
Krankenkasse sieht höhere Vergütung nicht ein
Ein Mann hatte sich eine Schenkelhalsfraktur zugezogen und wurde deshalb in einem Krankenhaus behandelt. Die Klinik teilte der Krankenkasse des Mannes mit, dass die Behandlung wohl voraussichtlich bis zum 28. Dezember 2019 dauern würde. Tatsächlich verblieb er einige Tage länger, bis zum 3. Januar 2020, vollstationär in Behandlung.
Nachdem er entlassen wurde, richtete sich die Klinik mit einer Rechnung von 6.641,11 Euro an die Krankenkasse. Für die war allerdings unklar, wie der Betrag für die Vergütung zustande kam und warum der Mann länger als prognostiziert in Behandlung bleiben musste.
Die Krankenkasse wollte deshalb eine medizinische Begründung von der Klinik, warum das voraussichtliche Entlassdatum überschritten wurde. Solange das nicht klar war, wollte die Kasse den in Rechnung gestellten „Zuschlag zur oberen Grenzverweildauer“ (OGVD) nicht zahlen.
Nachdem sich das Krankenhaus zu der Sache nicht wieder geäußert hatte, zahlte die Kasse schließlich einen verminderten Betrag von 5.278,56 Euro, der den Zuschlag nicht beinhaltete.
Dem Krankenhaus passte das gar nicht. Es war der Ansicht, dass die Krankenkasse, sollte sie tatsächlich Zweifel an der Notwendigkeit einer Überschreitung der Behandlungsdauer gehabt haben, den Medizinischen Dienst zur Prüfung hätte einschalten müssen – das sei aber nicht passiert.
Laut Klinik waren alle relevanten Infos einsehbar
Ohnehin hätten der Kasse nach Ansicht der Klinik alle nötigen Informationen zur Beurteilung der Situation des Patienten vorgelegen. So gehe aus der Kodierung der Nebendiagnose hervor, dass beim Patienten eine Demenz, ein Selbstpflegedefizit, eine behandlungsbedürftige Verstopfung, eine Harnwegsinfektion und eine operative Versorgung mittels Schraubenosteosynthese vorgelegen haben.
Entsprechend musste der Patient so lange im Krankenhaus bleiben, bis sein Zustand eine sichere Versorgung in seinem häuslichen Umfeld erlaubt habe. Erst als dieser Zustand erreicht war, konnte der Patient entlassen werden. Aus den vorliegenden Daten gehe somit zweifelsfrei hervor, warum die Überschreitung des voraussichtlichen Entlassdatums notwendig war.
Gegen die Krankenkasse ging die Klinik deshalb rechtlich vor und begehrte die Zahlung der übrigen Vergütung. Während das Gericht in erster Instanz dem Krankenhaus recht gab, sah das die zweite Instanz vor dem LSG Baden-Württemberg anders.
Nach Ansicht des LSG ist die Krankenkasse nicht dazu verpflichtet den Zuschlag zur oberen Grenzverweildauer zu bezahlen.
Krankenhaus hat gegen Informationspflichten verstoßen
Das Krankenhaus hätte allein schon deshalb keinen Anspruch auf den Zuschlag, weil sie ihn nicht ordnungsgemäß abgerechnet habe.
Eine ordnungsgemäße Abrechnung unterliegt gemäß § 301 SGB V gewissen Informationsobliegenheiten und ‑pflichten. Gegen diese Informationspflichten habe das Krankenhaus allerdings verstoßen.
In § 301 Absatz 1 Nummer 3 SGB V heißt es nämlich:
(1) Die nach § 108 zugelassenen Krankenhäuser oder ihre Krankenhausträger sind verpflichtet, den Krankenkassen bei Krankenhausbehandlung folgende Angaben im Wege elektronischer Datenübertragung oder maschinell verwertbar auf Datenträgern zu übermitteln:
[…]
3. den Tag, die Uhrzeit und den Grund der Aufnahme sowie die Einweisungsdiagnose, die Aufnahmediagnose, bei einer Änderung der Aufnahmediagnose die nachfolgenden Diagnosen, die voraussichtliche Dauer der Krankenhausbehandlung sowie, falls diese überschritten wird, auf Verlangen der Krankenkasse die medizinische Begründung, bei Kleinkindern bis zu einem Jahr das Aufnahmegewicht,
[…]
Eine solche medizinische Begründung auf Verlangen sei allerdings nie erfolgt, so das Gericht. Für die Prüfung der Kostenübernahme durch die Krankenkassen seien die benötigten Informationen allerdings essenziell.
Das Krankenhaus sei verpflichtet, eine inhaltliche Begründung zu liefern, welche konkreten medizinischen Sachverhaltsumstände zum längeren Behandlungsverlauf geführt haben. Erst danach könne die Krankenkasse abschätzen, ob sie den Medizinischen Dienst beauftragen möchte oder nicht.
Vorhandene Infos waren nicht ausreichend
Auch die Ansicht, das Krankenhaus hätte alle nötigen Informationen zur Beurteilung der Situation des Patienten bereitgestellt, teilt das Gericht nicht.
Aus den Daten des Krankenhauses ergeben sich lediglich Rückschlüsse auf die Sicherstellung der Versorgung im häuslichen Umfeld, nicht aber auf die längere Verweildauer im Krankenhaus. Das allein rechtfertige keine längere Verweildauer in der vollständigen Krankenhausbehandlung. Nur medizinische Erfordernisse könnten laut Gericht eine vollstationäre Behandlung begründen.
Leitsatz
Krankenhäuser sind auch nach Beendigung der stationären Behandlung eines Versicherten auf Verlangen der Krankenkasse verpflichtet, bei Überschreiten der gemeldeten voraussichtlichen Verweildauer eine medizinische Begründung hierfür an die Krankenkasse zu übermitteln. Damit, dass in der Schlussrechnung und im Entlassdatensatz die Diagnosen und Prozeduren aufgeführt sind, erfüllt das Krankenhaus die Pflicht zur medizinischen Begründung nicht. Kommt das Krankenhaus dem Verlangen der Krankenkasse nicht nach, ist die Krankenkasse berechtigt die Forderung nicht zu erfüllen.
Quelle: LSG Baden-Württemberg vom 23.10.2024 – L 5 KR 1855/23