Warum Bewegung Leben rettet!
1. Weniger Beatmungszeit
Patienten, die früh mobilisiert werden, verbringen weniger Zeit an der Beatmungsmaschine. Bewegung kurbelt die Lungenfunktion an, das Risiko von Komplikationen, wie zum Beispiel an einer Lungenentzündung zu erkranken, sinkt.
Die Verweildauer auf der Intensivstation kann durch Frühmobilisierung nachweislich reduziert werden. So profitieren nicht nur die Patienten selbst, sondern auch das überlastete Gesundheitssystem.
2. Klare Gedanken statt Verwirrung: Prävention von Delir
Ein Delir ist eine der häufigsten und schwerwiegendsten Komplikationen auf Intensivstationen. Patienten leiden unter Verwirrtheit, Desorientierung und können nur schwer mit ihrer Umgebung interagieren.
Doch Bewegung kann hier den Unterschied machen. Frühmobilisierung hilft, das Körpergefühl und die Orientierung wiederherzustellen.
Indem die Patienten ihre Position wechseln und sich aktiv bewegen, werden Gehirn und Sinne angeregt. Studien zeigen, dass dies die Wahrscheinlichkeit eines Delirs deutlich reduziert und bestehende Verwirrungszustände dadurch schneller eingedämmt werden können. Bewegung fördert den Geist und eine bessere Kommunikation.
3. Beweglich bleiben anstatt wiedererlernen
Wer sich früh bewegt, wird schneller wieder fit. Muskeln bauen sich nicht ab, sondern bleiben in Form. Die Patienten können Alltagsaufgaben früher eigenständig bewältigen. Jede Bewegung ist somit ein Schritt zurück in die Unabhängigkeit und fördert Lebensqualität.
Die Praxis: Wo gibt es noch Schwierigkeiten?
Trotz aller Vorteile zeigt die Studienlage: Noch immer werden bis zu 30 Prozent der Intensivpatienten nicht ausreichend mobilisiert. Warum? Oft liegt es an den begrenzten Möglichkeiten der Frühmobilisierung bei den schwerstkranken Patienten – genau die, die es am dringendsten brauchen.
Die größten Herausforderungen
- Interdisziplinäres Teamwork: Mobilisierung erfordert viele Hände und verschiedene Fachexperten – Ärzte, Pflegefachkräfte, Physiotherapeuten. Doch im hektischen Klinikalltag ist es nicht immer leicht, diese zusammenzubringen.
- Individuelle Unterschiede: Jeder Patient ist einzigartig. Vorerkrankungen, der Allgemeinzustand und die jeweilige Tagesform machen die Mobilisierung zu einer Herausforderung.
- Ressourcenmangel: Fehlendes Personal, fehlende Hilfsmittel, zu wenig Platz – oft reicht es einfach nicht.
Von kleinen Schritten zu großen Visionen
Auf vielen Intensivstationen beginnt die Mobilisierung im Kleinen: Passive Bewegungsübungen, dann vielleicht ein erster Schritt mit Unterstützung. Doch es fehlt an Standardisierungen, und die Praxis variiert stark.
Innovative Lösungen können helfen. Bett-Fahrräder, Geh- und Stehwägen oder sogar robotische Assistenzsysteme bringen die Mobilisierung auf ein neues Level. Sie unterstützen nicht nur die Patienten, sondern entlasten auch das Pflegepersonal. Einiges davon ist schon Gang und Gäbe, doch oft veraltet und nicht im ausreichenden Maße vorhanden.
Eine Zukunft in Bewegung
Mit der Krankenhausreform und dem demografischen Wandel steht das Gesundheitssystem vor großen Herausforderungen. Aber jede Bewegung zählt – und die Frühmobilisierung gehört womöglich zu eine der entscheidendsten. Innovative Technologien, bessere Teamarbeit und flexible Strukturen könnten die Vision von „Walking ICUs“ Wirklichkeit werden lassen.
Fazit: Bewegung ist Leben. Schritt für Schritt arbeiten wir an einer flexiblen und beweglichen Gesundheitsversorgung. Die Zukunft ist in Bewegung – im wahrsten Sinne des Wortes.
Quellen:
- Nydahl P, Flohr H‑J, Rothaug O (2010): „Frühmobilisation und Gehen mit beatmeten Patienten.“ In: intensiv 18(1), S. 28–34
- Schweickert WD, Pohlman MC, Pohlman AS, Nigos C, Pawlik AJ, Esbrook CL, et al. (2009): „Early physical and occupational therapy in mechanically ventilated, critically ill patients: a randomised controlled trial.“ In: Lancet 373(9678), S. 1874–1882
- Morris PE, Goad A, Thompson C, Taylor K (2008): „Early intensive care unit mobility therapy in the treatment of acute respiratory failure.“ In: Crit Care Med. 36(8), S. 2238–2243
- S3-Leitlinie „Lagerungstherapie und Mobilisation von kritisch Erkrankten auf Intensivstationen.“ AWMF Registernummer 001–015