Das Robert Koch-Institut startet eine Untersuchung, um mehr über das Infektionsgeschehen von COVID-19 zu erfahren.
Das Robert Koch-Insti­tut startet eine Unter­su­chung, um mehr über das Infek­ti­ons­ge­sche­hen von COVID-19 zu erfah­ren. Bild: Photo 178225623 © Robert Kneschke – Dreamstime.com

Um mehr Infor­ma­tio­nen über die tatsäch­li­che Verbrei­tung von COVID-19 in der Bevöl­ke­rung zu bekom­men, hat das Robert Koch-Insti­tut (RKI) eine Studie in einem frühe­ren Schwer­punkt des Infek­ti­ons­ge­sche­hens gestar­tet: In der Gemeinde Kupfer­zell im baden-württem­ber­gi­schen Hohen­lo­he­kreis läuft seit Diens­tag, 19.5.2020, eine groß angelegte Unter­su­chung. Durch diese will man 2.000 Bürger errei­chen, rund ein Drittel der Einwoh­ner des Ortes. Die Studie soll dazu beitra­gen, die Dunkel­zif­fer der Corona-Infek­tio­nen besser einschät­zen zu können. Außer­dem will man heraus­fin­den, welche Perso­nen­grup­pen stärker von Corona betrof­fen sind und welcher Teil der Infek­tio­nen asympto­ma­tisch verläuft. Drei Wochen lang werden hierzu Tests gesam­melt. Erste Ergeb­nisse will das RKI in sechs Wochen vorstel­len.

Ein Konzert startete Infek­ti­ons­ge­sche­hen im Ort

Das RKI, das zwei Studi­en­zen­tren in der Gemeinde einge­rich­tet hat und auch einen Unter­su­chungs-Bus durch den Ort schickt, hat die 2.000 mögli­chen Teilneh­mer reprä­sen­ta­tiv ausge­wählt. Aller­dings nehmen nur Einwoh­ner über 18 Jahren an der freiwil­li­gen Unter­su­chung teil. Wer sich bereit erklärt mitzu­ma­chen, füllt einen Frage­bo­gen aus und lässt sich eine Blutprobe sowie einen Rachen-Abstrich entneh­men. Getes­tet wird sowohl auf das aktuelle Vorhan­den­sein von SARS-CoV‑2 als auch auf Antikör­per gegen das Virus.

Der 6.000-Einwohner-Ort Kupfer­zell, im ländlich gepräg­ten Nordos­ten Baden-Württem­bergs etwa auf halber Strecke zwischen Stutt­gart und Würzburg gelegen, gilt als einer der promi­nen­ten Corona-Hotspots Deutsch­lands. Bei einem Kirchen­kon­zert am 1. März hatten sich dort zahlrei­che Menschen angesteckt; in den Folge­wo­chen bekamen 112 Bewoh­ner des Ortes ein positi­ves Testergeb­nis. Dies trieb auch die Infek­ti­ons­zah­len von Baden-Württem­berg insge­samt im gesamt­deut­schen Vergleich über lange Zeit deutlich nach oben. „Die Bevöl­ke­rung ist sehr positiv gestimmt und steht voll hinter der Studie“, zitiert die Badische Zeitung den Bürger­meis­ter Chris­toph Spieles, der sich als einer der Ersten dem Test unter­zog.

„Heins­berg-Studie“ lieferte erste Hinweise zu unerkann­tem Infek­ti­ons­ge­sche­hen

Die RKI-Studie gilt als zweite groß angelegte Unter­su­chung, um dem Phäno­men der unerkann­ten Infek­tio­nen auf den Grund zu gehen. Bereits Anfang Mai hatte Profes­sor Hendrik Streeck von der Univer­si­tät Bonn seine Studie aus der Gemeinde Gangelt im Kreis Heins­berg vorge­stellt. Der 12.000-Einwohner-Ort an der nieder­län­di­schen Grenze war eine der ganz frühen Ausgangs­punkte von Corona in Deutsch­land. Dort war es auf einer Karne­vals­sit­zung am 15. Februar, die ein unwis­sent­lich infizier­tes Paar besucht hatte, zu massen­haf­ten Übertra­gun­gen gekom­men. Der Kreis Heins­berg wurde in den Folge­wo­chen zum ersten deutschen Epizen­trum der Pande­mie.

Für die sogenannte „Heins­berg-Studie“ hatte das Team von Streeck 919 Menschen aus 405 Haushal­ten getes­tet. Laut der Ergeb­nisse trugen 138, und damit rund 15 Prozent aller Proban­den Virus-Antikör­per in sich. Demnach hätte es im Ort fünfmal mehr Infek­tio­nen gegeben, als es offizi­ell dokumen­tiert war. 22 Prozent der positiv auf Antikör­per getes­te­ten Perso­nen hätten keiner­lei Symptome einer Erkran­kung wahrge­nom­men.

Ebenfalls inter­es­sant war, dass ein Großteil der zusam­men mit einem Infizier­ten in einem Haushalt leben­den Perso­nen sich dennoch nicht ansteckte. Die Wissen­schaft­ler setzten die sieben in Gangelt an Corona Verstor­be­nen zur hochge­rech­ne­ten Gesamt­zahl der Infek­ti­ons­fälle in Bezie­hung, und kamen so auf eine Letali­täts­rate von nur 0,37 Prozent. Medien­be­rich­ten zufolge geriet die Heins­berg-Studie in Kritik, unter anderem weil mehrere Wissen­schaft­ler der Studie eine grob fehler­hafte Berech­nung vorwar­fen. Die Autoren wiesen die Kritik jedoch zurück.

Quelle: Badische Zeitung, SWR, Südwest-Presse