Arzt
Eine junge Pflege­rin stirbt nach einer Propo­fol-Gabe. Wer ihr das Mittel verab­reicht hat, bleibt ungeklärt. Bild: © Felipe Capar­ros Cruz | Dreamstime.com

Dreiein­halb Jahre nach dem myste­riö­sen Tod einer 23-jähri­gen Kranken­schwes­ter während ihrer Nacht­schicht im Kreis­kran­ken­haus im nieder­baye­ri­schen Kelheim ist der wegen Ausset­zung mit Todes­folge angeklagte 50-jährige Arzt freige­spro­chen worden. Das Landge­richt Regens­burg sah den Tatvor­wurf gegen den Mann nicht als erwie­sen an und folgte damit dem Plädoyer der Vertei­di­gung. Die Staats­an­walt­schaft Regens­burg hatte drei Jahre und neun Monate Haft gefor­dert.

Im Dezem­ber 2021 war die Pflege­rin frühmor­gens tot in der Notauf­nahme aufge­fun­den worden. Die junge Frau, die unter regel­mä­ßi­ger Migräne litt, hatte gegen 21 Uhr des Vortags ihren Dienst angetre­ten und soll in der fragli­chen Nacht über starke Kopfschmer­zen geklagt haben. Sie habe deshalb darum gebeten, sich hinle­gen zu dürfen. Darauf­hin hatte ihr eine Kolle­gin einen intra­ve­nö­sen Zugang gelegt. Sie starb – laut eines Gutach­tens von Mitte 2022 – durch Sauer­stoff­man­gel infolge eines Atemstill­stands, hervor­ge­ru­fen durch einen starken Medika­men­ten­mix unter anderem mit dem Narko­se­mit­tel Propo­fol sowie Ketamin. Wer ihr die Mittel verab­reicht hat, wird wohl ungeklärt bleiben. Möglich ist auch, dass sich die 23-Jährige die Präpa­rate selbst gespritzt hat.

Pflege­rin war am frühen Morgen leblos aufge­fun­den worden

Als gegen 6 Uhr am frühen Morgen die Pflege­rin leblos auf dem Boden liegend gefun­den worden war, war der spätere Angeklagte zur Reani­ma­tion hinzu­ge­ru­fen worden. Er konnte jedoch nur noch den Tod seiner Kolle­gin feststel­len. In den Verdacht war er geraten, weil er sich nach erster Über­zeugung des Gerichts eine neben der Pflege­rin am Boden liegende Ampulle Propo­fol in die Kittel­ta­sche gesteckt haben soll.

Zudem gab es wenige Tage nach dem tödli­chen Vorfall ein Telefo­nat mit einem frühe­ren Pfleger des Kranken­hau­ses, in dem der Arzt ihm berich­tet haben soll, dass er der Frau das Propo­fol gespritzt habe. Von dieser Darstel­lung rückte der Zeuge aber bei seiner Aussage vor Gericht ab – er könne sich nicht daran erinnern, was ihm der Oberarzt genau gesagt hatte und ob dieser tatsäch­lich zugege­ben hatte, der Kranken­schwes­ter ein Narko­se­mit­tel gespritzt zu haben. Auch der Angeklagte selbst hatte energisch bestrit­ten, für die Propo­fol-Gabe verant­wort­lich gewesen zu sein. Das vermeint­li­che telefo­ni­sche Geständ­nis des Arztes war jedoch der Haupt-Stütz­punkt der Anklage gewesen.

Über längere Zeit starke Medika­mente einge­nom­men

Laut einer toxiko­lo­gi­schen Haarana­lyse soll die Pflege­rin über längere Zeit, etwa 18 Monate, stärkere Medika­mente zu sich genom­men haben, darun­ter auch Propo­fol – ohne eine Verschrei­bung hierfür zu besit­zen. Laut der Aussage ihres damali­gen Lebens­ge­fähr­ten sei sie eine Woche vor ihrem Tod so apathisch gewesen, dass sie nicht einmal in der Lage gewesen sei, einen Licht­schal­ter zu betäti­gen. Am folgen­den Tag habe sie ihm dann berich­tet, dass ihr eine Kolle­gin im Dienst Propo­fol verab­reicht habe. Diese Kolle­gin hatte vor Gericht ihre Aussage verwei­gert.

Wie es Zeugen aus dem Klini­kum darge­legt hatten, sei es zudem im Kranken­haus gang und gäbe gewesen, dass sich das Pflege­per­so­nal gegen­sei­tig Zugänge gelegt habe. Weshalb Narkose-Medika­mente so frei im Klini­kum zugäng­lich waren, und warum offen­bar niemand von der Klinik­lei­tung davon gewusst hatte, sorgte bei Prozess­be­ob­ach­tern für Unver­ständ­nis.

Der Prozess gegen den jetzt freige­spro­che­nen Arzt war Mitte März vor dem Landge­richt Regens­burg gestar­tet. Der Vater der verstor­be­nen Kranken­schwes­ter war bei der Verhand­lung als Neben­klä­ger aufge­tre­ten. Zahlrei­che Zuschauer hatten den Prozess und die Urteils­ver­kün­dung verfolgt.

Weite­rer Prozess gegen den Arzt

Auch nach seinem Freispruch in dieser Sache muss sich der Arzt jedoch einem weite­ren Prozess, ebenfalls vor dem Regens­bur­ger Landge­richt, verant­wor­ten: Die Staats­an­walt­schaft wirft ihm vor, einen 79-jähri­gen Patien­ten durch eine Überdo­sis Morphin getötet zu haben. Dieser war im Juli 2022 wegen innerer Blutun­gen in das Kranken­haus einge­lie­fert worden.

Der Oberarzt soll nach einiger Zeit eigen­mäch­tig die Medika­mente des Patien­ten abgesetzt, und ihm statt­des­sen Morphin verord­net haben; später soll er die Dosis so erhöht haben, dass der Patient daran verstarb. Der Tatvor­wurf lautet in diesem Fall Mord. Ein Urteil wird im Laufe des Monats erwar­tet.