Dreieinhalb Jahre nach dem mysteriösen Tod einer 23-jährigen Krankenschwester während ihrer Nachtschicht im Kreiskrankenhaus im niederbayerischen Kelheim ist der wegen Aussetzung mit Todesfolge angeklagte 50-jährige Arzt freigesprochen worden. Das Landgericht Regensburg sah den Tatvorwurf gegen den Mann nicht als erwiesen an und folgte damit dem Plädoyer der Verteidigung. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hatte drei Jahre und neun Monate Haft gefordert.
Im Dezember 2021 war die Pflegerin frühmorgens tot in der Notaufnahme aufgefunden worden. Die junge Frau, die unter regelmäßiger Migräne litt, hatte gegen 21 Uhr des Vortags ihren Dienst angetreten und soll in der fraglichen Nacht über starke Kopfschmerzen geklagt haben. Sie habe deshalb darum gebeten, sich hinlegen zu dürfen. Daraufhin hatte ihr eine Kollegin einen intravenösen Zugang gelegt. Sie starb – laut eines Gutachtens von Mitte 2022 – durch Sauerstoffmangel infolge eines Atemstillstands, hervorgerufen durch einen starken Medikamentenmix unter anderem mit dem Narkosemittel Propofol sowie Ketamin. Wer ihr die Mittel verabreicht hat, wird wohl ungeklärt bleiben. Möglich ist auch, dass sich die 23-Jährige die Präparate selbst gespritzt hat.
Pflegerin war am frühen Morgen leblos aufgefunden worden
Als gegen 6 Uhr am frühen Morgen die Pflegerin leblos auf dem Boden liegend gefunden worden war, war der spätere Angeklagte zur Reanimation hinzugerufen worden. Er konnte jedoch nur noch den Tod seiner Kollegin feststellen. In den Verdacht war er geraten, weil er sich nach erster Überzeugung des Gerichts eine neben der Pflegerin am Boden liegende Ampulle Propofol in die Kitteltasche gesteckt haben soll.
Zudem gab es wenige Tage nach dem tödlichen Vorfall ein Telefonat mit einem früheren Pfleger des Krankenhauses, in dem der Arzt ihm berichtet haben soll, dass er der Frau das Propofol gespritzt habe. Von dieser Darstellung rückte der Zeuge aber bei seiner Aussage vor Gericht ab – er könne sich nicht daran erinnern, was ihm der Oberarzt genau gesagt hatte und ob dieser tatsächlich zugegeben hatte, der Krankenschwester ein Narkosemittel gespritzt zu haben. Auch der Angeklagte selbst hatte energisch bestritten, für die Propofol-Gabe verantwortlich gewesen zu sein. Das vermeintliche telefonische Geständnis des Arztes war jedoch der Haupt-Stützpunkt der Anklage gewesen.
Über längere Zeit starke Medikamente eingenommen
Laut einer toxikologischen Haaranalyse soll die Pflegerin über längere Zeit, etwa 18 Monate, stärkere Medikamente zu sich genommen haben, darunter auch Propofol – ohne eine Verschreibung hierfür zu besitzen. Laut der Aussage ihres damaligen Lebensgefährten sei sie eine Woche vor ihrem Tod so apathisch gewesen, dass sie nicht einmal in der Lage gewesen sei, einen Lichtschalter zu betätigen. Am folgenden Tag habe sie ihm dann berichtet, dass ihr eine Kollegin im Dienst Propofol verabreicht habe. Diese Kollegin hatte vor Gericht ihre Aussage verweigert.
Wie es Zeugen aus dem Klinikum dargelegt hatten, sei es zudem im Krankenhaus gang und gäbe gewesen, dass sich das Pflegepersonal gegenseitig Zugänge gelegt habe. Weshalb Narkose-Medikamente so frei im Klinikum zugänglich waren, und warum offenbar niemand von der Klinikleitung davon gewusst hatte, sorgte bei Prozessbeobachtern für Unverständnis.
Der Prozess gegen den jetzt freigesprochenen Arzt war Mitte März vor dem Landgericht Regensburg gestartet. Der Vater der verstorbenen Krankenschwester war bei der Verhandlung als Nebenkläger aufgetreten. Zahlreiche Zuschauer hatten den Prozess und die Urteilsverkündung verfolgt.
Weiterer Prozess gegen den Arzt
Auch nach seinem Freispruch in dieser Sache muss sich der Arzt jedoch einem weiteren Prozess, ebenfalls vor dem Regensburger Landgericht, verantworten: Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, einen 79-jährigen Patienten durch eine Überdosis Morphin getötet zu haben. Dieser war im Juli 2022 wegen innerer Blutungen in das Krankenhaus eingeliefert worden.
Der Oberarzt soll nach einiger Zeit eigenmächtig die Medikamente des Patienten abgesetzt, und ihm stattdessen Morphin verordnet haben; später soll er die Dosis so erhöht haben, dass der Patient daran verstarb. Der Tatvorwurf lautet in diesem Fall Mord. Ein Urteil wird im Laufe des Monats erwartet.