Nachhaltigkeit
Nachhal­tig­keit gelingt nur gemein­sam: Gesund­heits­we­sen und Textil­ser­vice sollten partner­schaft­lich klären, welche Daten gebraucht werden – für echten Fortschritt statt Daten­last. Bild: © Thai Noipho | Dreamstime.com

Nachhal­tig­keits­be­richt­erstat­tung wird Pflicht – und betrifft längst nicht mehr nur Konzerne. Mit der Einfüh­rung der CSRD und den neuen ESG-Standards stehen auch Gesund­heits­ein­rich­tun­gen und ihre Dienst­leis­ter vor tiefgrei­fen­den Verän­de­run­gen. Dabei droht eine neue Bürokra­tie­welle – oder eben eine echte Chance zur Partner­schaft. Wie eine nachhal­tige Zusam­men­ar­beit zwischen Klini­ken, Pflege­ein­rich­tun­gen und dem Textil­ser­vice gelin­gen kann, erklärt Stefan Cieslak vom Deutschen Textil­rei­ni­gungs-Verband (DTV) im Inter­view.

Redak­tion: Herr Cieslak, der Begriff Nachhal­tig­keits­be­richt­erstat­tung macht derzeit in vielen Branchen die Runde. Warum ist dieses Thema auch für die Zusam­men­ar­beit zwischen Gesund­heits­ein­rich­tun­gen und Textil­ser­vice – also Wäsche­reien und Reini­gun­gen – relevant?

Stefan Cieslak: Nachhal­tig­keit entwi­ckelt sich gerade zu einem zentra­len Steue­rungs­in­stru­ment in der gesam­ten Wirtschaft – und das spüren nun auch die Gesund­heits­bran­che und ihre Dienst­leis­ter. Mit der Corpo­rate Sustaina­bi­lity Report­ing Direc­tive (CSRD) und den darauf basie­ren­den verpflich­ten­den Nachhal­tig­keits­be­richts­stan­dards entsteht ein neues Funda­ment für die ESG-Bericht­erstat­tung – also für ökolo­gi­sche, soziale und Gover­nance-Themen.

Nachhaltigkeit
Die ESG (Environ­men­tal, Social und Gover­nance) ist ein umfas­sen­des Regel­werk für die Bewer­tung von nachhal­ti­gem und ethischem Handeln von Unter­neh­men. Bild: Clima­te­Part­ner GmbH

Die Gesund­heits­wirt­schaft steht hier an zwei Fronten: Einer­seits oft als berichts­pflich­tige Organi­sa­tion, anderer­seits in ihrer Rolle als Akteur mit komple­xen Liefer­ket­ten, zu denen eben auch der Textil­ser­vice gehört. Für eine verläss­li­che ESG-Bericht­erstat­tung benöti­gen Kranken­häu­ser und Pflege­ein­rich­tun­gen künftig also trans­pa­rente Nachhal­tig­keits­da­ten ihrer Partner – etwa zu Energie­ein­satz, Wasser­ver­brauch, Arbeits­be­din­gun­gen oder Trans­port­lo­gis­tik.

Keine Überfor­de­rung durch Berichte zur Nachhal­tig­keit

Redak­tion: Das heißt, auch der Textil­ser­vice muss sich entspre­chend aufstel­len?

Cieslak: Ja – aber mit Augen­maß. Es ist ein Trugschluss zu glauben, der Textil­ser­vice müsse nun pauschal vollstän­dige ESG-Berichte an seine Kunden liefern. Die Mehrheit der Textil­dienst­leis­ter sind kleine und mittlere Unter­neh­men (KMU) – und die EU sieht ganz bewusst vor, dass diese nicht überfor­dert werden dürfen. Daher sind sie expli­zit nicht verpflich­tet, umfas­sende Nachhal­tig­keits­be­richte zu erstel­len. Gleich­zei­tig wird an einem verein­fach­ten freiwil­li­gen Berichts­stan­dard für KMU gearbei­tet – dem sogenann­ten VSME-Standard (Volun­t­ary SME Standard). Aktuell wird disku­tiert, ob dieser Standard als „Value Chain Cap“ dienen soll. Das würde bedeu­ten: Geschäfts­part­ner dürfen nur solche Daten von KMU einfor­dern, die auch im Rahmen des VSME-Standards vorge­se­hen sind.

Redak­tion: Welche Daten können Textil­un­ter­neh­men denn heute schon zur Verfü­gung stellen?

Cieslak: Viele Betriebe erfas­sen bereits aussa­ge­kräf­tige Daten – etwa zum Energie- und Wasser­ver­brauch pro Kilogramm Wäsche, zum Einsatz ökolo­gi­scher Wasch­ver­fah­ren, zur Abwas­ser­auf­be­rei­tung, zu Ressour­cen­kreis­läu­fen, aber auch zu sozia­len Aspek­ten wie Mitar­bei­ter­schu­lung, Beschäf­ti­gungs­si­cher­heit oder Diver­si­tät. Eine Heraus­for­de­rung bleibt weiter­hin die genaue Erfas­sung von CO₂-Emissio­nen – das betrifft aber nicht nur den Textil­ser­vice, sondern viele Branchen.

Daten­qua­li­tät muss gesichert werden

Redak­tion: Können Kranken­häu­ser nicht einfach standar­di­sierte Nachhal­tig­keits­fra­ge­bö­gen an ihre Dienst­leis­ter senden, ähnlich wie es bei manchen Branchen beim Liefer­ket­ten­sorg­falts­pflich­ten­ge­setz beobach­tet wurde?

