein Gitter befes­ti­gen darf. Der Betreuer eines Pflege­heims und auch die behan­delnde Ärztin halten es für nötig, die Frau zeitweise unter freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men zu stellen.

Die Beschrän­kung sei deshalb notwen­dig, um Verlet­zun­gen durch Sturz oder unkon­trol­lierte Bewegun­gen zu verhin­dern. Die Ärztin rät deshalb ausdrück­lich dazu, das Bett der Frau mit einem Gitter auszu­stat­ten. Die Verfah­rens­pfle­ge­rin (sie hat die Aufgabe, die prozes­sua­len Inter­es­sen der Betrof­fe­nen zu vertre­ten) lehnt jedoch die Notwen­dig­keit eines solchen Gitters ab.

Der Betreuer ist nach der entspre­chen­den Prüfung zu dem Ergeb­nis gekom­men, dass freiheits­ent­zie­hende Maßnah­men unver­meid­bar sind. Die Betrof­fene selbst ist nicht in der Lage, die Notwen­dig­keit dieser Maßnah­men zu erken­nen. Dies folgt aus dem Ergeb­nis der gericht­li­chen Ermitt­lun­gen, bei dem sich das Gericht unter anderem auch einen unmit­tel­ba­ren Eindruck der Betrof­fe­nen in ihrem üblichen Umfeld verschafft hat.

Es besteht Gefahr für die Betrof­fene

Das Gericht ist nach Abwägung aller Gesichts­punkte zu der Erkennt­nis gekom­men, dass tatsäch­lich eine Gefahr für die betrof­fene Frau besteht. So ist aus dem ärztli­chen Zeugnis, der Stellung­nahme des Betreu­ers und der Stellung­nahme der Verfah­rens­pfle­ge­rin deutlich gewor­den, dass es in der Vergan­gen­heit schon mindes­tens eine gefähr­li­che Situa­tion für die Betrof­fene gab.

Bettgit­ter stellen nach § 1906 BGB eine freiheits­ent­zie­hende Maßnahme dar, sollten die Betrof­fe­nen in ihrer körper­li­chen Bewegungs­frei­heit einge­schränkt werden. In diesem Fall sind die Merkmale freiheits­ent­zie­hen­der Maßnah­men insofern erfüllt, da die Betrof­fene nach Angaben des Bevoll­mäch­tig­ten und der Betreu­ungs­be­hörde sowie des Pflege­per­so­nals schon mal in der Lage war, selbst­stän­dig aus dem Bett zu fallen. Das Bettgit­ter würde die Frau also tatsäch­lich in ihrer Bewegungs­frei­heit einschrän­ken. Hierbei reicht es schon, wenn das Poten­zial besteht die Bewegung einzu­schrän­ken.

Wann spricht man von Freiheits­ent­zug?

Somit sind die Voraus­set­zun­gen (geregelt in § 1906 Absatz 1,2 BGB) für die Anbrin­gung eines Bettgit­ters in diesem Fall durch­aus gegeben. Dass die Verfah­rens­pfle­ge­rin ein Bettgit­ter nicht für notwen­dig hält, entspricht also nicht der eindeu­ti­gen gesetz­li­chen Grund­lage. Allge­mein müssen folgende Punkte erfüllt sein, damit von einer freiheits­ent­zie­hen­den Maßnahme gespro­chen werden kann:

  • Die Maßnahme muss freiheits­ent­zie­hen­den Charak­ter haben.
  • Sie muss ohne oder gegen den Willen der Betrof­fe­nen erfol­gen.
  • Wenn Betrof­fene eine Behin­de­rung ihrer Bewegungs­frei­heit nicht mit zumut­ba­ren Mitteln überwin­den können.

Hieran gemes­sen, ist im vorlie­gen­den Fall eine Freiheits­ent­zie­hung anzuneh­men. Keine Freiheits­ent­zie­hung liegt nur dann vor, solange Betrof­fe­nen keine Hinder­nisse in den Weg gelegt/gestellt/befestigt werden. Ansons­ten würde psychisch Kranken, geistig Behin­der­ten oder alters­ver­wirr­ten Menschen jegli­cher Grund­rechts­schutz verwei­gert.

Ist ein Bettgit­ter zuläs­sig?

Nach § 1906 Absatz 1 und 4 BGB ist die Geneh­mi­gung des Bettgit­ters in diesem Fall zuläs­sig, da für die Betrof­fene aufgrund ihrer geisti­gen Behin­de­rung die Gefahr besteht, sich gesund­heit­li­che Schäden zuzufü­gen. Die Selbst­ge­fähr­dung setzt hierbei kein zielge­rich­te­tes Handeln voraus. Es genügt, dass die Frau unbeab­sich­tigt aus dem Bett rutscht oder fällt und sich dadurch verletzt.

Ob ein Bettgit­ter geneh­migt wird oder nicht, entschei­det das Gericht auch nach den tatsäch­li­chen Gegeben­hei­ten im Schlaf­zim­mer der Frau. So ist auch denkbar, dass alter­na­tive Maßnah­men wie Nieder­flur­bet­ten oder weichere Matrat­zen verwen­det werden anstel­len eines Bettgit­ters. Diese Alter­na­ti­ven sind aller­dings nicht immer unein­ge­schränkt geeig­net und auch nicht zwingend in der Pflege­ein­rich­tung vorhan­den.

So ist es zwar nach Artikel 2 Absatz 1 Grund­ge­setz geboten, den Heimbe­woh­ne­rin­nen und Heimbe­woh­nern zur Wahrung ihrer Grund­rechte auf Freiheit der Person auch alter­na­tive Maßnah­men zur Verfü­gung zu stellen. Die Einrich­tung zur Anschaf­fung von Nieder­flur­bet­ten oder anderen Maßnah­men zu zwingen ist aller­dings nicht möglich. Dazu ist nur die Heimauf­sicht berech­tigt – nicht die Gerichte.

Nach alledem sind die genann­ten Maßnah­men nach § 1906 Absatz 1 BGB zum Wohle der Betrof­fe­nen zu geneh­mi­gen. Nach Einschät­zung der Verfah­rens­ärz­tin wird sich der Gesund­heits­zu­stand der Betrof­fe­nen bis zur erneu­ten Überprü­fung nicht wesent­lich bessern. Entspre­chend hat das Gericht die Entschei­dung über die Frist der freiheits­ent­zie­hen­den Maßnahme getrof­fen.

Quelle: AG Branden­burg von 17.3.2022 – 85 XVII 80/21