Plasma
Plasma für die Hände­des­in­fek­tion? Bild: WK-Medtec

Plasma: Ein Stoff, den die meisten eher aus Science-Fiction-Filmen kennen. Dabei ist Fiktion längst zur Reali­tät gewor­den. Tatsäch­lich kommt Plasma auch in der echten Welt schon längst in der Raumfahrt zum Einsatz – aber eben nicht nur. Auch in der Medizin erschlie­ßen sich immer mehr Möglich­kei­ten den Stoff zu nutzen. „Das ist tatsäch­lich Weltraum­tech­nik, mit der wir hier arbei­ten“, sagt Stefa­nie Ascher im Gespräch mit der Rechts­de­pe­sche.

Sie ist Projekt­ma­na­ge­rin bei terra­plasma medical. Das Unter­neh­men beschäf­tigt sich schon einige Jahre mit der Produkt­ent­wick­lung im Bereich der Plasma-Medizin und hat seinen Ursprung in einer Arbeits­gruppe des Max-Planck-Insti­tuts. Dort hat man schon Anfang der 2000er an der Zukunfts­tech­no­lo­gie für den Medizin­be­reich geforscht.

Science-Fiction oder Reali­tät?

Wenn in der Medizin von Plasma die Rede ist, dann ist damit nicht das gleiche gemeint, wie bei den Plasma-Kanonen der Science-Fiction-Filme. Es geht hier nämlich nicht um heißes, sondern um sogenann­tes „kaltes atmosphä­ri­sches Plasma“ (KAP). Das wird künst­lich herge­stellt und dabei unter einer Tempe­ra­tur von 40 Grad Celcius gehal­ten, damit es eben am Menschen angewen­det werden kann. Plasma wird neben fest, flüssig und gasför­mig als vierter Aggre­gat­zu­stand bezeich­nen.

Um es herzu­stel­len, wird einem Gas Energie zugeführt, sodass es seinen Aggre­gat­zu­stand ändert. Ionisie­ren nennt man das. Plasma ist also nichts anderes als ionisier­tes Gas. Damit die Tempe­ra­tur beim Kaltplasma aber möglichst niedrig bleibt, wird hier das Gas nur teilweise ionisiert.

Am Ende dieses Prozes­ses entsteht ein Plasma-Cocktail, der verschie­dene Substan­zen enthält, die für die Medizin inter­es­sant sind. So ist der Cocktail in der Lage Bakte­rien und Viren abzutö­ten und gleich­zei­tig schonend für die Haut zu sein und sogar die Wundhei­lung anzure­gen.

„Mittler­weile können wir diese Cocktails unseren Anwen­dungs­be­rei­chen nach genau designen“, sagt Ascher. Das heißt der Anteil an Substan­zen im Plasma-Cocktail, die nützlich sind, werden maximiert. Je nach Anwen­dungs­ge­biet ändert sich die Zusam­men­set­zung des Cocktails. So hat Kaltplasma mittler­weile viele verschie­dene medizi­ni­sche Anwen­dungs­mög­lich­kei­ten.

Der Medizin­markt mit Plasma­pro­duk­ten hat also schon einiges zu bieten: so zum Beispiel zur Desin­fek­tion von Oberflä­chen, zur Reini­gung von Luft, zur Behand­lung von Nagel­pilz und zur Heilung von chroni­schen Wunden. Aktuell sind aller­dings vor allem Geräte zur Handdes­in­fek­tion im Gespräch.

Gerade in Kranken­häu­sern können diese Gerät­schaf­ten ein großes Problem lösen. Zig Male muss sich das Perso­nal am Tag die Hände desin­fi­zie­ren. Doch herkömm­li­che Handdes­in­fek­ti­ons­mit­tel mit Alkohol greifen auf Dauer die hautei­gene Flora an. Rauhe Haut, Rötun­gen und Schmer­zen sind die Folge. Mit Kaltplasma könnte dies der Vergan­gen­heit angehö­ren.

Plasma
Die Geräte erinnern optisch an Handtrock­ner. Die Gründer von WK-MedTec Wilfried Krömker und Timon Schor­ling präsen­tie­ren ihr Produkt. Bild: WK-Medtec

Steril mit Plasma

Ein „Hand Saniti­zer“ soll diese Probleme mit Kaltplasma aus dem Weg räumen. Das Unter­neh­men WK-MedTec verspricht in einem Inter­view mit „pflege-online“, die Hand-Desin­fek­tion zu revolu­tio­nie­ren. Das Gerät soll nicht nur schonen­der zur Haut sein, sondern die Bakte­rien und Viren auch verläss­li­cher entfer­nen. Fehler bei der Desin­fek­tion durch das Perso­nal sollen vermie­den und selbst unter den Finger­nä­geln soll alles steri­li­siert werden.

Optisch erinnert das Gerät an einen Handtrock­ner. Dort werden die Hände für eine paar Sekun­den reinge­hal­ten bis es leuch­tet und ein Ton das Signal gibt: jetzt ist alles steril. So müssen Pflege­per­so­nal sowie Ärztin­nen und Ärzte nicht warten bis das Desin­fek­ti­ons­mit­tel getrock­net ist und können direkt die Handschuhe überzie­hen und losle­gen.