Cieslak: Genau das wäre kontra­pro­duk­tiv. Die politi­sche Stoßrich­tung geht inzwi­schen klar weg von pauscha­len Liefer­ket­ten­fra­ge­bö­gen hin zu einem geziel­ten, standar­di­sier­ten Infor­ma­ti­ons­aus­tausch. Wer jetzt beginnt, willkür­lich umfas­sende Abfra­gen zu starten, gefähr­det nicht nur die Koope­ra­ti­ons­be­reit­schaft, sondern auch die Daten­qua­li­tät.

Gesund­heits­ein­rich­tun­gen sollten mit ihren Textil­dienst­leis­tern frühzei­tig in den Dialog treten, um zu klären: Welche Daten werden tatsäch­lich gebraucht? Welche Daten können Textil­ser­vice­be­triebe realis­tisch liefern? Und in welcher Form? Denn: Mehr Daten bedeu­ten nicht automa­tisch mehr Nachhal­tig­keit – sondern oft nur mehr Bürokra­tie. Nachhal­tig­keit braucht Zusam­men­ar­beit, nicht Kontroll­spi­ra­len.

Cieslak
Stefan Cieslak ist Experte für Nachhal­tig­keit beim Deutschen Textil­rei­ni­gungs-Verband.

Redak­tion: Was wäre also ein sinnvol­ler Weg zur Daten­wei­ter­gabe?

Cieslak: Ein prakti­ka­bler Weg ist ein struk­tu­rier­ter, dialog­ori­en­tier­ter Austausch – zum Beispiel über standar­di­sierte ESG-Kurzbe­richte oder Daten­steck­briefe, die sich an branchen­spe­zi­fi­schen Kennzah­len orien­tie­ren.

Gerade bei Liefe­ran­ten aus dem KMU-Bereich sollten sich diese Daten am VSME-Standard orien­tie­ren und bei Bedarf aktua­li­siert werden. Das reduziert den Aufwand für beide Seiten und führt zu belast­ba­ren, vergleich­ba­ren Infor­ma­tio­nen. Mittel­fris­tig könnte sich der freiwil­lige VSME-Standard als etablier­ter Rahmen für ESG-Daten von KMU etablie­ren und somit andere Berichts­for­mate erset­zen. Entschei­dend ist: Nicht einfach fordern – sondern gemein­sam gestal­ten.

Neue recht­li­che Vorga­ben

Redak­tion: Die gesetz­li­chen Grund­la­gen für die verpflich­tende Nachhal­tig­keits­be­richt­erstat­tung sind weiter­hin im Wandel. Aktuell wird etwa der sogenannte „Omnibus­vor­schlag“ der EU-Kommis­sion disku­tiert. Wie verän­dert dieser die Lage?

Cieslak: Der Omnibus­vor­schlag der EU ist ein wichti­ger Impuls zur Bürokra­tie­ent­las­tung. Die Kommis­sion erkennt an, dass viele Anfor­de­run­gen für Unter­neh­men – insbe­son­dere KMU – zu umfang­reich und teils reali­täts­fern sind. Es ist ein klares politi­sches Signal: Unter­neh­men sollen vor ausufern­den Daten­er­he­bun­gen geschützt werden. Auch das bestä­tigt: Die Zusam­men­ar­beit entlang der Liefer­kette muss prakti­ka­bel bleiben – mit Augen­maß statt Daten­flut.

Vorsicht bei stren­ge­ren Anfor­de­run­gen an Dienst­leis­ter

Redak­tion: Was ist, wenn Gesund­heits­ein­rich­tun­gen dennoch stren­gere Anfor­de­run­gen an Nachhal­tig­keits­be­richt­erstat­tung an ihre Dienst­leis­ter stellen wollen – zum Beispiel im Rahmen von Ausschrei­bun­gen?

Cieslak: Dann sollten sie sich sehr bewusst sein, dass sie damit viele KMU vom Markt ausschlie­ßen könnten. Der Textil­ser­vice bietet heute schon viele ESG-Daten, aber eben im Rahmen dessen, was ein mittel­stän­di­scher Betrieb leisten kann. Wer darüber hinaus­geht, riskiert, nur noch mit Großdienst­leis­tern zusam­men­zu­ar­bei­ten, was weder im Sinne der Versor­gungs­si­cher­heit noch der regio­na­len Nachhal­tig­keit ist. Eine kluge ESG-Strate­gie setzt auf Zusam­men­ar­beit, nicht auf Ausschluss.

Redak­tion: Ihr Schluss­ap­pell?

Cieslak: Nachhal­tig­keit ist kein Allein­gang, sondern ein gemein­sa­mes Projekt entlang der gesam­ten Wertschöp­fungs­kette. Der Textil­ser­vice ist bereit, Teil der Lösung zu sein – wenn man ihn als Partner einbin­det und nicht als Daten­lie­fe­rant überfrach­tet. Der Schlüs­sel liegt in Dialog, Standar­di­sie­rung und Augen­maß. Nur so wird ESG-Bericht­erstat­tung zur Chance – und nicht zur Hürde.

Zur Person: Stefan Cieslak ist Referent für Betriebs­wirt­schaft und Nachhal­tig­keit beim Deutschen Textil­rei­ni­gungs-Verband. Als Fachbe­ra­tungs- und Infor­ma­ti­ons­trans­fer­stelle, geför­dert durch das Bundes­mi­nis­te­rium für Wirtschaft und Klima­schutz, berät er Unter­neh­men des Textil­ser­vice bei betriebs­wirt­schaft­li­chen Frage­stel­lun­gen und im Bereich der unter­neh­me­ri­schen Nachhal­tig­keit.