Eine nicht angeord­nete Bildge­bung des Kopfes, hat für einen Patien­ten einen fatalen Ausgang. Bild: Milesfoto/Dreamstime.com

Sachver­halt

In einem aktuel­len Fall befand sich der junge Patient bei seiner Augen­ärz­tin in ständi­ger Behand­lung. Im Rahmen dieser fortdau­ern­den Behand­lung stellte sich der Patient mit einer erheb­li­chen Verschlech­te­rung der Sehschärfe vor. Die Augen­ärz­tin verord­nete darauf­hin eine neue Brille.

In der Folge­zeit kam es zu einer weite­ren Sehver­schlech­te­rung auf dem rechten und später auch auf dem linken Auge. Trotz mehrma­li­ger Vorstel­lung bei der Augen­ärz­tin konnte diese die Ursache hierfür nicht finden. Die Augen­ärz­tin stellte vielmehr bei der Verschlech­te­rung auf die mangelnde Compli­ance des Patien­ten ab. Weitere Unter­su­chun­gen, insbe­son­dere eine Bildge­bung des Kopfes, unter­blie­ben.

Der Patient stellte sich später bei einem anderen Augen­arzt vor, welcher umgehend eine bildge­bende Diagnos­tik veran­lasste und hierüber einen Optikus­tu­mor feststellte. Aufgrund der nunmehr verstri­che­nen Zeit war eine Opera­tion zu diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich.

Der Patient wandte sich im Anschluss an die zustän­dige Gutach­ter­stelle und beantragte eine Prüfung des Vorgangs. Die Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung der Augen­ärz­tin stimmte dem Verfah­ren nach Rückspra­che mit der Ärztin zu.

Der von der Gutach­ter­stelle beauf­tragte Gutach­ter kam zu dem Ergeb­nis, dass die Ärztin weitere Unter­su­chun­gen, insbe­son­dere eine Bildge­bung des Schädels, hätte veran­las­sen müssen. Nach seiner Einschät­zung wäre der Tumor bei frühe­rer Bildge­bung entdeckt worden und in diesem Zeitpunkt auch opera­tiv behan­del­bar gewesen.

Schaden­ur­säch­lich lag aufgrund der verstri­che­nen Zeit ein Gesichts­feld­aus­fall auf dem linken Auge vor. Der junge Patient hat einen Grad der Behin­de­rung von 60 %. Auch besteht ein nicht unerheb­li­ches Risiko dafür, dass der gutar­tige Tumor trotz Behand­lung wächst und die Raumfor­de­rung den Patien­ten weiter beein­träch­tigt.

GKV, Gesetz
Da der Befund­er­he­bungs­feh­ler festge­stellt wurde, muss der Arzt recht­lich bewei­sen, dass der Behand­lungs­feh­ler für den einge­tre­te­nen Schaden nicht ursäch­lich war.

Recht­li­che Würdi­gung

Das Unter­blei­ben der weite­ren Diagnos­tik war vorlie­gend als Befund­er­he­bungs­feh­ler zu würdi­gen. Hiervon ist auszu­ge­hen, wenn der Arzt es unter­lässt, gebotene bzw. dringend gebotene Befunde zu erheben oder zu sichern und sich bei Durch­füh­rung der versäum­ten Unter­su­chung mit hinrei­chen­der Wahrschein­lich­keit ein so deutli­cher und gravie­ren­der Befund ergeben hätte, dass sich die Verken­nung dieses Befunds als funda­men­tal oder die Nicht­re­ak­tion auf ihn als grob fehler­haft darstel­len müsste.

So war es im vorlie­gen­den Fall. Bei einer frühe­ren Bildge­bung wäre der Tumor bereits eindeu­tig zu erken­nen gewesen.

Aufgrund des festge­stell­ten Befund­er­he­bungs­feh­lers tritt eine sogenannte Beweis­last­um­kehr mit der Folge ein, dass der Arzt bewei­sen muss, dass der Fehler für den einge­tre­te­nen Schaden nicht ursäch­lich war. Nach den Feststel­lun­gen des Gutach­ters wäre der Tumor bei recht­zei­ti­ger bildge­ben­der Diagnos­tik erkenn­bar und auch opera­bel gewesen, sodass der Beweis der Nicht­ur­säch­lich­keit der unter­las­se­nen Befund­er­he­bung für den Schaden­ein­tritt auf der Grund­lage des Gutach­tens nicht zu führen war.

Aber auch nach eigener Würdi­gung des Gutach­tens und der Gutach­ter­kom­mis­si­ons­ent­schei­dung kamen wir in Abspra­che mit der versi­cher­ten Ärztin zu dem Ergeb­nis, dass die Ausfüh­run­gen der Gutach­ter­stelle medizi­nisch und recht­lich zutref­fend waren. Wir setzten uns darauf­hin umgehend mit der Patien­ten­seite in Verbin­dung und teilten unsere grund­sätz­li­che Einigungs­be­reit­schaft mit.

In einem persön­li­chen Regulie­rungs­ge­spräch konnte darauf­hin ein Teilver­gleich zur Kompen­sa­tion des entstan­de­nen Schadens erarbei­tet, aber auch das weitere Vorge­hen bezüg­lich des fortbe­stehen­den Zukunfts­ri­si­kos konstruk­tiv festge­legt werden. Im Rahmen des Gesprächs wurde zudem der Wunsch der Eltern deutlich, zu erfah­ren, ob und gegebe­nen­falls welche weiter­ge­hen­den Behand­lungs­mög­lich­kei­ten bestün­den. Wir sagten darauf­hin unsere Unter­stüt­zung zu und vermit­tel­ten kurzfris­tig Termine bei ausge­wie­se­nen Spezia­lis­ten. Dort erhielt der Patient sodann weite­ren sachkun­di­gen Rat. Neben dem monetä­ren Schaden­aus­gleich konnte dem Patien­ten und dessen Eltern somit auch persön­lich und hier insbe­son­dere emotio­nal gehol­fen werden.

Fazit

Der Vorteil des vorlie­gen­den Gutach­ter­stel­len­ver­fah­rens lag in diesem Fall für den Patien­ten darin, dass dieser schnell und ohne Kosten­last zu einem auch von der Berufs­haft­pflicht­ver­si­che­rung anerkann­ten Gutach­ten gekom­men ist. Infol­ge­des­sen wurde zeitnah in die Schaden­re­gu­lie­rung einge­tre­ten.

Im Fall der Ableh­nung des Gutach­ter­stel­len­ver­fah­rens wäre die Angele­gen­heit mit hoher Wahrschein­lich­keit direkt in ein Gerichts­ver­fah­ren überge­gan­gen. Insoweit konnten die mit einem Gerichts­ver­fah­ren einher­ge­hen­den Kosten, aber auch die damit verbun­de­nen emotio­na­len Belas­tun­gen für alle Direkt­be­tei­lig­ten (den Patien­ten, dessen Angehö­rige sowie die betrof­fene Ärztin) vermie­den werden.

Quelle: Rechts­an­walt Sebas­tian Schmitz, HDI Versi­che­rung AG, Köln