Der BGH musste über staatliche Beihilfen entscheiden.
Der BGH musste darüber entschei­den, ob staat­li­che Beihil­fen zur Aufrecht­erhal­tung des Klinik­be­trie­bes eine Notifi­zie­rung erfor­der­lich machen. Im Bild: Das Erbgroß­her­zog­li­ches Palais in Karls­ruhe, heute Sitz des Bundes­ge­richts­hofs. Bild: Thomas Steg/Wikimedia Commons

Der Sachver­halt

Geklagt hat der Bundes­ver­band Deutscher Privat­kli­ni­ken, der mehr als 1000 private Kranken­häu­ser vertritt. Beklagt wurde der Landkreis Calw, der über eine Gesell­schaft Kranken­häu­ser in Calw und Nagold betreibt. Diese Häuser sind in den Kranken­haus­plan des Landes Baden-Württem­berg aufge­nom­men und vom Beklag­ten am 22.04.2008 und 19.12.2013 mit der Erbrin­gung medizi­ni­scher Versor­gungs­leis­tun­gen als Dienst­leis­tun­gen von allge­mei­nem wirtschaft­li­chem Inter­esse betraut worden.

Der Jahres­ab­schluss der Klini­ken Calw wies für das Jahr 2011 einen Fehlbe­trag von mehr als 3 Millio­nen Euro und für das Jahr 2012 einen Fehlbe­trag von mehr als 6 Millio­nen Euro aus. Darauf­hin fasste der Kreis­tag des Beklag­ten im Jahr 2012 den Beschluss, die Verluste der Klini­ken für die Jahre 2012 bis 2016 auszu­glei­chen. Außer­dem gewährte er in den Jahren 2010 bis 2012 den Klini­ken Ausfall­bürg­schaf­ten zur Absiche­rung von Inves­ti­ti­ons­dar­le­hen, ohne hierfür Avalzin­sen zu verlan­gen, und Inves­ti­ti­ons­zu­schüsse.

Der Kläger sieht in den Zuwen­dun­gen des Beklag­ten an die Klini­ken Calw staat­li­che Beihil­fen, die mangels Anmel­dung (Notifi­zie­rung) bei der Kommis­sion rechts­wid­rig seien. Der Beklagte hat einge­wandt, die Zuwen­dun­gen seien nicht notifi­zie­rungs­pflich­tig, weil sie dem Ausgleich von Kosten für die Erbrin­gung von Dienst­leis­tun­gen von allge­mei­nem wirtschaft­li­chem Inter­esse dienten, mit denen er die Klini­ken betraut habe.

Entschei­dung

Das Landge­richt Tübin­gen hatte die Klage abgewie­sen (Urteil vom 23.12.2013, Az.: 5 O 72/13). Auch die Berufung des Klägers vor dem OLG Stutt­gart hatte keinen Erfolg (Urteil vom 20.11.2014, Az.: 2 U 11/14): Das Gericht hat offen gelas­sen, ob die Zuwen­dun­gen des Beklag­ten an die Klini­ken staat­li­che Beihil­fen darstel­len. Selbst wenn dies der Fall wäre, verstie­ßen sie nicht gegen das Verbot des Artikel 108 Absatz 3 Satz 3 AEUV, staat­li­che Beihil­fen ohne vorhe­rige Anmel­dung bei der Kommis­sion zu gewäh­ren. Die Zuwen­dun­gen seien gemäß Artikel 106 Absatz 2 AEUV für die Erbrin­gung von Dienst­leis­tun­gen im allge­mei­nen Inter­esse erfor­der­lich und deshalb nach der Freistel­lungs­ent­schei­dung 2005/842/EG der Kommis­sion von der Notifi­zie­rungs­pflicht befreit.

Der Bundes­ge­richts­hof (BGH) hat auf die Revision des Klägers die Sache zur neuen Verhand­lung und Entschei­dung an das Berufungs­ge­richt zurück­ver­wie­sen, soweit sich der Kläger gegen den Ausgleich der Verluste der Klini­ken für die Jahre 2012 und 2013 wendet, und im Übrigen die Revision zurück­ge­wie­sen (Urteil vom 24.3.2016, Az.: I ZR 263/14).

Die Gründe

Nach Auffas­sung des BGH ist anzuneh­men, dass die Zuwen­dun­gen des Beklag­ten an die Klini­ken von der Notifi­zie­rungs­pflicht freige­stellt sind, soweit sie auf der Grund­lage des seit dem 01.01.2014 wirksa­men Betrau­ungs­akts vom 19.12.2013 gewährt werden.

Die Leistun­gen des Beklag­ten dienten der Aufrecht­erhal­tung des Betriebs der defizi­tär arbei­ten­den Kranken­häu­ser Calw und Nagold. Zudem handele es sich bei den medizi­ni­schen Versor­gungs­leis­tun­gen der Kranken­häu­ser um Dienst­leis­tun­gen von allge­mei­nem wirtschaft­li­chem Inter­esse und aus der Aufnahme der Häuser in den Kranken­haus­plan ergebe sich, dass ihr Betrieb zur bedarfs­ge­rech­ten Versor­gung der Bevöl­ke­rung notwen­dig sei. Als Landkreis habe der Beklagte den Betrieb der Kranken­häu­ser nach § 3 Absatz 1 und § 7 Absatz 1 des Landes­kran­ken­haus­ge­set­zes Baden-Württem­berg sicher­zu­stel­len.

Der Betrau­ungs­akt vom 22.4.2008 führe aller­dings nicht zu einer Freistel­lung von der Pflicht des Beklag­ten, die Zuwen­dun­gen bei der Kommis­sion anzumel­den. Er genüge nicht den Trans­pa­renz­an­for­de­run­gen, die in der Freistel­lungs­ent­schei­dung 2005/842/EG der Kommis­sion vorge­se­hen seien. Die Parame­ter für die Berech­nung der Ausgleichs­leis­tun­gen seien nur unzurei­chend ausge­wie­sen. Dagegen erfülle der Betrau­ungs­akt vom 19.12.2013 sämtli­che Trans­pa­renz­an­for­de­run­gen.

Mit der vom Berufungs­ge­richt gegebe­nen Begrün­dung könne deshalb nicht angenom­men werden, dass der vom Beklag­ten beschlos­sene Verlust­aus­gleich bei den Klini­ken für die Jahre 2012 und 2013 von der Notifi­zie­rungs­pflicht bei der Kommis­sion befreit sei. Das Berufungs­ge­richt müsse nunmehr prüfen, ob es sich bei den Zuwen­dun­gen des Beklag­ten um staat­li­che Beihil­fen handele.