Der Sachverhalt
Geklagt hat der Bundesverband Deutscher Privatkliniken, der mehr als 1000 private Krankenhäuser vertritt. Beklagt wurde der Landkreis Calw, der über eine Gesellschaft Krankenhäuser in Calw und Nagold betreibt. Diese Häuser sind in den Krankenhausplan des Landes Baden-Württemberg aufgenommen und vom Beklagten am 22.04.2008 und 19.12.2013 mit der Erbringung medizinischer Versorgungsleistungen als Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse betraut worden.
Der Jahresabschluss der Kliniken Calw wies für das Jahr 2011 einen Fehlbetrag von mehr als 3 Millionen Euro und für das Jahr 2012 einen Fehlbetrag von mehr als 6 Millionen Euro aus. Daraufhin fasste der Kreistag des Beklagten im Jahr 2012 den Beschluss, die Verluste der Kliniken für die Jahre 2012 bis 2016 auszugleichen. Außerdem gewährte er in den Jahren 2010 bis 2012 den Kliniken Ausfallbürgschaften zur Absicherung von Investitionsdarlehen, ohne hierfür Avalzinsen zu verlangen, und Investitionszuschüsse.
Der Kläger sieht in den Zuwendungen des Beklagten an die Kliniken Calw staatliche Beihilfen, die mangels Anmeldung (Notifizierung) bei der Kommission rechtswidrig seien. Der Beklagte hat eingewandt, die Zuwendungen seien nicht notifizierungspflichtig, weil sie dem Ausgleich von Kosten für die Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse dienten, mit denen er die Kliniken betraut habe.
Entscheidung
Das Landgericht Tübingen hatte die Klage abgewiesen (Urteil vom 23.12.2013, Az.: 5 O 72/13). Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG Stuttgart hatte keinen Erfolg (Urteil vom 20.11.2014, Az.: 2 U 11/14): Das Gericht hat offen gelassen, ob die Zuwendungen des Beklagten an die Kliniken staatliche Beihilfen darstellen. Selbst wenn dies der Fall wäre, verstießen sie nicht gegen das Verbot des Artikel 108 Absatz 3 Satz 3 AEUV, staatliche Beihilfen ohne vorherige Anmeldung bei der Kommission zu gewähren. Die Zuwendungen seien gemäß Artikel 106 Absatz 2 AEUV für die Erbringung von Dienstleistungen im allgemeinen Interesse erforderlich und deshalb nach der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission von der Notifizierungspflicht befreit.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat auf die Revision des Klägers die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, soweit sich der Kläger gegen den Ausgleich der Verluste der Kliniken für die Jahre 2012 und 2013 wendet, und im Übrigen die Revision zurückgewiesen (Urteil vom 24.3.2016, Az.: I ZR 263/14).
Die Gründe
Nach Auffassung des BGH ist anzunehmen, dass die Zuwendungen des Beklagten an die Kliniken von der Notifizierungspflicht freigestellt sind, soweit sie auf der Grundlage des seit dem 01.01.2014 wirksamen Betrauungsakts vom 19.12.2013 gewährt werden.
Die Leistungen des Beklagten dienten der Aufrechterhaltung des Betriebs der defizitär arbeitenden Krankenhäuser Calw und Nagold. Zudem handele es sich bei den medizinischen Versorgungsleistungen der Krankenhäuser um Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse und aus der Aufnahme der Häuser in den Krankenhausplan ergebe sich, dass ihr Betrieb zur bedarfsgerechten Versorgung der Bevölkerung notwendig sei. Als Landkreis habe der Beklagte den Betrieb der Krankenhäuser nach § 3 Absatz 1 und § 7 Absatz 1 des Landeskrankenhausgesetzes Baden-Württemberg sicherzustellen.
Der Betrauungsakt vom 22.4.2008 führe allerdings nicht zu einer Freistellung von der Pflicht des Beklagten, die Zuwendungen bei der Kommission anzumelden. Er genüge nicht den Transparenzanforderungen, die in der Freistellungsentscheidung 2005/842/EG der Kommission vorgesehen seien. Die Parameter für die Berechnung der Ausgleichsleistungen seien nur unzureichend ausgewiesen. Dagegen erfülle der Betrauungsakt vom 19.12.2013 sämtliche Transparenzanforderungen.
Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung könne deshalb nicht angenommen werden, dass der vom Beklagten beschlossene Verlustausgleich bei den Kliniken für die Jahre 2012 und 2013 von der Notifizierungspflicht bei der Kommission befreit sei. Das Berufungsgericht müsse nunmehr prüfen, ob es sich bei den Zuwendungen des Beklagten um staatliche Beihilfen handele.