Neupositionierung der Wundversorgung und Definition von Verbandmitteln
Auf der Basis dieses Gesetzes steht fest, dass Verbandmittel, die oberflächengeschädigte Körperteile bedecken oder Körperflüssigkeiten aufnehmen oder beide dieser Eigenschaften erfüllen, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können. Damit wurde gesetzlich kodifiziert, dass physikalisch wirkende Verbandmittel weiterhin verordnungsfähig sind.
Nicht physikalisch wirkende Verbandmittel – die sonstigen Produkte zur Wundversorgung – speziell solche mit pharmakologischer, immunologischer oder metabolischer Wirkung, wurden unter eine Übergangsregelung gestellt. Gemäß § 31 Abs. 1a SGB V müssen sie eine Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) durchlaufen, um ihre Verordnungsfähigkeit sicherzustellen.
Übergangsregelung und ausstehende Rahmenbedingungen
Obwohl der G‑BA als oberstes Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen für die Evidenzstudien verantwortlich ist, stehen die Rahmenbedingungen dafür noch aus. Eine Herausforderung für die Hersteller, denn eine zuverlässige Planungsphase der Studien benötigt Informationen zur Patientenpopulation, Versorgungspraxis, Vergleichstherapien, patientenrelevanten Endpunkte und Studiendauer.
Fristverlängerung bis einschließlich zum 1. Dezember 2024
Die ausbleibenden Evidenzkriterien haben zu großen Unsicherheiten geführt. Insbesondere besteht die Befürchtung, dass der Wegfall spezieller antimikrobieller Wundversorgungsprodukte eine Versorgungslücke aufreißt, die gravierende Folgen für die Patienten haben könnte.
Das Bundesministerium für Gesundheit hat in Anbetracht dieser Problematik reagiert und die Frist zur Vorlage der Studien bis einschließlich zum 1. Dezember 2024 verlängert. WICHTIG hierbei ist, dass bis zum Ablauf dieser Frist, die betroffenen Produkte zur Wundbehandlung weiterhin auf Kosten der Krankenkassen verordnet und bereitgestellt werden können.
Gebührenpflichtiges Beratungsrecht und Studienplanung
Darüber hinaus haben Hersteller von Produkten zur Wundbehandlung nun das Recht, gegen Gebühr eine Beratung beim G‑BA zu den Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien zu erhalten. Diese Regelung, die ähnlich bei der Zulassung neuer Wirkstoffe durch pharmazeutische Unternehmen Anwendung findet, soll unnötige Verzögerungen vermeiden.
Dies unterstreicht auch Andreas Kuhn, Geschäftsführer der ConvaTec (Germany) GmbH: „Wir begrüßen das Beratungsrecht beim G‑BA. Dieses ist ein wichtiger Schritt, um den Herstellern überhaupt eine realistische Möglichkeit zu geben, das Antragsverfahren bestehen zu können.“ Nur auf dieser Basis sieht er realistische Möglichkeiten das Antragsverfahren bestehen zu können. „Bisher waren die wenigen uns bekannten Anforderungen absolut nicht ausreichend. Um jetzt zu zügigen Verfahren und vor allem Ergebnissen zu kommen, sollte der G‑BA mit Herstellern und den Anwendenden aus der Praxis den Austausch über das geeignete weitere Vorgehen suchen“, so Kuhn weiter.
Dem vor Studienbeginn stattfindenden Beratungsgespräch liegt unter anderem eine Studienkurzbeschreibung zu Grunde, die der Hersteller dann entsprechend den zuvor vom G‑BA bekanntgegeben generalisierenden Informationen über das zu beachtende Studiendesign im Rahmen einer Studienkurzdarstellung einreichen muss. Die Kosten für die ‑in der Regel als Videokonferenz- stattfindenden Beratungsgespräche und das abschließende Beratungsprotokoll werden voraussichtlich nach der Intensität des jeweiligen Aufwandes in Preiskategorien eingeteilt.
Der Ball liegt beim G‑BA
Die Zuständigkeit für den Fortschritt in dieser Angelegenheit liegt nun beim G‑BA. Sie sind aufgerufen, eine Übersicht des Studiendesigns zu entwerfen und zu veröffentlichen. Sollte dies nicht geschehen, muss eine erneute Fristverlängerung in Betracht gezogen werden.
Gefahr einer Versorgungslücke bei antimikrobiellen Wundversorgungsprodukten
Diesseits erscheint die Frist ohnehin als zu kurz bemessen, weil die Studienumsetzung neben den entstehenden, erheblichen Kosten auch viel Zeit in Anspruch nehmen wird.
Ziel aller Beteiligten, inklusive BMG und G‑BA, sollte es sein Versorgungsbrüche zu vermeiden, denn insbesondere bei den antimikrobiell wirkenden Verbandmitteln steht in vielen Fällen nur eine systemisch wirkende Antibiotikatherapie als Alternative zur Verfügung.
Im Hinblick auf die Vermeidung von Resistenzen und dem erklärten Ziel eines restriktiven Einsatzes von Antibiotika, wäre dies der Weg in die falsche Richtung. Mithin sollte nicht der Kalender, sondern das Wohl des Patienten das Tempo bestimmen.
Häufig gestellte Fragen (FAQs)
Was hat das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung mit der Wundversorgung zu tun?
Das Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung, das am 9. August 2019 in Kraft trat, hat die Verbandmittel einer Definition zugeführt. Es legt demnach fest, dass Verbandmittel, die oberflächengeschädigte Körperteile bedecken oder Körperflüssigkeiten aufsaugen, zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung weiterhin verordnet werden können.
Was ist die Übergangsregelung für sonstige Produkte zur Wundversorgung?
Sonstige Produkte zur Wundversorgung mit pharmakologischer, immunologischer oder metabolischer Wirkung wurden unter eine Übergangsregelung gestellt. Sie müssen eine Nutzenbewertung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G‑BA) durchlaufen, um ihre Verordnungsfähigkeit sicherzustellen.
Warum wurde die Frist für die Vorlage der Evidenzstudien bis einschließlich zum 1. Dezember 2024 verlängert?
Die Fristverlängerung wurde aufgrund von Unsicherheiten und Verzögerungen bei der Bekanntgabe der Evidenzkriterien durch den G‑BA beschlossen. Damit soll den Herstellern die notwendige Zeit für die Erstellung und Vorlage ihrer Studien eingeräumt werden.
Was passiert, wenn die Frist für die Vorlage der Evidenzstudien abläuft?
Sollte die Frist ablaufen, ohne dass die erforderlichen Studien vorgelegt wurden, könnte dies dazu führen, dass bestimmte Wundversorgungsprodukte, insbesondere solche mit antimikrobieller Wirkung, nicht mehr auf Kosten der Krankenkassen verordnet und bereitgestellt werden können. Dies könnte zur einer Versorgungslücke führen und negative Auswirkungen auf die Patienten mit chronischen Wunden haben.
Prof. Dr. Volker Großkopf mit Michael Schanz