
Klimaschutz und mehr: Zwei weitere fundamentale Krisen fordern die Gesellschaft zusätzlich. Zum einen stellt die weltweite Klimakrise das Überleben kommender Generationen auf unserer Erde ernsthaft in Frage – Handlungsbedarf ist dringend geboten. Zum anderen befinden wir uns in Deutschland in einer demographischen Krise. Es wachsen in unserer Gesellschaft nicht genug junge Menschen heran, um den Bedarf an Nachwuchskräften auch nur annähernd zu decken.
Es gibt derzeit kaum eine Branche, die nicht elementar von Personalsorgen betroffen ist. Ganz besonders gilt dies für das Gesundheitswesen und dabei im Brennpunkt: die Pflege.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit
Der konsequente Klimaschutz ist die Aufgabe der Zeit. Ansonsten drohen schon bald unabsehbare Folgen für die nachfolgenden Generationen. Das Gesundheitswesen, als die mit Abstand größte Branche unserer Volkswirtschaft muss hierzu beitragen.
Nachhaltigkeit muss im Gesundheitsdienst zwingend zu einem zentralen Thema werden. Das betrifft auch das Management der Lieferketten (englisch: Supply-Chains). Dabei wird das Thema „Regionalität“ stärker an Bedeutung gewinnen. Globale Lieferketten sind auf ihre Sinnhaftigkeit zu überprüfen. Ökologischen und soziale Produktionsbedingungen sowie die Transportwege müssen kritisch hinterfragt werden.
Die ökologische Ausrichtung der Unternehmensphilosophie schafft überdies Zufriedenheit und Mitarbeiterbindung, auf die in Zeiten des Fachkräftemangels kaum eine Einrichtung mehr verzichten kann. Die kommenden Generationen werden ihren künftigen Arbeitgeber sehr intensiv dahingehend bewerten, inwiefern er zur Bekämpfung der Klimakrise beiträgt. Nachhaltiges Handeln wird zur Bedingung sine qua non des erfolgreichen Arbeitgebers.
Dazu gesellt sich das Thema der wertschätzenden Mitarbeiterführung. Hier wird es darum gehen, dem kostbaren Gut des (knappen) Mitarbeiters einen entsprechenden Umgang geprägt von Wertschätzung zukommen zu lassen. Es hat sich herausgestellt, dass es wenig sinnvoll für ein Unternehmen ist gewaltige Beträge ins Arbeitgebermarketing zu investieren um dann an Cent Beträgen beispielsweise für eine angenehme Berufskleidung zu sparen.
Langfristige Partnerschaften
Zur nachhaltigen Gestaltung von Supply-Chains werden langfristige Partnerschaften benötigt, bei denen nicht mehr so sehr auf den niedrigsten Preis fokussiert wird. Es gilt vielmehr Synergien in der Wertschöpfungskette partnerschaftlich zu erschließen. Lieferengpässe aufgrund der Corona-Krise haben den Wert von flexiblen Partnern deutlich hervorgehoben. Im Fall der Textillogistik hat dies vor allem am Beispiel des Ersatzes der nicht mehr verfügbaren Einwegprodukten durch innovative Mehrweglösungen eindrucksvoll gezeigt.
Nachhaltigkeit statt Nachlässigkeit
Nachhaltigkeit bedeutet nicht, dass die Kostenfrage außer Acht gelassen wird. Nachhaltigkeit fängt zunächst mit Nachdenken an, also mit dem In-Frage-stellen aller Produkte und Prozesse in einer Wertschöpfungskette hinsichtlich ihrer Sinnhaftigkeit und ihrer sinnvolleren Alternativen. Textile Kreislaufsysteme stehen vielfach im Wettbewerb zu Einwegsystemen, wie etwa:
- OP-Mäntel und OP-Abdeckungen aus innovativen Textilien
- Schutzkittel aus Mikrofilamenten
- Nachhaltige Textilen und zwar von der Produktion bis zur Entsorgung
- Textile Vollversorgung (klimaneutral)
- Textile aus Ozeanplastik
- Biokompostierbare Textilien
- Vollständiges Recycling von gebrauchten Textilien

Diese Produkte und Prozesse müssen über das Ende des Lebenszyklus weitergedacht werden. Verwertbarkeit und Wiederverwendbarkeit sind selbstverständliche Aspekte der Kreislaufwirtschaft und das zentrale Thema der Zukunft. Verlangt ist, dass die Gewohnheiten der Wegwerfkultur verabschiedet werden – für den Klimaschutz.
