Es ist bekannt, dass bakterielle Biofilme zu zahlreichen chronischen Entzündungsgeschehen beitragen und den Heilungsprozess bei chronischen Wunden verzögern. Biofilme besitzen eine hohe Toleranz gegenüber Antikörpern, Antibiotika, Desinfektionsmitteln und phagozytierenden Entzündungszellen. Nach aktuellem Erkenntnisstand wird empfohlen, Wunden mit Verdacht auf Biofilmbelag regelmäßig zu debridieren bzw. zu reinigen, sowie antimikrobielle Substanzen und Wundverbände zu applizieren, die eine Rekontamination der Wunde verhindern und eine Biofilm-Neubildung unterdrücken.
Was sind Biofilme?
Biofilme sind mikrobielle Lebensgemeinschaften, die sich aus Bakterien und Pilzen zusammensetzen können. Biofilme sind dynamische heterogene Lebensgemeinschaften, die sich kontinuierlich verändern.[1] Sie können aus einer einzigen Bakterien- oder Pilzart bestehen oder, was häufiger vorkommt, polymikrobiell sein, das heißt sie beinhalten mehrere unterschiedliche Arten von Mikroorganismen.[2,3]
Auf einfachster Ebene lassen sich Biofilme beschreiben als Bakterien, die in eine dicke schleimige Schutzschicht aus Zuckern und Proteinen eingebettet sind. Diese Schutzschicht schützt die Mikroorganismen im Biofilm vor äußeren Einflüssen.
Welche Rolle spielen Biofilme bei der Wundheilung?
Biofilme finden sich auch in Wunden und werden häufig für Wundheilungsverzögerungen verantwortlich gemacht. Durch elektronenmikroskopische Untersuchungen von Biopsien aus chronischen Wunden konnten bei 60 Prozent der Proben Biofilmstrukturen nachgewiesen werden im Vergleich zu nur 6 Prozent bei Biopsien aus akuten Wunden.[4] Da Biofilme Berichten zufolge einen wichtigen Faktor bei verschiedenen chronischen Entzündungskrankheiten darstellen, ist anzunehmen, dass fast alle chronischen Wunden, zumindest in einem Teilbereich des Wundbetts, Biofilm-Lebensgemeinschaften aufweisen.
Wie schnell bilden sich Biofilme?
Experimentelle Laboruntersuchungen[5,6] haben gezeigt, dass suspendierte Bakterien, z.B. Staphylococcus, Streptococcus, Pseudomonas und Escherichia coli, typischerweise:
- sich innerhalb von wenigen Minuten anheften
- stark anhaftende Mikrokolonien sich innerhalb von 2–4 Stunden bilden
- innerhalb von 6–12 Stunden zunehmend toleranter gegenüber Bioziden, zum Beispiel Antibiotika, Antiseptika und Desinfektionsmitteln werden
- sich innerhalb von 2–4 Tagen, in Abhängigkeit von Spezies und Wachstumsbedingungen, zu voll ausgereiften Biofilm-Kolonien entwickeln
- sich rasch von mechanischer Zerstörung erholen und innerhalb von 24 Stunden neue reife Biofilme ausbilden.
Daraus lässt sich schließen, dass für eine effiziente Wundreinigung (Débridement) nur ein kurzzeitiges Therapiefenster, das heißt für weniger als 24 Stunden, zur Verfügung steht, in welchem antimikrobielle Behandlungen mit hoher Wirksamkeit eingesetzt werden können, um sowohl die Anzahl von suspendierten als auch im Biofilm lebenden Mikroorganismen in Wunden zu reduzieren.
Können wir Biofilme sehen?
Biofilme sind mikroskopische Strukturen. Unter bestimmten Umständen sind sie, wenn sie über einen längeren Zeitraum ungestört wachsen können, dick genug, um mit bloßem Auge erkannt zu werden. Beispielsweise kann sich innerhalb eines Tages so viel Zahnplaque ablagern, dass sie deutlich zu sehen ist.
Manche Bakterien im Biofilm-Erscheinungsbild synthetisieren Pigmente, die den sichtbaren Nachweis erleichtern können. Pseudomonas aeruginosa zum Beispiel produziert das Quorum-Sensing-Molekül Pyocyanin, welches grün ist, wenn das Bakterium in einem Biofilm-spezifischen Erscheinungsbild vorkommt.[7] Eine Grünfärbung bei einer Wunde ist jedoch nicht zwangsläufig ein Indikator für einen Biofilm aus Pseudomonas.
Wie kann die Biofilmbelastung reduziert werden?
Bisherige Erkenntnisse lassen den Schluss zu, dass physikalisches Entfernen des Biofilms, das heißt durch Débridement oder starkes Auswischen der Wunde, die beste Methode zur Verringerung der Belastung durch Biofilm darstellt.[8]
Keine Methode der Wundreinigung ist in der Lage, Biofilm vollständig zu entfernen. Um Biofilme wirksam zu entfernen, empfiehlt sich eine Kombination folgender Maßnahmen: Débridement und/oder Wundreinigung, Anlegen geeigneter Wundverbände zum Schutz der Wunde vor dem Eindringen weiterer Bakterien und Einsatz von antimikrobiellen Wirkstoffen zur Abtötung von Mikroorganismen in der Wunde. Diese Maßnahmen sollten wiederholt und regelmäßig erfolgen, da sich Biofilme innerhalb eines Tages wieder neu bilden und somit die Wundheilung verzögern können.
[1] Hall-Stoodley L, Stoodley P. Evolving concepts in biofilm infections. Cell Microbiol 2009; 11(7): 1034–43.
[2] Dowd SE, Sun Y, Secor PR, et al. Survey of bacterial diversity in chronic wounds using pyrosequencing, DGGE, and full ribosome shotgun sequencing. BMC Microbiol 2008; 8(1): 43.
[3] Trengove NJ, Stacey MC, McGechie DF, Mata S. Qualitative bacteriology and leg ulcer healing. J Wound Care 1996; 5(6): 277–80.
[4] James GA, Swogger E, Wolcott R, et al. Biofilms in chronic wounds. Wound Repair Regen 2008;16(1): 37–44.
[5] Costerton JW. The etiology and persistence of cryptic bacterial infections: a hypothesis. Rev Infect Dis 1984; 6 Suppl 3: S608-16.
[6] Bester E, Kroukamp O, Wolfaardt GM, et al. Metabolic differentiation in biofilms as indicated by carbon dioxide production rates. Appl Environ Microbiol 2010; 76(4): 1189–97.
[7] Dietrich LE, Price-Whelan A, Petersen A, et al. The phenazine pyocyanin is a terminal signalling factor in the quorum sensing network of Pseudomonas aeruginosa. Mol Microbiol 2006; 61(5): 1308–21.
[8] Wolcott RD, Kennedy JP, Dowd SE. Regular debridement is the main tool for maintaining a healthy wound bed in most chronic wounds. J Wound Care 2009; 18(2): 54–56.
Quelle: Phillips PL, Wolcott RD, Fletcher J, Schultz GS. Biofilme Einfach erklärt. Wounds International 2010; 1(3): verfügbar unter http://www.woundsinternational.com