Lauterbach: Kein Mangel bei Arzneimitteln für Kinder
Bundes­mi­nis­ter für Gesund­heit, Karl Lauter­bach (SPD) Bild: BMG/Thomas Ecke

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) wirkt nach dem Termin optimis­tisch: „Wir werden in diesem Herbst und Winter alles dafür tun, dass Kinder die Arznei­mit­tel bekom­men, die sie benöti­gen. Wir sind deutlich besser aufge­stellt als im letzten Jahr.“

Ob der Optimis­mus echt ist, weiß nur er selbst.

Spitzen­ge­spräch mit Pharma­in­dus­trie, Apothe­ken- und Ärzte­schaft

Mitte Septem­ber hatte das Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­te­rium zu einem Spitzen­ge­spräch geladen, bei dem ein 5‑Punkte-Plan vorge­stellt wurde, der Engpässe bei Kinder­arz­nei­mit­teln diesen Winter verhin­dern soll. Dabei sollen Apothe­ken, Arztpra­xen und Pharma­in­dus­trie mitein­be­zo­gen werden.

Erste Maßnahme sind dabei regel­mä­ßige Status­ge­sprä­che zwischen Bund und den Pharma­un­ter­neh­men für Kinder­arz­nei­mit­tel. Durch den verbes­ser­ten Infor­ma­ti­ons­aus­tausch soll eine gleich­mä­ßige Versor­gung sicher­ge­stellt werden.

Zwar sei die Produk­tion jetzt schon signi­fi­kant gestie­gen – teilweise um bis zu 100 Prozent – falls es trotz­dem zu Engpäs­sen kommen sollte, seien kurzfris­tige Importe möglich.

Mehr Entschei­dungs­spiel­raum für Apothe­ken

Die Apothe­ken erhal­ten die Entschei­dungs­frei­hei­ten., für die sich die ABDA (Bundes­ver­ei­ni­gung Deutscher Apothe­ker­ver­bände) schon seit länge­rem einsetzt. Der 5‑Punkte-Plan sieht vor, den Austausch von Kinder­arz­nei­mit­teln der sogenann­ten Dring­lich­keits­liste auszu­wei­ten und weiter zu erleich­tern. Für die Herstel­lung von Rezep­tu­ren und für den Austausch der Darrei­chungs­form wird bei diesen Kinder­arz­nei­mit­tel eine Retaxa­tion ausge­schlos­sen.

ABDA-Präsi­den­tin Gabriele Regina Overwi­ening kommen­tiert nach dem Treffen: „Um flexi­bel auf Liefer­eng­pässe zu reagie­ren, brauchen unsere Apothe­ken­teams maximale Entschei­dungs­frei­räume. Wir als Exper­tin­nen und Exper­ten für das Arznei­mit­tel wollen im Falle eines Engpas­ses entschei­den, ob wir mögli­cher­weise eine Indivi­dual-Rezep­tur herstel­len oder – wenn verfüg­bar – doch ein Fertig­arz­nei­mit­tel abgeben. Ich freue mich sehr, dass das Minis­te­rium nun endlich erkannt hat, dass man mit der Exper­tise unserer Teams die Versor­gung verbes­sern kann.“

Die ABDA will aller­dings grund­sätz­lich weg von der Dring­lich­keits­liste: Die in Frage kommen­den Fertig­arz­nei­mit­tel seien aufgrund der Liste „weder von der Apotheke noch von der ABDA/ABDATA oder dem Großhan­del zuver­läs­sig bestimm­bar.“

Lauter­bach warnt vor Hamster­käu­fen

Eine Maßnahme, die sogar zweimal im 5‑Punkte-Plan auftaucht, ist die Vermei­dung von Hamster­käu­fen. Lauter­bach appel­lierte dabei an die Vernunft der Eltern: „Ein kleiner Haushalts­vor­rat ist immer sinnvoll. Das Horten ist es nicht.“

Deshalb sollen laut Plan Kinder- und Hausarzt­pra­xen Eltern darauf hinwei­sen, keine unnöti­gen Vorräte für Kinder­arz­nei­mit­tel anzule­gen.