Im Gegen­satz zu herkömm­li­chen Desin­fek­ti­ons­mit­teln kann man diese Geräte aber nicht über all hin mitneh­men. Sie sind relativ groß und fest montiert. Auch recht­lich steht der Hände­des­in­fek­tion mit Plasma noch einiges im Weg. Infek­ti­ons­schutz­ge­setz und die vom RKI erarbei­tete „Infek­ti­ons­prä­ven­tion in Heimen“ sehen immer noch eine Pflicht zur Desin­fek­tion mit herkömm­li­chen Mitteln mit Alkohol vor.

Nach Ansicht von Stefa­nie Ascher dürften derar­tige Hürden in der Anwen­dung von Kaltplasma im Medizin­be­reich in wenigen Jahren bewäl­tigt sein. „Da gibt es aktuell noch viel Skepsis. Das muss man den Leuten immer wieder erklä­ren und ihnen vor allem auch die Möglich­keit geben zu sehen, wie es funktio­niert. Das wird aber noch seine Zeit dauern, bis sich das gesetzt hat“, glaubt Ascher von terra­plasma medical. Zusam­men mit dem Mutter­un­ter­neh­men terra­plasma forschen auch sie an sinnvol­len Lösun­gen für die Desin­fek­tion von Händen.

Wundhei­lung durch Plasma

Haupt­au­gen­merkt des Unter­neh­mens liegt aktuell aber noch auf der Behand­lung von chroni­schen Wunden. Dass das Plasma auf der einen Seite Bakte­rien und Viren abtötet und auf der anderen Seite beim Menschen die Wundre­ge­ne­ra­tion anregt, hänge damit zusam­men, dass es sich um verschie­dene Zellty­pen handele, erklärt Ascher. Das Plasma wirkt also in beiden Fällen gleich, wie die Zellen auf diese Wirkung reagie­ren ist aber eine andere.

Ascher ist nicht nur Pflege­wis­sen­schaft­le­rin, sondern auch exami­nierte Kranken­pfle­ge­rin und weiß um die Schwie­rig­kei­ten bei der Versor­gung chroni­scher Wunden und hätte sich früher die Plasma-Techno­lo­gie von heute gewünscht. „Da fallen mir hunderte Wunden ein, in meiner Zeit als prakti­sche Kranken­schwes­ter, bei denen wir damals verzwei­felt sind“, erzählt sie.

Die Behand­lung mit Kaltplasma ist hierbei als Add-On Thera­pie zu verste­hen. Sie ersetzt also nicht die moderne phasen­ge­rechte Wundver­sor­gung und wird neben diesen klassi­schen Metho­den ergän­zend angewen­det. „Kaltplasma ist ein Baustein, den ich dort einbaue, wo mir die Wundver­sor­gung Probleme macht“, erklärt Ascher.

Das heißt in der Regel wird die Wunde zunächst gerei­nigt und dann mit Kaltplasma behan­delt. Je saube­rer die Wunde ist, desto besser kann es wirken. Anschlie­ßend entschei­den die Pflege­kräfte, welche phasen­ge­rechte Wundver­sor­gung in Frage kommt.

Für viele sei Kaltplasma aber ledig­lich das Mittel, das angewen­det wird, wenn alles andere nichts gebracht hat. „Das finde ich schade, weil man durch die recht­zei­tige Anwen­dung gar nicht erst so tief in das Problem reinfal­len würde“, sagt Ascher.

Mit der Zukunft in die Zukunft

Kaltplasma hat also viele Poten­tiale für den Medizin­be­reich. Doch wie bei der Desin­fek­tion mit Plasma wird es auch bei der Wundhei­lung noch einige Jahre dauern, bis die Plasma-Techno­lo­gie umfäng­lich Anwen­dung findet. Neben Skepsis sieht Ascher das Problem vor allem bei der Finan­zie­rung. „Seitens der gesetz­li­chen Kranken­kas­sen haben wir noch keine flächen­de­ckende Kosten­über­nahme. Das heißt Kaltplasma-Techno­lo­gien sind aktuell noch ein Selbst­zah­ler­pro­jekt bis es eben als Standard­the­ra­pie anerkannt wird“, so Ascher.

Für sie ist Kaltplasma die Medizin der Zukunft. „Wir haben jetzt schon viele Ideen, was man mit Kaltplasma machen kann. Aber ich bin fest davon überzeugt, dass wir in fünf Jahren ganz neue Gebiete erschlos­sen haben, in denen das funktio­nie­ren kann“. An den Plasma-Lösun­gen von morgen forscht terra­plasma aber schon heute. In einem aktuel­len Forschungs­pro­jekt soll Kaltplasma in der Inten­siv­me­di­zin bei beatme­ten Patien­tin­nen und Patien­ten zum Einsatz kommen.

Hier soll es Lungen­ent­zün­dun­gen vorbeu­gen, die bei der künst­li­chen Beatmung entste­hen können. Aber auch in der Oral- und Dental­me­di­zin soll es zukünf­tig neue Behand­lungs­mög­lich­kei­ten geben.