Entscheidung
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Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat die Berufserlaubnis zu Recht widerrufen. Denn die Klägerin hat sich eines Verhaltens schuldig gemacht, aus dem sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Rechtsgrundlage des Widerrufs bilden § 23 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 2, §2 Abs.1 Nr.2 und §1 Abs.1 KrP G. Dem steht nicht entgegen, dass das Krankenpflegegesetz mit Ablauf des 31.12.2019 außer Kraft getreten ist und mit Geltung ab 1. 1. 2020 durch das Pflegeberufegesetz ersetzt wurde. Denn für die Entscheidung über die Klage ist auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids vom 6.11.2019 abzustellen.
Unzuverlässigkeit lässt Anspruch auf Berufsbezeichnung erlöschen
Die der Klägerin von der Bezirksregierung erteilte Erlaubnis, die Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ zu führen, ist zu widerrufen, wenn sie sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, nach dem die Zuverlässigkeitskriterien nach § 2 Absatz 1 Nr. 2 KrP G nachträglich wegfallen und sich ihre Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Unzuverlässigkeit im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 2 KrP G – wie auch im Sinne von §2 Nr.2 P BG – liegt vor, wenn der Berufsausübende aufgrund bestimmter Tatsachen für eine zukünftige ordnungsgemäße Berufsausübung keine hinreichende Gewähr bietet. Dies setzt ein Verhalten voraus, das nach Art, Schwere und Zahl von Verstößen gegen Berufspflichten die zu begründende Prognose rechtfertigt, der Betroffene biete aufgrund der begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft die berufsspezifischen Vorschriften und Pflichten zu beachten. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit des Erlaubnisinhabers und dessen Lebensumstände zu würdigen. So können auch nicht berufsbezogene Verfehlungen die Annahme der Unzuverlässigkeit begründen.
Angesichts der strikten Rechtsfolge des § 2 Abs. 2 Satz 2 KrP G muss dem mit dem Widerruf bewirkten Eingriff in die Berufsfreiheit bereits bei der Auslegung des Begriffs der Unzuverlässigkeit hinreichend Rechnung getragen werden, um das Übermaßverbot zu wahren. Der Widerruf ist im Lichte des Art. 12 Abs. 1 GG nur dann gerechtfertigt, wenn der mit der Maßnahme bezweckten Abwehr von Gefahren für das Gemeinwohl ein Gewicht zukommt, das in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des damit verbundenen Grundrechtseingriffs steht. Das setzt voraus, dass der Betreffende wesentliche Berufspflichten missachtet hat. Und dass die Prognose zum zukünftigen Verhalten des Erlaubnisinhabers eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ergibt, dass er auch künftig seine Berufspflichten nicht beachten wird.
Vorsätzliche Körperverletzung wiegt schwer
Auch ein einmaliger schwerwiegender Verstoß gegen Berufspflichten kann den Widerruf zum Führen einer Berufsbezeichnung rechtfertigen. Eine konkrete Gefährdung für das Leben und die Gesundheit von Pflegebedürftigen als wichtigem Gemeinschaftsgut ist nicht hinnehmbar. Insoweit ist zu berücksichtigten, dass es zentrale Berufspflicht von Krankenschwestern bzw. Gesundheits- und Krankenpflegern als Angehörigen eines staatlichen anerkannten Pflegeberufs ist, die Pflege auf eine Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden und zu betreuenden Menschen auszurichten. Dabei sind die Würde und das Selbstbestimmungsrecht der zu pflegenden Menschen zu achten. Darüber hinaus soll der zu pflegende Mensch von dem Krankenpfleger nicht als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen behandelt werden. Gefordert ist vielmehr ein individueller, die subjektive Pflege- und Lebenssituation, die Lebensphase und die konkreten Möglichkeiten der Selbstständigkeit und Selbstbestimmung des Patienten berücksichtigender, Umgang.
Mit der zulasten der von ihr zu pflegenden Patientin Frau L. begangenen Straftat der vorsätzlichen Körperverletzung hat die Klägerin schwerwiegend gegen ihre zentrale Berufspflicht verstoßen. Demnach ist die Pflege auf eine Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden und zu betreuenden Menschen auszurichten. Außerdem sind die zu pflegenden Menschen nicht als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen zu behandeln. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin die Begehung der Tat durchgehend in Abrede gestellt und auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung weiter bestritten hat.