Darüber hinaus will die Bundes­re­gie­rung „gemein­sam mit der Ärzte­schaft und Apothe­ker­schaft und den anwesen­den Pharma­fir­men eine sachlich-realis­ti­sche Kommu­ni­ka­tion [unter­stüt­zen], um unnötige Bevor­ra­tung zu vermei­den.“

Problem ist nicht neu

Abgese­hen davon, dass die Warnung vor Hamster­käu­fen meistens das Gegen­teil von dem bewirkt, was sie beabsich­tigt, ist das Problem nicht neu: Seit Jahren kommt es immer wieder zu Liefer­eng­päs­sen bei Arznei­mit­teln, was zumin­dest zum Teil daran liegt, dass mehr und mehr Unter­neh­men ihre Produk­tion ins Ausland verla­gert haben, wo sie billi­ger produ­zie­ren können.

Jetzt versucht man gegen­zu­steu­ern: Als Anreiz für Unter­neh­men werden die Festbe­träge bei den dring­li­chen Kinder­arz­nei­mit­teln weiter ausge­setzt – eine Maßnahme, die schon mit dem im Juli beschlos­se­nen Arznei­mit­tel­lie­fer­eng­pass­be­kämp­fungs- und Versor­gungs­ver­bes­se­rungs­ge­setz (ALBVVG) einge­führt wurde.

Laut Andreas Burkhardt, Deutsch­land­chef des Generika-Weltmarkt­füh­rers Teva, habe das den Unter­neh­men gehol­fen, die Folgen der Infla­tion zu bewäl­ti­gen, sei aber kein ausrei­chen­der Anreiz, um neue Anbie­ter in den Markt zu bringen: Da die Festbe­träge bis jetzt nur ausge­setzt seien, hätten die Unter­neh­men nicht genug Planungs­si­cher­heit, um neue Produk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten aufzu­bauen.

Arznei­mit­tel­eng­pässe: Greifen die Maßnah­men recht­zei­tig?

Schon vor seiner Einfüh­rung hatten Vertre­ter der Pharma­in­dus­trie das ALBVVG als nicht ausrei­chend bezeich­net. Thomas Weigold, Geschäfts­füh­rer Sandoz Deutsch­land und Vorstand bei Pro Generika, hatte im Mai kriti­siert, dass kein Unter­neh­men auf Basis des ALBVVG seine Liefer­ket­ten stabi­li­sie­ren und Produk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten ausbauen könne: „Während die öster­rei­chi­sche Regie­rung längst reagiert und die letzte Penicil­lin-Produk­tion in der westli­chen Welt geret­tet hat, ist Deutsch­land untätig geblie­ben.“

Aber die globa­len Liefer­ket­ten sind nicht erst unter der Ampel-Koali­tion entstan­den: Schon die große Koali­tion unter Merkel hat bei der Abwan­de­rung der Arznei­mit­tel­pro­duk­tion nicht regulie­rend einge­grif­fen – was anschei­nend den Vertre­tern der CDU/CSU entfal­len ist, die im letzten Winter einen Beschaf­fungs­gip­fel forder­ten, mit der ausdrück­li­chen Forde­rung an die Ampel, ihre „Untätig­keit“ zu beenden.

Statt der ermüden­den Diskus­sio­nen darüber, wer die Schuld an der Situa­tion trägt, sollte man besser gemein­sam an einer Strate­gie arbei­ten, die Produk­tion zurück nach Deutsch­land zu holen. Im Bezug auf die Autoin­dus­trie hat sich beson­ders die CDU schließ­lich nie schwer­ge­tan, Anreize für die Herstel­ler zu schaf­fen.

Selbst unter idealen Bedin­gun­gen wird die Stabi­li­sie­rung der Liefer­ket­ten Jahre dauern. Nach diesem Winter bleibt also genug zu tun – auch wenn durch die Steige­rung der Produk­tion die Versor­gung mit Kinder­arz­nei­mit­teln in diesem Jahr hoffent­lich besser ist.