Zusammen mit dem Geschäftsführer der Bezirksverwaltung Mainz der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Randolf Mäser, haben wir uns über die Einordnung von COVID-19 in die Berufskrankheitenverordnung unterhalten. Die BGW ist in diesem Jahr Kooperationspartner der Pflegefortbildung des Westens und wird zusammen mit dem G&S‑Verlag und den PWG-Seminaren die diesjährige Auflage der Veranstaltung am 17. September 2020 virtuell im Netz veranstalten.
Was ist eine Berufskrankheit?
In Deutschland gibt es ein sogenanntes Listensystem. In dieser Liste befinden sich die Krankheiten, die die Bundesregierung zusammen mit dem Bundesrat nach wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen hat. Voraussetzung dafür, dass eine Krankheit als Berufskrankheit anerkannt wird, ist, dass eine bestimmte Personengruppe der Erkrankung nach wissenschaftlichen Belegen in erheblich höherem Maße über einen längeren Zeitraum ausgesetzt ist. Im Gesundheitswesen betrifft dies unter anderem Haut- und Atemwegserkrankungen, Bandscheiben- und Wirbelsäulenerkrankungen und eben auch Infektionskrankheiten.
Keine dieser Listenkrankheiten ist jedoch als Arbeitsunfall zu bezeichnen. Dieser ereignet sich plötzlich, durch ein äußeres Ereignis während der beruflichen Tätigkeit. Klassisch für einen Arbeitsunfall ist beispielsweise ein gebrochener Arm infolge eines Stolperns auf der Arbeit.
COVID-19 als Berufskrankheit
Sind die oben genannten Voraussetzungen gegeben, so wird eine Infektion mit dem Coronavirus als Berufskrankheit gewertet. Es ist insofern kein Arbeitsunfall, da es auch außerhalb des beruflichen Umfelds ein relativ großes Risiko der Infektion mit COVID-19 besteht. Besteht, wie aktuell, eine solche „Allgemeingefahr“, muss laut der gesetzlichen Unfallversicherung ganz klar der Nachweis erbracht werden, dass die Erkrankung im Zuge der beruflichen Tätigkeit erfolgt ist.
Generell können die in der Liste enthaltenen Infektionskrankheiten (Nummer 3101) nur dann als Berufserkrankung angesehen werden, wenn die versicherte Person im Gesundheitswesen, in der Wohlfahrtspflege oder in einem Laboratorium tätig ist. Nicht jede Infektionskrankheit gilt dabei pauschal als Berufskrankheit. Auch hierbei muss nachgewiesen werden, dass sich die betroffene Person die Erkrankung während der Arbeit zugezogen hat, zum Beispiel durch den Kontakt zu einer infizierten Person.
Jedoch gibt es hier Beweiserleichterungen für die Bereiche, in denen COVID-19-Patienten typischerweise behandelt werden (beispielsweise Intensivstationen). Bei einer dort arbeitenden Pflegekraft ist es äußerst wahrscheinlich, dass eine Infektion durch den Kontakt auf der Arbeit hervorgerufen wurde. In allen anderen Fällen jedoch muss ein spezieller Nachweis erfolgen.
Für den Versicherten ist es bei einer Infektion grundsätzlich egal, ob bei der Arbeit eine Schutzmaske getragen wurde oder nicht. Für den Arbeitgeber ist es an dieser Stelle jedoch wichtig, nachweisen zu können, dass die Bereitstellung von Schutzmaterial grundsätzlich erfolgt wäre, diese jedoch etwa aufgrund von Lieferengpässen nicht angekommen sind. In diesem Fall würde die BGW vom Innenregress keinen Gebrauch machen und der Arbeitgeber wäre versicherungsrechtlich auf der sicheren Seite.
Die Fragen des Interviews im Überblick:
- (0:35) Was ist eine Berufskrankheit und was sind typische Berufskrankheiten im Gesundheitswesen?
- (1:57) Was ist der Unterschied zu einem Arbeitsunfall und was ist ein typischer Arbeitsunfall?
- (2:57) Gilt eine Infektion mit COVID-19 als Berufskrankheit oder als Arbeitsunfall und wie wirkt sich die Einordnung für den Versicherten aus?
- (6:15) Bin ich als Mitarbeiter einer Gesundheitseinrichtung verpflichtet, bei auftretenden Symptomen, einen Durchgangsarzt aufzusuchen?
- (7:11) Wie ist die Situation aus versicherungsrechtlicher Perspektive sowohl aus Arbeitnehmersucht als auch aus Arbeitgebersicht zu betrachten, wenn ich mich bei der Arbeit ohne ausreichende Schutzkleidung mit dem Coronavirus infiziert haben sollte?