Die erkennende Kammer sieht sich im Hinblick hierauf auch nicht veranlasst, (nochmals) Beweis über die Begehung der Straftat zu erheben. Denn bei Entscheidungen über den Entzug einer Erlaubnis zur Ausübung eines Berufs oder zum Führen einer geschützten Berufsbezeichnung dürfen die in einem rechtskräftigen Strafurteil oder auch Strafbefehl enthaltenen tatsächlichen und rechtlichen Feststellungen regelmäßig zur Grundlage einer behördlichen oder gerichtlichen Beurteilung gemacht werden. Gewichtige Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der gerichtlichen Feststellungen bestehen nicht.
Verstoß gegen zentrale Berufspflichten
Die von der Klägerin verwirklichte Straftat der vorsätzlichen Körperverletzung wiegt im Rahmen der Prognose zu ihrem zukünftigen Verhalten schwer. Sie hat mit dem von ihr gezeigten Verhalten in verschiedener Hinsicht krass gegen die zuvor beschriebene zentrale Berufspflicht verstoßen:Nämlich die Pflege auf eine Verbesserung, Erhaltung und Förderung der physischen und psychischen Gesundheit der zu pflegenden und zu betreuenden Menschen auszurichten und den zu pflegenden Menschen nicht als bloßes Objekt pflegerischer Leistungen zu behandeln. Sie hat die körperliche Integrität der Patientin, deren Pflege ihr zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung übertragen war, vorsätzlich und ohne erkennbaren Anlass verletzt. Sie hat der Patientin den klar formulierten Wunsch nach einem Toilettengang verwehrt. Zudem habe sie gedroht, die Patientin an das Bett zu ketten, wenn sie nicht mache, was die Klägerin ihr sage. Damit hat die Klägerin der Patientin das Selbstbestimmungsrecht abgesprochen und sie in ihrem Handeln zum bloßen Objekt pflegerischer Handlungen entwürdigt.
Besonders schwer wiegt, dass dies in unmittelbarem dienstlichen Zusammenhang geschehen ist und die Klägerin ihre berufliche Stellung zum Nachteil der Patientin Frau L. missbraucht hat. Dies wirkt sich im Rahmen der Prognose zu ihrem zukünftigen beruflichen Verhalten nachteilig aus. Der Annahme eines schwerwiegenden Verstoßes steht schließlich nicht entgegen, dass die verhängte strafrechtliche Sanktion mit einer Geldstrafe in Höhe von 70 Tagessätzen im Hinblick auf den Strafrahmen des § 223 StGB, der bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe reicht, eher im unteren Bereich zu verorten ist.
Negative Prognose weil keine Einsicht erkennbar
Die erkennende Kammer verkennt insoweit nicht, dass Pflegefachkräfte in ihrem beruflichen Alltag hohen Belastungen ausgesetzt sind. Es lassen sich aber keine Anhaltspunkte erkennen, die das Fehlverhalten der Klägerin auch nur ansatzweise nachvollziehbar machen könnte. Es hat sich vielmehr um eine im pflegerischen Alltag in ähnlicher Weise häufig auftretende Situation gehandelt. Für eine Pflegefachkraft – wie die Klägerin als Krankenschwester – muss gewährleistet sein, dass sie mit solchen Situationen angemessen umgeht. Diese Prognose ist in Bezug auf die Klägerin aufgrund des gezeigten Fehlverhaltens nicht länger möglich.
Der negativen Prognose steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin vorher in mehr als 40 Dienstjahren nicht mit einem beruflichen Fehlverhalten aufgefallen ist. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen der Klägerin gehandelt haben könnte.
Im Übrigen ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine positive Prognose. Es ist nicht ersichtlich, dass die Klägerin einen Reifeprozess vollzogen haben könnte. Deswegen könnte zukünftig ein vergleichbares Fehlverhalten nicht ausgeschlossen werden. Einer positiven Prognose spricht entgegen, dass die Klägerin die Begehung der Tat weiterhin in Abrede stellt. Diese erklärt, keinerlei Erinnerungen hieran zu haben.
Der Klägerin ist durch den Widerruf der Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung „Krankenschwester“ die Tätigkeit als Fachkraft verschlossen. Ihr ist aber nicht der gesamte Arbeitsmarkt und auch nicht der gesamte Arbeitsmarkt in der Pflegebranche verschlossen.
Die Entscheidung ist rechtskräftig.