Patientenverfügungen sind ein sehr sensibles Thema. Vielen graut es vor der Vorstellung, etwa nach einem Unfall hilflos und ohne Möglichkeit sich zu äußern im Krankenhaus zu liegen. Das Anfertigen einer Patientenverfügung soll es jedem ermöglichen, sich vor so einer Situation zu bewahren. Jedoch ist mitunter zu beobachten, dass Patientenverfügungen für ungültig erklärt werden, weil sie nicht ausreichend konkret formuliert sind. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit diversen Beschlüssen, zuletzt am 14.11.2018 (Az.: XII ZB 107/18), die Rechtsprechung diesbezüglich konkretisiert und bezieht Stellung, welche inhaltlichen Voraussetzungen eine Patientenverfügung erfüllen muss.
Wachkoma-Patientin: „Ich möchte sterben“
Anlass für den Beschluss war ein Fall um eine Patientin, die sich im wachkomatösen Zustand befand. Über eine PEG-Sonde wurde sie künstlich ernährt. Zwar hatte sie in der Vergangenheit in einer Patientenverfügung dargelegt, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterbleiben sollen, wenn keine Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins besteht oder aufgrund von Krankheit oder Unfall ein schwerer Dauerschaden des Gehirns zurückbleiben. Als sie dann einmalig – trotz Trachealkanüle – die Möglichkeit hatte zu sprechen, bekräftigte sie ihren Todeswunsch: „Ich möchte sterben.“ Generell hatte sie auch vor ihrem Schlaganfall gegenüber Familienangehörigen und Bekannten angemerkt, dass sie nicht künstlich ernährt und auf diese Weise am Leben gehalten werden wolle.
Uneinigkeit der Betreuer brachte den Fall vor den BGH
Trotzdem waren sich die beiden vertretungsberechtigten Betreuer, ihr Sohn und ihr Ehemann, nicht einig über ihren Patientenwillen. Problematisch war in diesem Fall, dass zum Zeitpunkt des Antrags auf Einstellung der lebensverlängernden Maßnahme die Patientin bereits künstlich ernährt wurde. Es ging also nicht nur um die Frage, ob überhaupt lebensverlängernde Maßnahmen ergriffen, sondern ob diese abgebrochen werden sollen.
Eine Patientenverfügung muss grundsätzlich diese Voraussetzungen erfüllen:
- Es muss sich ergeben, in welcher konkreten Behandlungssituation welche ärztlichen Maßnahmen durchgeführt bzw. unterbleiben sollen.
- Es muss umschreibend festgelegt werden, was der Betroffene in einer bestimmten Situation will und was nicht. Er muss dabei jedoch nicht seine eigene Biografie vorausahnen und zukünftige Fortschritte der Medizin vorwegnehmend berücksichtigen. Die Anforderungen an die Bestimmtheit einer Patientenverfügung dürfen also nicht überspannt werden.
- Wichtig: Nicht ausreichend sind allgemeine Formulierungen, wie „es soll ein würdevolles Sterben ermöglicht werden, wenn kein Therapieerfolg zu erwarten ist“ oder „keine lebensverlängernden Maßnahmen“ zu wünschen. (Unter beispielsweise „würdevollem Sterben“ versteht schließlich jeder etwas anderes).
Einschreiten durch das Betreuungsgericht
Liegt eine gültige Patientenverfügung vor, ist es nicht notwendig zusätzlich die Einwilligung des Betreuers bzw. Bevollmächtigten einzuholen. Ihm obliegt es nur noch, dem niedergelegten Patientenwillen zusätzlich Nachdruck und Geltung verleihen.
Bestehen dennoch Zweifel, kann das Betreuungsgericht hinzugezogen werden. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Patientenverfügung gültig ist und auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutrifft, muss es aussprechen, dass keine gerichtliche Genehmigung erforderlich ist (Negativattest).
Rechtsgrundlage für die Patientenverfügung ist § 1901a BGB. Im oben genannten Fall entschied der BGH, dass die Patientenverfügung ausreichend konkret formuliert wurde. Der Abbruch der künstlichen Ernährung bedurfte also keiner richterlichen Genehmigung.
Weiterführende Informationen
Nähere Infos zum Thema und Hilfestellungen zum Verfassen einer Patientenverfügung sind in der Broschüre „Patientenverfügung“ des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zu finden. Eine detaillierte Beschreibung des oben genannten Falls kann in der Rechtsdepesche-Ausgabe Jan/Feb 2019 nachgelesen werden. Die strafrechtliche Relevanz der sogenannten „Beihilfe zur Selbsttötung“ wird in der November-Ausgabe der Rechtsdepesche anhand der aktuellen BGH-Rechtsprechung dargestellt.
Quelle: RDG 2019, 16(1), S. 35–36, BMJV