Imfung gegen Diabetes Typ 1 bei Kindern
Insulin-Pulver beein­flusst den Blutzu­cker­spie­gel nicht, soll jedoch Diabe­tes Typ 1 bei Kindern mit hohem Erkran­kungs­ri­siko verhin­dern. Bild: Insti­tut für Diabe­tes­for­schung, Helmholtz Zentrum

Wie die Diabe­tes­for­scher in der aktuel­len Ausgabe des renom­mier­ten wissen­schaft­li­chen Magazins JAMA veröf­fent­li­chen, deuten Auswer­tun­gen der inter­na­tio­na­len Pre-POINT-Studie auf eine positive Immun­re­ak­tion bei Risiko­per­so­nen hin, denen Insulin oral verab­reicht wurde. Zu Neben­wir­kun­gen wie einer Unter­zu­cke­rung kam es dagegen nicht. Im nächs­ten Schritt soll jetzt getes­tet werden, ob eine Insulin-Impfung den Ausbruch der Erkran­kung dauer­haft verhin­dern kann.

Diabe­tes Typ 1 ist eine Autoim­mun­erkran­kung

Wer Diabe­tes Typ 1 hat, muss sein Leben lang mehrmals am Tag Insulin sprit­zen. Bei dieser Autoim­mun­erkran­kung zerstört das körper­ei­gene Immun­sys­tem in der Regel bereits im Kindes­al­ter die Insulin produ­zie­ren­den Betazel­len in der Bauch­spei­chel­drüse. Ausge­löst wird die Autoim­m­un­re­ak­tion durch Antigene, wie zum Beispiel das Insulin selbst, die der Organis­mus fälsch­li­cher­weise als „Fremd­kör­per“ einstuft und bekämpft.

Im Normal­fall baut das Immun­sys­tem dagegen in den ersten Lebens­jah­ren eine Immun­to­le­ranz gegen die körper­ei­ge­nen Prote­ine auf, so dass es nicht zu einer Autoim­m­un­re­ak­tion kommt. Zusätz­lich werden Zellen bereit­ge­stellt, welche die Zerstö­rung der eigenen Zellen verhin­dern. Diese positive Immun­ant­wort soll mithilfe der Insulin-Impfung „antrai­niert“ werden.

Immun­ant­wort beginnt wahrschein­lich bereits im Mund

In der Pre-POINT-Studie wurden Kinder mit einem hohen Erkran­kungs­ri­siko für Diabe­tes Typ 1 in Deutsch­land, Öster­reich, den Verei­nig­ten Staaten und Großbri­tan­nien ein halbes Jahr einmal täglich mit oralem Insulin behan­delt. Die Kontroll­gruppe erhielt nur ein wirkungs­lo­ses Placebo. Die Gruppe mit dem Wirkstoff nahm das Insulin in unter­schied­li­cher, im Laufe der Monate anstei­gen­der Dosis, als Pulver zusam­men mit der Nahrung ein. In der höchs­ten Dosis (67,5 mg) rief das Insulin­pul­ver schließ­lich die gewünschte Immun­ant­wort hervor.

„Ein wichti­ger Befund war zu sehen, dass es keine unerwünsch­ten Neben­wir­kun­gen gab“, kommen­tiert Studi­en­lei­ter Profes­sor Ezio Bonifa­cio vom TUD-Center for Regene­ra­tive Thera­pies das Ergeb­nis. „Das zeigt, dass wir die regulä­ren Vorgänge im Körper eines gesun­den Kindes, die eine Erkran­kung mit Diabe­tes Typ 1 verhin­dern, erfolg­reich nachge­ahmt haben.“

Da das Insulin in dieser Verab­rei­chungs­form im Magen aufge­spal­ten wird, hatte es keinen Einfluss auf den Blutzu­cker­spie­gel. „Wir vermu­ten, dass der Haupt­an­teil der Immun­ant­wort auf das Insulin bereits im Mund abläuft“, ergänzt Bonifa­cio.

Insulin als Impfstoff

Einzig­ar­tig ist bei dieser Doppel-Blind-Studie nach Ansicht von Profes­so­rin Anette-Gabriele Ziegler vom ebenfalls betei­lig­ten Insti­tut für Diabe­tes­for­schung, dass das Insulin prophy­lak­tisch als Impfstoff zu einem Zeitpunkt verab­reicht wurde, an dem die Kinder noch keine Autoim­m­un­re­ak­tion – das heißt noch keine Autoan­ti­kör­per – entwi­ckelt hatten.

„Dies ist eine Revolu­tion bei der Behand­lung von Typ 1 Diabe­tes“, so Ziegler. „Aber die Vorge­hens­weise ist nur folge­rich­tig: Wenn das Immun­sys­tem die schüt­zende Immun­ant­wort nicht von selbst lernt, muss die Medizin eben ein bisschen Nachhilfe geben.“