Anlässlich der gestarteten Tarifrunde für den Öffentlichen Dienst fordert die neue Pflege-Spartengewerkschaft Bochumer Bund einen branchenbezogenen Flächentarifvertrag für alle Pflegekräfte. Mehr als 1,5 Millionen Menschen in Deutschland arbeiteten hauptberuflich in der Pflege, schätzt die Gewerkschaft. Davon jedoch lediglich rund 142.000 im öffentlichen Dienst – der Rest bei kirchlichen oder freien Trägern sowie Privatunternehmen. Nur die öffentlich Beschäftigten würden jedoch von einem Tarifabschluss profitieren.
Das wäre mit einem bundesweiten Flächentarifvertrag anders. „Nur so werden Pflegende auch über den Geltungsbereich des TVöD hinaus fair bezahlt und haben eine Chance auf bessere Arbeitsbedingungen”, so Hubert Biniak, Vorsitzender der Tarifkommission der Gewerkschaft, die sich am 12.5.2020 – dem jährlich begangenen Internationalen Tag der Pflege – gegründet hatte. „Daher sollten auch private Träger ihrer Verantwortung gegenüber denen gerecht werden, die die Pflegebedürftigen versorgen, und mit dem BochumerBund branchenweite Flächentarife einführen.” Nichtsdestotrotz sieht die Pflegegewerkschaft eine Vorreiterrolle des Öffentlichen Dienstes für die gesamte Pflegebranche. Für Vollzeitkräfte in der Pflege strebt der BochumerBund ein Grundgehalt von 3.500 Euro monatlich an.
Öffentlicher-Dienst-Tarifrunde ist gestartet
Aktuell läuft die Tarifrunde für Beschäftigte der Kommunen und des Bundes. Hierbei sitzen sich Funktionäre der Gewerkschaft ver.di und des Beamtenbundes dbb einerseits, sowie die Vertreter der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und des Bundes andererseits gegenüber. Verhandlungs-Gegenstand ist der Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst (TVÖD). Die Gewerkschaften fordern über eine Vertragslaufzeit von zwölf Monaten ein Plus von 4,8 Prozent für alle Beschäftigten – also auch die Pflegekräfte –, mindestens jedoch 150 Euro. Gehälter für Auszubildende und Praktikanten sollen um 100 Euro monatlich steigen. Bund und Kommunen lehnen die Forderungen mit Verweis auf die leeren Kassen und die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie ab. Ein erstes Treffen war am 1.9. ergebnislos geendet. Traditionell werden sich die Verhandlungen wohl bis weit in den Herbst hineinziehen, eventuell über den Oktober hinaus.
Das am 29.11.2019 bundesweit in Kraft getretene „Gesetz für bessere Löhne in der Pflege” sieht einen allgemeinen Flächentarifvertrag für die Pflege als ausdrückliche Möglichkeit vor, eine bessere Bezahlung von Pflegenden zu erreichen. Hierüber verhandeln die Beteiligten der „Konzertierten Aktion Pflege” (KAP), an der Bund, Länder, Pflegeverbände, Kliniken, Kirchen, Pflege- und Krankenkassen und noch viele weitere Akteure rund um die Pflege beteiligt sind. Die Alternative wäre, die Lohnuntergrenzen („Mindestlohn“) weiter anzuheben. Aktuell beläuft sich der Mindestlohn auf 11,60 Euro (West) beziehungsweise 11,20 Euro (Ost). Er wird bis zum 1.4.2022 schrittweise auf dann einheitliche 12,55 Euro pro Stunde angehoben; für ausgebildete Kräfte gibt es ab 1.4.2021 außerdem einen kleinen Bonus auf die Sätze.
SPD-Pflegeexpertin: Mindestlohn zielt vor allem auf Hilfskräfte
Auf den Mindestlohn als Instrument zu setzen, daran gibt es jedoch breite Kritik. Denn dieser setze Mindeststandards und sei eher an un- und angelernten Pflegehelfern orientiert, nicht an Fachkräften. „Gute Bezahlung muss das Ziel sein und nicht Mindestmaß“, so die SPD-Pflegebeauftragte Heike Baehrens im Parteiorgan „Vorwärts“. Ein gesetzlicher Mindestlohn regele des Weiteren nur die bloße Höhe des Grundentgelts, nicht aber Sonderzahlungen, Arbeitszeiten, Urlaubsanspruch oder weitere Rahmenbedingungen – was bei einem Flächentarifvertrag wohl der Fall wäre.