Pflegezusatzversicherungen würden Eigenbeteiligung verringern
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Pflegezusatzversicherungen würden Eigenbeteiligung verringern
Trotz dieser erheblichen Risiken hätten im Jahr 2018 aber nur 4,7 Prozent der gesetzlich Versicherten auf eine Pflegezusatzversicherung zurückgreifen können, so das IW. Knapp 900.000 davon öffentlich gefördert und 2,5 Millionen privatversichert. Womit Deutschland gar nicht so schlecht da steht: Im OECD-Durchschnitt wurden 2011 sogar nur 2 Prozent der Pflegekosten privat abgesichert. In der englischsprachigen Literatur wird in diesem Zusammenhang vom „Pflegeversicherungsrätsel“ gesprochen.
Entsprechend rätseln auch die Studienmacher über die Gründe für die mangelhafte Absicherung.
Als mögliche Erklärungsmuster führen sie an:
- viele unterschätzen das Pflegekostenrisiko systematisch
- einige rechnen womöglich damit, dass sich ihre Kinder im Pflegefall um sie kümmern
- die Menschen haben eine Präferenz für unspezifische Vorsorge (z.B. Wohneigentum)
- viele verlassen sich auf die staatliche Absicherung durch „Hilfe zur Pflege“
- der Markt für Pflegezusatzversicherungsprodu
kte versagt (teilweise)
Zusatzpolice nicht für jeden sinnvoll
Tatsächlich sind Pflegezusatzversicherungen nicht unumstritten. Die Stiftung Warentest urteilte 2017: „Eine Pflegezusatzversicherung ist aber nur für den sinnvoll, der langfristig ein sicheres und ausreichend hohes Einkommen hat, so dass er die Beiträge und die absehbaren Beitragserhöhungen lebenslang aufbringen kann. Und das oft auch dann noch, wenn er bereits ein Pflegefall ist.“
Das Meinungsforschungsinstitut Allensbach untersuchte Anfang des Jahres die Einstellungen der potenziellen Versicherungsnehmer. Diese gingen im Durchschnitt davon aus, 161 Euro im Monat zahlen zu müssen, um keine Eigenbeteiligung leisten zu müssen. Auf die Frage nach ihren tatsächlichen finanziellen Möglichkeiten, gaben diese an, 77 Euro pro Monat für die private Pflegevorsorge aufwenden zu können.
Seitdem sind die Beiträge für private Zusatzpolicen allerdings stark angestiegen, wie die Tageszeitung Die Welt berichtet. In mehreren Fällen hätten Versicherungen die Beitragssätze um 50 bis 70 Prozent erhöht, teils um bis zu 110 Prozent. Der Chef der Verbraucherzentrale NRW forderte gar die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) auf, einzugreifen. Es müsse geprüft werden, ob die aktuellen Beitragssprünge gerechtfertig seien oder die bisherigen Kalkulationen unrealistisch waren.
Diese Frage hatte der Stuttgarter Finanzanalytiker Volker Loomann bereits 2014 in der Frankfurt Allgemeinen Zeitung aufgeworfen. Damals bezeichnete er die Pflegezusatzversicherungen als „in höchstem Maße fragwürdig“. Die versprochene Rendite von knapp 6% sei überhaupt nicht realistisch. Deshalb müssten die Versicherer auf eine möglichst kurze Pflegezeit und einen frühen Exitus hoffen.
Trotz der nun geplanten Deckelung der Eigenbeteiligung sei eine private Zusatzpolice nicht überflüssig, so Constantin Papaspyratos vom Bund der Versicherten und Gerhard Reichl von der auf Versicherungen spezialisierten Ratingagentur Assekurata. Bei einer digitalen Veranstaltung auf Einladung der Privaten Krankenversicherungen (PKV) Mitte Oktober rieten beide jedoch eher zu einer Pflegetagegeldversicherung, da eine Pflegekostenversicherung zu abhängig sei von den weiteren Entwicklungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Aussagen zu Eigenbeteiligung unter Vorbehalt
Für seine Untersuchung wertete das Institut der Deutschen Wirtschaft die Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) von 2017 aus und verglich diese mit den damaligen Kosten für stationäre Altenpflege. An der seit 1984 durchgeführten repräsentativen Befragung von über 15.000 Privathaushalten, nehmen 30.000 Personen teil, die auch umfassend zu ihrer Einkommens‑, Vermögens- und Pflegesituation befragt werden.
Die Analyse könne aufgrund bestimmter Einschränkungen in der Datenverfügbarkeit allerdings „nur ein grobes Bild der Realität zeichnen“ räumen die Autoren der Studie ein. Sie verweisen auf weiteren Forschungsbedarf. In Ermangelung einer genaueren Vermögensaufschlüsselung sei man davon ausgegangen, dass die Haushalte ihr etwaiges Wohneigentum kapitalisieren könnten. Zudem habe man bei den Nicht-Rentner-Haushalten das Einkommen unberücksichtigt gelassen. Denn es sei kaum kalkulierbar, inwieweit dies in einer Pflegesituation aufrecht erhalten werden könne.
Da vor dem Heimeintritt in vielen Fällen schon ambulant gepflegt wird und dafür eventuell auch Mittel aufgewendet werden müssen, erhöht sich unter Umständen der Anteil der Haushalte, der die stationäre Pflege nicht aus eigener Hand finanzieren kann. Zudem geht die Untersuchung davon aus, dass in jedem Haushalt nur ein Mitglied stationär pflegebedürftig wird. Für den Fall, dass mehrere Mitglieder, wenn auch möglicherweise zeitversetzt, betroffen sind, müsse man davon ausgehen, dass die entsprechend höheren Pflegekosten von weitaus mehr Haushalten nicht getragen werden können.
Deshalb sprechen die Autoren Susanna Kochskämper, Silvia Neumeister, Maximilian Stockhausen auch von einem ersten Aufschlag. Ihre Analyse könne „nur grobe Orientierungswerte“ geben und einer ersten Einschätzung dienen. Sie sagen offen, dass hier zunächst „grobe Kriterien“ gewählt wurden, die „ein wenig holzschnittartig“ wirken.
Keine klaren Schlussfolgerungen
Als Blaupause für die Pläne des Gesundheitsministers will das IW seine Untersuchung nicht verstanden wissen: Die Zahlen ermöglichten „keine eindeutigen Rückschlüsse auf einen möglichen Reformbedarf hinsichtlich der Eigenanteile“. Einer politischen Einordnung verweigert man sich dennoch nicht: Die pauschale Annahme, dass für den Großteil der Menschen in Deutschland Pflege eine „Armutsfalle“ sei, würde so nicht zutreffen. Allerdings sei diese Gefahr für einige Menschen durchaus relevant und lasse sich deshalb nicht ignorieren. Teilweise würde dies auch zur Auflösung von schützenswerten Vermögenswerten wie selbst genutzten Wohnimmobilien führen.
Auch auf die Gerechtigkeitsfrage geht das IW in seinem Fazit ein: Dass eine Fixierung der Eigenanteile beziehungsweise eine Pflegevollversicherung eine Art „Erbenschutzprogramm“ wäre, sei „nicht ganz von der Hand zu weisen“…