Arbeitskampf
Wer sich beim Arbeits­kampf nicht straf­bar machen möchte, sollte sich recht­lich absichern. Bild: © Tero Vesalai­nen | Dreamstime.com

Sie retten Menschen­le­ben und wollen dafür eine faire Bezah­lung: Mitar­bei­tende im Gesund­heits­we­sen sind zwar system­re­le­vant und entspre­chend angese­hen in der Bevöl­ke­rung, auf der Gehalts­ab­rech­nung wird das aber nur für die wenigs­ten sicht­bar. Viele klagen seit Jahren über heftige Arbeits­be­din­gun­gen und ungerechte Bezah­lung.

Um sich aus dieser Situa­tion zu befreien und die eigenen Arbeits­be­din­gun­gen zu verbes­sern, gehen viele Mitar­bei­tende in den Arbeits­kampf. Aus recht­li­cher Sicht heiligt hier der Zweck nicht die Mittel, weshalb es gewisse Regeln gibt, die vorge­ben, was erlaubt ist und was nicht.

Der recht­li­che Rahmen für den Arbeits­kampf

Arbeits­kampf ist kein Begriff, der recht­lich genau definiert wird. Generell kann darun­ter jede kollek­tive Maßnahme von Arbeit­neh­mern oder Arbeit­ge­bern verstan­den werden, die die Gegen­seite zielge­rich­tet unter Druck setzen soll, um sie verhand­lungs­be­reit zu machen (vgl. Linsen­maier, 2025).

Wichtig zu erwäh­nen ist, dass der Arbeits­kampf eben nicht nur von den Arbeit­neh­mern ausge­hen kann. Das zentrale Kampf­mit­tel der Arbeit­neh­mer ist der Streik und das der Arbeit­ge­ber die Aussper­rung.

Beim Streik legen Arbeit­neh­mer ihre Arbeit kollek­tiv nieder, um bessere Arbeits­be­din­gun­gen, Löhne oder Tarif­ver­träge durch­zu­set­zen. Die Aussper­rung ist hierbei das Gegen­mit­tel der Arbeit­ge­ber, bei dem sie Arbeit­neh­mer gezielt von der Arbeit ausschlie­ßen, um Druck in Tarif­ver­hand­lun­gen auszu­üben. Genauer in den Blick genom­men werden, soll aller­dings die Arbeit­neh­mer­seite.

Grund­sätz­lich gewähr­leis­tet wird das Streik­recht durch Artikel 9 Absatz 3 GG, dort wird der Arbeits­kampf sogar nament­lich erwähnt. Hier heißt es:

Art. 9 Grund­ge­setz für die Bundes­re­pu­blik Deutsch­land
[…]

(3) Das Recht, zur Wahrung und Förde­rung der Arbeits- und Wirtschafts­be­din­gun­gen Verei­ni­gun­gen zu bilden, ist für jeder­mann und für alle Berufe gewähr­leis­tet. Abreden, die dieses Recht einschrän­ken oder zu behin­dern suchen, sind nichtig, hierauf gerich­tete Maßnah­men sind rechts­wid­rig. Maßnah­men nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeits­kämpfe richten, die zur Wahrung und Förde­rung der Arbeits- und Wirtschafts­be­din­gun­gen von Verei­ni­gun­gen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.

Da aus dem Grund­ge­setz ledig­lich hervor­geht, dass der Arbeits­kampf prinzi­pi­ell möglich ist, es aber keine genauen Vorga­ben zu seiner Ausge­stal­tung gibt, muss sich hierbei an der Recht­spre­chung orien­tiert werden. Aus bereits gefäll­ten Urtei­len wird dann deutlich, welche Maßnah­men erlaubt sind und welche nicht.

