Kind bei der Temperaturmessung
Erkrank­tes Kind bei der Tempe­ra­tur­mes­sung.

Die Analy­sen des WIdO basie­ren auf Daten von AOK-Patien­ten bis 24 Jahren, bei denen im Kranken­haus entwe­der eine Mandel­ent­fer­nung (Tonsil­lek­to­mie) oder eine Teilent­fer­nung der Mandeln (Tonsil­lo­to­mie) durch­ge­führt wurde. Im bundes­wei­ten Durch­schnitt lag die standar­di­sierte Opera­ti­ons­rate 2012 demnach bei 37 operier­ten Patien­ten pro 10.000 Einwoh­ner. In der Region Ingol­stadt lag sie bei 17 je 10.000 Einwoh­ner, während sie sich in der Region Magde­burg mit 66 pro 10.000 Einwoh­nern auf das Vierfa­che belief.

Ein ähnli­ches Bild ergab sich bei den Blind­darm­ope­ra­tio­nen. Für 2012 betrug die bundes­weite Opera­ti­ons­rate rund 27 Patien­ten je 10.000 Kindern und Jugend­li­chen unter 18 Jahren. Zwischen der Region Schles­wig-Holstein Ost mit 13 Patien­ten pro 10.000 Einwoh­ner und der Rate in der Region Ingol­stadt mit 51,8 je 10.000 Einwoh­ner unter­schei­det sich die Rate ebenfalls um das Vierfa­che. „Die hohen Unter­schiede zwischen den Regio­nen können nicht allein medizi­ni­sche Gründe haben. Vielmehr sind sie ein deutli­ches Signal, die Indika­ti­ons­stel­lung stärker zu hinter­fra­gen“, erklärte Jürgen Klauber, Geschäfts­füh­rer des WIdO und Mither­aus­ge­ber des Versor­gungs-Reports.

„Gesund­heits­chan­cen sind vor allem soziale Chancen“

Bei den Mandel­ope­ra­tio­nen wurde im Versor­gungs-Report erstmals für Deutsch­land auch ausge­wer­tet, in welchem Umfang im Vorfeld des Eingriffs die von den medizi­ni­schen Leitli­nien für bestimmte Mandel­er­kran­kun­gen empfoh­lene Thera­pie mit Antibio­tika statt­ge­fun­den hat. Faktisch hatten im letzten Jahr vor dem Opera­ti­ons-Quartal 35 Prozent der Tonsil­lek­to­mie-Patien­ten nicht eine einzige Mandel­ent­zün­dung mit Antibio­tika-Behand­lung. 64 Prozent der Operier­ten wurden maximal in zwei Quarta­len eines Dreijah­res­zeit­raums entspre­chend antibio­tisch thera­piert.

Um allen Kindern und Jugend­li­chen die gleichen Chancen zu geben, gesund aufzu­wach­sen, muss nicht nur der Zugang zur medizi­ni­schen Versor­gung für alle gleich gut sein. „Gesund­heits­chan­cen sind vor allem auch soziale Chancen“, sagte Prof. Dr. Bernt-Peter Robra, Direk­tor des Insti­tuts für Sozial­me­di­zin und Gesund­heits­öko­no­mie von der Otto-von-Gueri­cke-Univer­si­tät Magde­burg, der zugleich Mither­aus­ge­ber des Versor­gungs-Reports ist. „Die Aufgabe, die Gesund­heit unserer Kinder zu fördern, ist eine natio­nale Querschnitts­auf­gabe. Widmen sollten wir uns beispiels­weise der Geißel Überge­wicht.“ Viele müssten an der Präven­tion von Überge­wicht mitwir­ken: Eltern und Familien, Kitas und Schulen, Kommu­nen, Politik und natür­lich das Gesund­heits­we­sen.

Kinder werden mit Medika­men­ten für Erwach­sene behan­delt

„Zwei Drittel der Deutschen wissen nicht, wie viel Zucker sie täglich ungefähr zu sich nehmen. Das hat eine von der AOK beauf­tragte Bevöl­ke­rungs­um­frage gezeigt. Vor allem jungen Menschen ist es häufig nicht klar. Angesichts steigen­der Zahlen bei Adipo­si­tas und Diabe­tes brauchen wir dringend mehr Aufklä­rung und Trans­pa­renz“, so Martin Litsch.

Dr. Karl-Josef Eßer, General­se­kre­tär der Deutschen Gesell­schaft für Kinder- und Jugend­me­di­zin (DGKJ), wies auf eine weitere Lücke in der Gesund­heits­ver­sor­gung von Kindern und Jugend­li­chen hin, die dringend geschlos­sen werden muss. Angesichts fehlen­der Kennt­nisse müssten Kinder immer wieder mit Medika­men­ten behan­delt werden, die bisher nur an Erwach­se­nen unter­sucht und überprüft wurden. „Auch Kinder haben ein Recht auf sichere Arznei­mit­tel“, so Eßer.