Tanja Dormels, Geschäftsführerin des Verbandmittelherstellers ConvaTec (Germany) GmbH.
Tanja Dormels, Geschäfts­füh­re­rin des Verband­mit­tel­her­stel­lers Conva­Tec (Germany) GmbH.

Silber­hal­tige und antimi­kro­biell wirkende Verband­mit­tel sind seit Jahren ein fester Bestand­teil zur Behand­lung chroni­scher Wunden. Im medizi­ni­schen Alltag werden mit ihnen auch in kompli­zier­ten Fällen beein­dru­ckende Erfolge erzielt, viele wissen­schaft­li­che Studien belegen die Wirksam­keit. Zurzeit wird der erste Entwurf des Gemein­sa­men Bundes­aus­schus­ses (G‑BA) zur Erstat­tungs­fä­hig­keit dieser Verband­mit­tel disku­tiert. Als Herstel­ler betrach­tet Conva­Tec den Entwurf mit großer Sorge.

Warum?

Es ist dem G‑BA leider nicht gelun­gen, klare Abgren­zungs­kri­te­rien für Verband­mit­tel und sonstige Produkte der Wundbe­hand­lung zu verab­schie­den. Der erste Entwurf der Richt­li­nie stellt keine Rechts­si­cher­heit über die Erstat­tungs­fä­hig­keit her. Es besteht dadurch weiter­hin die Gefahr, dass metall­be­schich­tete, silber­hal­tige oder antimi­kro­bielle Verbände bald nicht mehr von den gesetz­li­chen Kranken­kas­sen erstat­tet werden. Dies würde tausende Patien­tin­nen und Patien­ten von einer erwie­se­ner­ma­ßen wirkungs­vol­len Behand­lung ihrer chroni­schen Wunden abschnei­den. Schon jetzt sorgt das für große Verun­si­che­rung bei allen Betei­lig­ten.

Wirksam­keit wissen­schaft­lich belegt

Auf die mögli­chen Nachteile für Patien­tin­nen und Patien­ten weist auch Prof. Dr. Joachim Disse­mond, Oberarzt der Klinik für Derma­to­lo­gie am Univer­si­täts­kli­ni­kum Essen, hin. In einer Meta-Analyse[1] hat er die Wirksam­keit von 39 klini­schen Studien unter­sucht. Eine überwie­gende Mehrheit der analy­sier­ten Studien hat Vorteile in der Behand­lung mit silber­hal­ti­gen Verband­mit­teln ergeben. Außer­dem geht die Meta-Analyse davon aus, dass es „neben der antimi­kro­biel­len Wirkung auch Hinweise darauf gibt, dass der selek­tive und zeitlich begrenzte Einsatz von Silber die Lebens­qua­li­tät verbes­sert und wirtschaft­lich ist“. Prof. Dr. Joachim Disse­mond stellt fest: „Die Leute wissen nicht genau wo sie stehen, haben Angst vor einer mangeln­den Erstat­tungs­fä­hig­keit.“ Wegen dieser Unsicher­heit greifen behan­delnde Ärzte für die Versor­gung infizier­ter Wunden teilweise schon jetzt nicht mehr auf silber­hal­tige Verband­mit­tel zurück, obwohl diese eine bessere Behand­lung gewähr­leis­ten würden. Sollte es dem G‑BA nicht gelin­gen, die Verband­mit­tel­de­fi­ni­tion so zu gestal­ten, dass antimi­kro­bielle und silber­hal­tige Verbände klar einge­schlos­sen werden, wären davon bis zu 900.000 Patien­tin­nen und Patien­ten mit chroni­schen Wunden betrof­fen. Die Folgen wären gravie­rend: Ohne die spezi­el­len Verband­mit­tel kommt es öfter zu Infek­tio­nen, was zu einer höheren Gabe von Antibio­tika führt. Da sich der Behand­lungs­be­darf inten­si­viert, steigen auch die Kosten. Für die Patien­tin­nen und Patien­ten verschlech­tert sich nicht nur die medizi­ni­sche Versor­gung, sondern auch ihre Lebens­qua­li­tät. Das kann nicht im Sinne des Gesetz­ge­bers und der gesetz­li­chen Kranken­kas­sen sein!

Zu wenig Zeit für Evidenz-Nachweise

Verschärft wird diese Situa­tion dadurch, dass den Produkt­her­stel­lern viel zu wenig Zeit gelas­sen wird, um neue Produkte zu entwi­ckeln oder die Evidenz bereits erfolg­reich einge­setz­ter Produkte nach den neuen Krite­rien zu belegen. Die neuen Abgren­zungs­kri­te­rien sollen ein Jahr nach der Verab­schie­dung in Kraft treten. Diese kurze Übergangs­frist macht es unmög­lich, eine eventu­ell entste­hende Versor­gungs­lü­cke zu schlie­ßen und weiter eine bestmög­li­che Behand­lung zu gewähr­leis­ten.

Was ist zu tun?

Zum Wohle der Patien­tin­nen und Patien­ten ist ein inten­si­ve­rer Austausch zwischen Ärzten, Versor­gern, Kranken­kas­sen und dem Gesetz­ge­ber notwen­dig. Nur so können die bestmög­li­chen Behand­lungs­me­tho­den, Verband­mit­tel und Arznei­mit­tel­pro­dukte identi­fi­ziert werden. Und nur so ist deren Verfüg­bar­keit sicher­zu­stel­len. Für die Abgren­zung der Produkte müssen geeig­nete Bewer­tungs­kri­te­rien entwi­ckelt werden – das ist nur in Zusam­men­ar­beit und im inter­dis­zi­pli­nä­ren und inter­sek­to­ra­len Austausch aller betei­lig­ten Fachdis­zi­pli­nen möglich.

[1] Disse­mond J, Böttrich JG, Braun­warth H, Hilt J, Wilken P, Münter C. Evidenz von Silber in der Wundbe­hand­lung – MetaAna­lyse der klini­schen Studien von 2000–2015. J Dtsch Derma­tol Ges 2017; 15: 524–536.