Die Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten von Pflegefachpersonal steht seit Langem zur Debatte.
Die Übernahme heilkund­li­cher Tätig­kei­ten von Pflege­fach­per­so­nal steht seit Langem zur Debatte und ist durch die Corona-Krise abermals in den Fokus gesund­heits­po­li­ti­scher Diskus­sio­nen gerückt. Bild: ID © Pojos­law | Dreamstime.com

Mit dem Blick auf die Handlungs­er­mäch­ti­gung des nicht­ärzt­li­chen Perso­nals gestat­tet § 5a IfSG den Angehö­ri­gen der Pflege­fach­be­rufe und den Notfall­sa­ni­tä­tern nunmehr die eigen­stän­dige und eigen­ver­ant­wort­li­che Wahrneh­mung heilkund­li­cher Tätig­kei­ten. Durch diese Kompe­tenz­er­wei­te­rung sollen Ärztin­nen und Ärzte insbe­son­dere von Behand­lun­gen entlas­tet werden, die ein ärztli­ches Tätig­wer­den in dem Ausnah­me­fall einer epide­mi­schen Lage von natio­na­ler Tragweite nicht zwingend erfor­dern.

Ausübung der Heilkunde durch Pflege

Voraus­set­zung für die zunächst vorüber­ge­hende Ausübung der jewei­li­gen heilkund­li­chen Tätig­keit durch nicht­ärzt­li­ches Perso­nal ist die persön­li­che Kompe­tenz der jewei­li­gen Person, die sich sowohl aus der Ausbil­dung wie den persön­li­chen Fähig­kei­ten der handeln­den Person ergibt. Indem die gesetz­li­che Begrün­dung darauf abstellt, dass sich die persön­li­chen Fähig­kei­ten aus Berufs­er­fah­rung oder aus Fort- und Weiter­bil­dun­gen ergeben können, wird – in Abgren­zung zu § 63 Absatz 3c SGB V in Verbin­dung mit § 14 PflBG – nur auf das Vorhan­den­sein der materi­el­len Quali­fi­ka­tion abgestellt. Nicht erfor­der­lich ist somit eine zusätz­li­che formelle Quali­fi­zie­rung. Entschei­dend für die Übernahme heilkund­li­cher Tätig­kei­ten sind also ledig­lich das tatsäch­li­che Können und die persön­li­che Fähig­keit im Zeitpunkt der Ausfüh­rung der betref­fen­den Maßnahme.

Der Handelnde muss aller­dings den indivi­du­el­len Gesund­heits­zu­stand des Patien­ten berück­sich­ti­gen und diesen nebst der ausge­üb­ten heilkund­li­chen Tätig­keit verpflich­tend dokumen­tie­ren. Erfor­dert der Zustand des Patien­ten nach seiner Art und Schwere eine ärztli­che Behand­lung im Ausnah­me­fall einer epide­mi­schen Lage von natio­na­ler Tragweite nicht zwingend, ist die Vornahme der jeweils erfor­der­li­chen Maßnahme ausdrück­lich nach dem gesetz­ge­be­ri­schen Willen durch die Ausnah­me­re­ge­lung von § 5a IfSG gestat­tet, auch wenn sie der ärztli­chen Heilkunde zuzurech­nen ist. Zur fachli­chen Absiche­rung und als Grund­lage weite­rer ärztli­cher Behand­lungs­ent­schei­dun­gen muss der verant­wort­li­che oder behan­delnde Arzt im Nachhin­ein unver­züg­lich über die vorge­nom­me­nen Behand­lungs­maß­nah­men infor­miert werden. Befin­det sich der Patien­ten in einem kriti­schen Zustand obliegt demge­gen­über nach wie vor dem Arzt die Handlungs­ho­heit über die Ausübung der Heilkunde.

Verord­nung von Verband­mit­teln?

Nicht erfasst wird von § 5a IfSG jedoch die Verord­nungs­kom­pe­tenz der heilkund­lich tätigen Pflege­kräfte. Diese ist in der Heilkun­de­über­tra­gungs-Richt­li­nie in der Diagnose „Chroni­sche Wunden“ als Art und Umfang des pflege­ri­schen Handlungs­kon­vo­lu­tes hinter­legt. Aller­dings setzt das Tätig­wer­den der in diesem Bereich tätig werden­den Fachper­so­nen eine zusätz­li­che Quali­fi­ka­tion voraus. Das hierzu notwen­dige Quali­fi­ka­ti­ons­pro­fil wird zur Zeit von der Fachkom­mis­sion, die seitens des Bundes­mi­nis­te­ri­ums für Gesund­heit (BMG) sowie des Bundes­mi­nis­te­ri­ums für Familie, Senio­ren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) einge­setzt worden ist, erarbei­tet.

Mithin ist es folge­rich­tig, dass im Rahmen des § 5a IfSG die Verord­nungs­kom­pe­tenz nicht ausdrück­lich ausge­spro­chen wurde. Auch weist die im August 2019 aktua­li­sierte Häusli­che Kranken­pflege-Richt­li­nie (HKP-RL) zum Themen­kom­plex „Versor­gung chroni­scher Wunden“ die Verord­nungs­kom­pe­tenz eindeu­tig und unmiss­ver­ständ­lich dem ärztli­chen Bereich zu. So heißt es in § 3 Absatz 4 HKP-RL, dass die Leistungs­er­brin­ger an die Verord­nung und die Geneh­mi­gung des Arztes gebun­den sind. In § 7 Absatz 2 HKP-RL wird ferner darauf hinge­wie­sen, dass ausschließ­lich der Arzt nach Sichtung der Pflege­do­ku­men­ta­tion über die erfor­der­li­chen Maßnah­men und die mögli­che Folge­ver­ord­nung entschei­det.

Ausblick

Die gesetz­li­che Situa­tion zeigt, dass noch einige Wege beschrit­ten werden müssen, bis das seit dem Jahr 2008 disku­tierte Anlie­gen der pflege­ri­schen Verord­nungs­kom­pe­tenz in die Praxis und die Handlungs­rea­li­tät überführt werden wird. Dies alles wird unter anderem auch die Fortschrei­bung der jewei­li­gen Ausbil­dungs­ord­nun­gen und die Festschrei­bung neuer Abrech­nungs­wege erfor­dern. Nicht zuletzt ist auch an den hinrei­chen­den, haftpflicht­ver­si­che­rungs­recht­li­chen Deckungs­schutz für alle Profes­sio­nen im Gesund­heits­dienst zu denken.