Wundhygiene
Die vier Schritte der Wundhy­giene Bild: Conva­Tec

Biofilm – unsicht­ba­rer Feind chroni­scher Wunden

Biofilm kommt in den meisten chroni­schen sowie in nahezu allen schwer heilen­den Wunden vor und beein­träch­tigt die Wundhei­lung. Er besteht aus Mikro­or­ga­nis­men – vor allem Bakte­rien und Pilzen –, die von einer schwer durch­dring­ba­ren Matrix aus extra­zel­lu­lä­rer polyme­rer Substanz (EPS) umhüllt werden.

Die EPS-Schutz­hülle erschwert es dem Immun­sys­tem, die unerwünsch­ten Mikro­or­ga­nis­men zu bekämp­fen. Außer­dem errei­chen Antibio­tika und Antisep­tika ihre Wirkorte aufgrund der EPS-Schutz­hülle nicht ausrei­chend.

Ein wichti­ges Ziel einer adäqua­ten Wundbe­hand­lung ist es daher, die Entste­hung von Biofilm zu verhin­dern oder zu erschwe­ren und die Besei­ti­gung frühzei­tig und konse­quent zu verfol­gen. Um diese Heraus­for­de­rung anzuge­hen, haben globale Wundexpert:innen 2019 das Konzept der Wundhy­giene[i] entwi­ckelt und im Anschluss inter­na­tio­nal publi­ziert. Dieses Konzept wurde nun in einem Übersichts­ar­ti­kel an den deutschen Markt angepasst und um regio­nale Empfeh­lun­gen und Leitli­nien ergänzt[ii].

Das Konzept der Wundhy­giene umfasst vier essen­zi­ell wichtige Schritte, um eine chroni­sche, schwer heilende Wunde umfas­send zu reini­gen und sie auf die Heilung vorzu­be­rei­ten.

1. Wundspü­lung und Wundrei­ni­gung

Die Wundspü­lung und die Wundrei­ni­gung umfas­sen das aktive Entfer­nen von Verun­rei­ni­gun­gen, Belägen, Mikro­or­ga­nis­men, Verband­res­ten und wundum­ge­ben­der Haut. Durch das Vorge­hen wird Biofilm entfernt. Da die mitun­ter unsicht­bare Schicht aus Biofilm auch die wundum­ge­bende Haut besie­delt, sollte ein Radius von bis zu 20 Zenti­me­tern um die Wunde oder das gesamte Areal der Wundauf­lage gerei­nigt werden.

Dafür eignen sich unter anderem tensid­hal­tige Wundspül­lö­sun­gen. Tenside desta­bi­li­sie­ren den Biofilm, was die mecha­ni­sche Entfer­nung erleich­tert. Alle für die Wundrei­ni­gung einge­setz­ten Kompres­sen oder Reini­gungs­pads sowie die Wundspül­lö­sung müssen steril sein. Ausführ­li­che Praxis­in­for­ma­tio­nen erhal­ten Sie im Übersichts­ar­ti­kel „Wundhy­giene – ein neues Konzept, um chroni­sche Wunden frühzei­tig mit einer Anti-Biofilm-Inter­ven­ti­ons­stra­te­gie zu begeg­nen“. (2)

2. Débri­de­ment

Das Débri­de­ment beschreibt die möglichst vollstän­dige Entfer­nung von anhaf­ten­dem, abgestor­be­nem Gewebe, Krusten oder Fremd­kör­pern aus Wunden. Es ist ein essen­zi­el­ler Bestand­teil der Wundhy­giene, um Infek­tio­nen und die Bildung von Biofilm zu vermei­den oder zu bekämp­fen. Zumin­dest zeitweise sollte das Débri­de­ment bei allen chroni­schen Wunden durch­ge­führt werden.

Abhän­gig von der Art der Wunde und der Indika­tion gibt es verschie­dene Thera­pie­op­tio­nen und Débri­de­ment-Techni­ken (z. B. mecha­nisch, chirur­gisch, technisch). Welche das im Detail sind, dazu mehr im Übersichts­ar­ti­kel.

3. Wundrand­be­hand­lung

Die Epithe­li­sie­rung – ein Teil der Wundhei­lung – vollzieht sich am Wundrand. Gleich­zei­tig befin­det sich dort auch der größte Teil des Biofilms. Die Wundrand­be­hand­lung ist daher für die Wundhei­lung von großer Wichtig­keit. Sie umfasst einer­seits die Befrei­ung des Wundrands von Biofilm, anderer­seits auch die Entfer­nung avita­len Gewebes wie Krusten, Hyper­ke­ra­to­sen und Unter­mi­nie­run­gen.

„Klippen“ am Wundrand gilt es anzuglei­chen, „Strände“ mit flachem Übergang werden angestrebt. Das bedeu­tet, das Niveau der Wundrän­der und des Wundgrunds auszu­glei­chen, um das Voran­schrei­ten der Epithe­li­sie­rung und die Wundkon­trak­tion zu unter­stüt­zen.

4. Wundver­band

Ein phasen­ge­rech­ter Wundver­band unter­stützt den Heilungs­pro­zess. Je nach vorlie­gen­der Situa­tion erfolgt die Wahl des Wundver­bands gemäß der aktuel­len Wundhei­lungs­phase, der Exsud­at­menge sowie einer mögli­chen Keimbe­sie­de­lung der Wunde. Zur Verhin­de­rung eines Biofilm-Wieder­auf­baus können antimi­kro­bielle Wundver­bände bei chronisch infizier­ten oder infek­ti­ons­ge­fähr­de­ten Wunden einge­setzt werden.

Bei jedem Verband­wech­sel ist die Wunde neu zu beurtei­len. Auch wenn die Wundhei­lung einge­setzt hat, wird die Reini­gung fortge­führt – die Häufig­keit der Débri­de­ment- und Wundrand­be­hand­lun­gen wird jedoch reduziert. Zudem ist abzuwä­gen, ob die Versor­gung auf eine nicht antimi­kro­bielle Wundauf­lage umgestellt werden kann.

In der Behand­lung von chroni­schen Wunden wird Stagna­tion der Wundhei­lung als Zustand verstan­den, der mit angepass­ten Mitteln erfolg­reich behan­delt werden kann. Die wichtigs­ten Voraus­set­zun­gen dafür sind immer die Diagnos­tik und die Thera­pie der zugrunde liegen­den Ursache(n).

Welche Vorge­hens­wei­sen und Produkte in welcher Situa­tion gewählt werden sollten und bei welchen Zustän­den die Alarm­glo­cken schril­len sollten, erfah­ren Sie im Übersichts­ar­ti­kel Wundhy­giene unter diesem Link.

Quellen:

[i] Murphy C, Atkin L, Disse­mond J, Hurlow J, Tan YK, Apelq­vist J, James G, Salles N, Wu J, Tachi M, Wolcott R: Defying hard-to-heal wounds with an early antibio­film inter­ven­tion strategy: ‚wound hygiene‘. J Wound Care 2019; 28: 818–822.

[ii] Disse­mond J, Protz K, Jäger B, Kolbig N, Schim­mel­p­fen­nig, M: Wundhy­giene – ein neues Konzept, um chroni­schen Wunden frühzei­tig mit einer Anti-Biofilm-Inter­ven­ti­ons­stra­te­gie zu begeg­nen. Kongress­be­glei­ter DEWU 2023: 83–90.