Damit eine Patientenverfügung gültig ist, muss sie ausreichend konkret formuliert sein.
Damit eine Patien­ten­ver­fü­gung gültig ist, muss sie ausrei­chend konkret formu­liert sein. Bild: Photo 129741844 © Prot Tacha­pa­nit – Dreamstime.com

Patien­ten­ver­fü­gun­gen sind ein sehr sensi­bles Thema. Vielen graut es vor der Vorstel­lung, etwa nach einem Unfall hilflos und ohne Möglich­keit sich zu äußern im Kranken­haus zu liegen. Das Anfer­ti­gen einer Patien­ten­ver­fü­gung soll es jedem ermög­li­chen, sich vor so einer Situa­tion zu bewah­ren. Jedoch ist mitun­ter zu beobach­ten, dass Patien­ten­ver­fü­gun­gen für ungül­tig erklärt werden, weil sie nicht ausrei­chend konkret formu­liert sind. Der Bundes­ge­richts­hof (BGH) hat mit diver­sen Beschlüs­sen, zuletzt am 14.11.2018 (Az.: XII ZB 107/18), die Recht­spre­chung diesbe­züg­lich konkre­ti­siert und bezieht Stellung, welche inhalt­li­chen Voraus­set­zun­gen eine Patien­ten­ver­fü­gung erfül­len muss.

Wachkoma-Patien­tin: „Ich möchte sterben“

Anlass für den Beschluss war ein Fall um eine Patien­tin, die sich im wachko­ma­tö­sen Zustand befand. Über eine PEG-Sonde wurde sie künst­lich ernährt. Zwar hatte sie in der Vergan­gen­heit in einer Patien­ten­ver­fü­gung darge­legt, dass lebens­ver­län­gernde Maßnah­men unter­blei­ben sollen, wenn keine Aussicht auf Wieder­erlan­gung des Bewusst­seins besteht oder aufgrund von Krank­heit oder Unfall ein schwe­rer Dauer­scha­den des Gehirns zurück­blei­ben. Als sie dann einma­lig – trotz Trache­al­ka­nüle – die Möglich­keit hatte zu sprechen, bekräf­tigte sie ihren Todes­wunsch: „Ich möchte sterben.“ Generell hatte sie auch vor ihrem Schlag­an­fall gegen­über Famili­en­an­ge­hö­ri­gen und Bekann­ten angemerkt, dass sie nicht künst­lich ernährt und auf diese Weise am Leben gehal­ten werden wolle.

Uneinig­keit der Betreuer brachte den Fall vor den BGH

Trotz­dem waren sich die beiden vertre­tungs­be­rech­tig­ten Betreuer, ihr Sohn und ihr Ehemann, nicht einig über ihren Patien­ten­wil­len. Proble­ma­tisch war in diesem Fall, dass zum Zeitpunkt des Antrags auf Einstel­lung der lebens­ver­län­gern­den Maßnahme die Patien­tin bereits künst­lich ernährt wurde. Es ging also nicht nur um die Frage, ob überhaupt lebens­ver­län­gernde Maßnah­men ergrif­fen, sondern ob diese abgebro­chen werden sollen.

Eine Patien­ten­ver­fü­gung muss grund­sätz­lich diese Voraus­set­zun­gen erfül­len:

  • Es muss sich ergeben, in welcher konkre­ten Behand­lungs­si­tua­tion welche ärztli­chen Maßnah­men durch­ge­führt bzw. unter­blei­ben sollen.
  • Es muss umschrei­bend festge­legt werden, was der Betrof­fene in einer bestimm­ten Situa­tion will und was nicht. Er muss dabei jedoch nicht seine eigene Biogra­fie voraus­ah­nen und zukünf­tige Fortschritte der Medizin vorweg­neh­mend berück­sich­ti­gen. Die Anfor­de­run­gen an die Bestimmt­heit einer Patien­ten­ver­fü­gung dürfen also nicht überspannt werden.
  • Wichtig: Nicht ausrei­chend sind allge­meine Formu­lie­run­gen, wie „es soll ein würde­vol­les Sterben ermög­licht werden, wenn kein Thera­pie­er­folg zu erwar­ten ist“ oder „keine lebens­ver­län­gern­den Maßnah­men“ zu wünschen. (Unter beispiels­weise „würde­vol­lem Sterben“ versteht schließ­lich jeder etwas anderes).

Einschrei­ten durch das Betreu­ungs­ge­richt

Liegt eine gültige Patien­ten­ver­fü­gung vor, ist es nicht notwen­dig zusätz­lich die Einwil­li­gung des Betreu­ers bzw. Bevoll­mäch­tig­ten einzu­ho­len. Ihm obliegt es nur noch, dem nieder­ge­leg­ten Patien­ten­wil­len zusätz­lich Nachdruck und Geltung verlei­hen.

Bestehen dennoch Zweifel, kann das Betreu­ungs­ge­richt hinzu­ge­zo­gen werden. Kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die Patien­ten­ver­fü­gung gültig ist und auf die aktuelle Lebens- und Behand­lungs­si­tua­tion zutrifft, muss es ausspre­chen, dass keine gericht­li­che Geneh­mi­gung erfor­der­lich ist (Negativ­at­test).

Rechts­grund­lage für die Patien­ten­ver­fü­gung ist § 1901a BGB. Im oben genann­ten Fall entschied der BGH, dass die Patien­ten­ver­fü­gung ausrei­chend konkret formu­liert wurde. Der Abbruch der künst­li­chen Ernäh­rung bedurfte also keiner richter­li­chen Geneh­mi­gung.

Weiter­füh­rende Infor­ma­tio­nen

Nähere Infos zum Thema und Hilfe­stel­lun­gen zum Verfas­sen einer Patien­ten­ver­fü­gung sind in der Broschüre „Patien­ten­ver­fü­gung“ des Bundes­mi­nis­te­ri­ums der Justiz und für Verbrau­cher­schutz (BMJV) zu finden. Eine detail­lierte Beschrei­bung des oben genann­ten Falls kann in der Rechts­de­pe­sche-Ausgabe Jan/Feb 2019 nachge­le­sen werden. Die straf­recht­li­che Relevanz der sogenann­ten „Beihilfe zur Selbst­tö­tung“ wird in der Novem­ber-Ausgabe der Rechts­de­pe­sche anhand der aktuel­len BGH-Recht­spre­chung darge­stellt.

Quelle: RDG 2019, 16(1), S. 35–36, BMJV