Knapp elf Jahre nach der Aussetzung der Wehrpflicht – und damit auch dem indirekten Aus des Zivildienstes – ist in Deutschland die Debatte um einen Pflichtdienst für junge Menschen zurück. In einem Gespräch mit der „Bild am Sonntag“ hatte der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor wenigen Tagen eine Rückkehr zu einem verpflichtenden Dienst angeregt.
„Es geht um die Frage, ob es unserem Land nicht guttun würde, wenn sich Frauen und Männer für einen gewissen Zeitraum in den Dienst der Gesellschaft stellen“, so Steinmeier darin.
Explizit nannte er die Arbeit bei der Betreuung von Senioren, in Behinderteneinrichtungen oder in Obdachlosenunterkünften als mögliche Einsatzgebiete. Er könne jedoch auch bei der Bundeswehr abgeleistet werden. Der Dienst müsse nicht zwingend eine Dauer von einem Jahr haben, sondern sei auch über andere Zeiträume vorstellbar.
Vorschlag von Steinmeier ist nicht neu
Einen ähnlichen Vorschlag hatte zuletzt Ende November 2019 die damalige CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer unterbreitet. Es wäre also so etwas wie eine implizite Rückkehr der Wehrpflicht – mit dem kleinen Unterschied, dass die neuen „Verpflichteten“ von vornherein eine echte Wahl hätten, und nicht (in den Anfangs-Jahrzehnten in einem aufwändigen, mitunter inquisitorischen Verfahren, zum Schluss hingegen eher „pro forma“) den Dienst an der Waffe verweigern müssten.
Bessere Rahmenbedingungen statt Dienstpflicht
Stattdessen zeichnet sich eine klare Linie für einen Alternativvorschlag ab: Die schon heute bestehenden Freiwilligendienste attraktiver zu machen, damit sich noch mehr junge Menschen für einen solchen Einsatz entscheiden.
Ulrich Lilie, der Präsident der Diakonie, ging jedoch auf Distanz zum Vorschlag von Steinmeier. Grundsätzlich sei soziales Engagement von jungen Menschen eine gute Sache – jedoch nur auf freiwilliger Basis.
„Besser als eine Dienstpflicht und dringend notwendig wären weitere Anreize und bessere Rahmenbedingungen, damit eine freiwillige Entscheidung für ein soziales Engagement noch breiter möglich wird“, erklärte der Leiter des evangelischen Verbandes. Außerdem käme eine Pflichtzeit zur Unzeit, da Jugendliche inden vergangenen zwei Jahren bereits durch die Coronapandemie stark gelitten hätten und viel Solidarität gezeigt hätten, um Ältere und Kranke zu schützen.
Auf das Thema Motivation bei den Verpflichteten ging Ulrich Schneider, Chef des Paritätischen Gesamtverbandes, ein.„Man müsste auch Menschen rekrutieren, die überhaupt keine Lust haben und vielleicht auch ungeeignet sind. Das wollen wir nicht“, bemerkte er in ausdrücklichem Bezug auf Alten- und Pflegeheime. Das könne den Bewohnerinnen und Bewohnern nicht zugemutet werden.
„Würde weder den jungen Leuten noch den zu Pflegenden gerecht“
Christine Vogler, die Präsidentin des Deutschen Pflegerates, ging hingegen nicht ausdrücklich auf Distanz zu Steinmeiers Vorschlag. Sie wandte sich jedoch ebenso wie Schneider gegen eine Verpflichtung in der Pflege „wider Willen“.
„Wir sollten aber verhindern, dass junge Menschen auf diesem Weg als preiswerte Pflegeersatzkräfte akquiriert werden. Das würde weder den jungen Leuten noch den zu Pflegenden gerecht werden“, sagte sie den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Die DGB-Jugend hält ebenfalls wenig von der Idee. „Wir brauchen keine neuen Pflichtzeiten oder ‑jahre für junge Menschen“, so DGB-Bundesjugendsekretär Kristof Becker gegenüber dem Abendblatt.
Gegenwind kam auch von den Jugendorganisationen von SPD, FDP und Bündnis 90/Grünen, während der Vorschlag von Steinmeier aus den Reihen der CDU – wenig verwunderlich – deutlich mehr Anklang findet.