Widerspruchslösung: Der Organ-Entnahme muss aktiv widersprichen werden.
Die Nieder­lande haben sich für die „Wider­spruchs­lö­sung“ entschie­den. Bild: deborabalves/Pixabay.com

Im Kampf gegen den Mangel an Spender­or­ga­nen drehen die Nieder­lande nun den Spieß um: Dort sind zukünf­tig alle volljäh­ri­gen Bürger nach ihrem Tod poten­zi­elle Organ­spen­der – es sei denn, sie haben der Organ-Entnahme zu Lebzei­ten ausdrück­lich wider­spro­chen. Denn das Land hat die sogenannte „Wider­spruchs­lö­sung” beschlos­sen. Bisher war es dort umgekehrt: Wer bereit war, Organe zu spenden, musste dem aktiv zustim­men.

Für den entspre­chen­den Geset­zes­ent­wurf sprach sich am 13. Februar die Erste Kammer, das nieder­län­di­sche Oberhaus, mit einer äußerst knappen Mehrheit von 38 zu 36 Stimmen aus. Die Zweite Kammer, die direkt gewählte Volks­ver­tre­tung der Nieder­lande, hatte dem Geset­zes­ent­wurf der links­li­be­ra­len Partei „Democra­ten 66” bereits im Septem­ber 2016 zugestimmt – mit einer ebenfalls denkbar knappen Mehrheit von 75 zu 74. Die Regie­rung muss das Gesetz noch verkün­den, damit es in Kraft tritt.

Organ-Entnahme muss künftig aktiv abgelehnt werden

Ähnlich der Situa­tion in Deutsch­land, leiden die Nieder­lande unter einem Mangel an trans­plan­tier­ba­ren Organen. Laut Statis­tik des Europa­rats kommen auf eine Million Nieder­län­der derzeit nur 14,7 Spender.

Die Neure­ge­lung, einge­bracht von der Democra­ten 66-Abgeord­ne­ten Pia Dijks­tra, sieht nun einen Paradig­men­wech­sel vor: Alle Bürger sollen schrift­lich befragt werden, ob sie als Organ­spen­der zur Verfü­gung stehen sollen. Sie können zustim­men oder ableh­nen, alter­na­tiv auch die Entschei­dung einer bestimm­ten Person oder einem nahen Verwand­ten anver­trauen. Wer jedoch gar nicht antwor­tet, gilt automa­tisch als poten­zi­el­ler Spender. Wenn man die getrof­fene Entschei­dung nachträg­lich ändern will, ist das jeder­zeit möglich.

Modell auch für Deutsch­land?

Die Abstim­mung in der Ersten Kammer hatten die meisten Parteien ihren Mandats­trä­gern komplett freige­ge­ben. Tatsäch­lich stimm­ten mehrere Fraktio­nen unein­heit­lich ab. Vor allem Links­li­be­rale, Sozia­lis­ten, Grüne sowie Teile der Rechts­li­be­ra­len, Christ- und Sozial­de­mo­kra­ten brach­ten die Mehrheit zustande; die beiden ultra-christ­li­chen Klein­par­teien CU und SGP, die rechts­po­pu­lis­ti­sche PVV sowie die Tierschutz­par­tei PVdD stimm­ten geschlos­sen dagegen. In Umfra­gen hatte sich eine knappe Mehrheit der Nieder­län­der zuvor für das nun beschlos­sene Modell ausge­spro­chen.

In Deutsch­land ist die Versor­gung mit Spender­or­ga­nen noch drama­ti­scher als in den Nieder­lan­den: Dort gab es 2017 nur 9,7 Spender pro eine Million Einwoh­ner. Hier gilt bislang die sogenannte Entschei­dungs­lö­sung: Alle Kranken­ver­si­cher­ten ab 16 Jahren erhal­ten Infor­ma­ti­ons­ma­te­rial und einen Organ­spende-Ausweis. Die Organ­ent­nahme nach dem Tod ist dann zuläs­sig, wenn die Person im Organ­spende-Ausweis oder einer Patien­ten­ver­fü­gung dem zugestimmt hat. Liegt keine Entschei­dung vor, werden die Angehö­ri­gen befragt. Der nieder­län­di­sche Schritt dürfte nun für Diskus­sio­nen auch hierzu­lande sorgen.