Regionalität und Globalisierung
Die Globalisierung ist ein wichtiger Faktor der weltweiten wirtschaftlichen Entwicklung. Sie beinhaltet enorme Chancen für die Entwicklung gerade der ärmsten Länder der Erde. Aus den Erfahrungen der Corona-Krise können allerdings zukunftsweisende Schlussfolgerungen gezogen werden:
- Die Globalisierung systemrelevanter Lieferketten machen das jeweilige System extrem anfällig. Regionale Strukturen dürfen nicht vollständig eliminiert werden. Ansonsten entfallen Backups, z.B. bei Störungen der internationalen Transportwege.
- Die Globalisierung darf nicht auf Kosten der sozialen und ökologischen Standards stattfinden. Internationale Arbeitsteilung ist zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards sinnvoll und wichtig. Es müssen daher soziale und ökologische Standards eingefordert werden, die unseren internationalen Supply-Chains zugrunde gelegt werden müssen. Und um diese auch verlässlich gestalten zu können müssen langfristige Beziehungen und Vertrauen aufgebaut werden. Ansonsten besteht die Gefahr des Etikettenschwindels. In der Textilbranche bedeutet das beispielsweise, dass wesentlich mehr Bio-Baumwolle verkauft als hergestellt wird!
- Kostenvorteile internationaler Beschaffung dürfen nicht bis auf den letzten Cent ausgereizt werden. Oft liegen die Mehrkosten einer ökologisch und sozial einwandfreien Produktion nur bei wenigen Prozentpunkten, insbesondere im Hinblick auf den Preis am heimischen Markt.
- Das Anlegen von Reserven für den Krisenfall ist bei globalisierter Beschaffung unabdingbar. Dieses wird seitens der Bundesregierung für die Bereiche des Gesundheitswesen massiv vorangetrieben. Außer Acht gelassen wird dabei allerdings, dass Einwegsysteme wesentlich anfälliger sind, als Mehrwegsysteme. Für die Textilbranche gilt: die Pandemiereserven sind in den Umlaufbeständen bereits enthalten. Beispiel Infektionsschutzkittel: für 200.000 Anwendungen von Infektionsschutzkitteln müssen 200.000 Einwegmäntel vorgehalten werden. Im Mehrwegsystem werden hierfür nur 2.000 Mäntel benötigt, die 100 mal aufbereitet werden können.

Fazit
„Jeder Angriff bietet auch eine Chance“, lautet ein militärisches Sprichwort. Die Corona-Pandemie ist ein massiver Angriff auf unsere Zivilisation. Sie bietet zugleich aber auch Chancen, wenn wir sie als „Schuss vor den Bug begreifen“. Es geht nicht mehr so weiter wie bisher! Die Achtsamkeit auf unsere Umwelt und die Gesundheit unserer Mitmenschen muss steigen. Nur so können die großen Krisen der Zeit gemeistert werden. Für die Beschaffung der Gesundheitseinrichtungen ergeben sich unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit neue Aufgaben. Belastbare Supply-Chaines, Innovationsmanagement mit Partnern, ökologische Ausrichtung von Produkten und Prozessen, Regionalität und nachhaltige Logistik lauten die zentralen Herausforderungen. Für einen nachhaltigen Klimaschutz.
Quelle: Stephan Richtzenhain