Mögli­che Formen des Streiks

Wie bereits angemerkt, ist der Streik das zentrale Kampf­mit­tel der Arbeit­neh­mer. Er kann hierbei mehrere Formen anneh­men. Die Namen der Streik­for­men sind recht selbst­er­klä­rend, sollen im Folgen­den aber noch mal kurz erläu­tert werden:

  • General­streiks: Das sind umfas­sende, meist landes­weite Streiks, bei dem Arbei­ter­neh­mer aus verschie­de­nen Branchen gleich­zei­tig die Arbeit nieder­le­gen, um politi­sche oder gesell­schaft­li­che Verän­de­run­gen zu erwir­ken.
  • Flächen­streiks: Hiermit ist ein großflä­chi­ger Streik gemeint, an dem alle Arbeit­neh­mer einer Branche oder eines Wirtschafts­zweigs teilneh­men.
  • Schwer­punkt­streiks: Von diesen sind nur beson­ders wichtige Betriebe einer Branche betrof­fen.
  • Unter­stüt­zungs- oder Solida­ri­täts­streiks: Arbeit­neh­mer, die sich gerade nicht selbst in Tarif­ver­hand­lun­gen befin­den, unter­stüt­zen hierbei Kolle­gin­nen und Kolle­gen, die ihnen branchen­mä­ßig naheste­hen.
  • Wechsel- und Wellen­streiks: Hier erfol­gen mehrere relativ kurze Streiks nachein­an­der, die verschie­dene Zeiten und Abtei­lun­gen betref­fen.
  • Warnstreiks: Hier wird die Arbeit nur für wenige Stunden oder eine Schicht nieder­ge­legt.

Bis auf den General­streik sind prinzi­pi­ell alle Streik­for­men erlaubt. Sie müssen dafür aller­dings einige Grund­la­gen erfül­len. So muss der Arbeits­kampf von einer Gewerk­schaft einge­lei­tet und durch­ge­führt werden. Es können sich also nicht willkür­lich irgend­wel­che Arbeit­neh­mer zusam­men­schlie­ßen und spontan entschei­den zu strei­ken. Das würde als sogenann­ter „wilder Streik“ bezeich­net werden und wäre verbo­ten. Zu unerlaub­ten Maßnah­men aber gleich mehr.

Grund­la­gen für einen recht­mä­ßi­gen Streik

Der General­streik ist deshalb nicht erlaubt, weil er politisch motiviert ist. Entschei­dend sind damit auch die Ziele des Arbeits­kamp­fes. Vom Grund­ge­setz gedeckt sind in Deutsch­land ledig­lich Arbeits­kämpfe im Rahmen von Tarif­ver­hand­lun­gen. Ein Streik der darüber hinaus politi­sche Ziele – etwa Geset­zes­än­de­run­gen – verfolgt, ist verbo­ten.

Zudem unter­liegt der Arbeits­kampf einer Friedens­pflicht und dem Grund­satz der Verhält­nis­mä­ßig­keit. Friedens­pflicht bedeu­tet, dass sich Gewerk­schaf­ten und Arbeit­ge­ber während der Laufzeit eines Tarif­ver­trags nicht gegen­sei­tig mit Streiks oder Aussper­run­gen bekämp­fen dürfen. Sie sollen in dieser Zeit „Frieden halten“ und keine neuen Forde­run­gen stellen – so haben beide Seiten Planungs­si­cher­heit.

Verhält­nis­mä­ßig­keit zielt darauf ab, dass das gewählte Mittel – also der Streik – zum Ziel passen muss. Ein Streik darf somit nur einge­setzt werden, wenn er geeig­net, nötig und nicht übertrie­ben ist. Das heißt: Er muss helfen, das Ziel zu errei­chen, darf nicht härter sein als nötig und muss im Verhält­nis zum angestreb­ten Ereig­nis stehen.

Laut Recht­spre­chung muss außer­dem das Gemein­wohl trotz Streiks gewahrt bleiben. Daraus geht hervor, dass die Bevöl­ke­rung weiter­hin über existen­zi­elle Dienste und Güter auch während eines laufen­den Arbeits­kamp­fes verfü­gen können soll (vgl. Thüsing/Musiol, 2024). So muss beispiels­weise bei Streiks im Gesund­heits­we­sen immer auch ein Notdienst einge­plant werden.

So lange all das einge­hal­ten wird, haben Arbeit­neh­mer grund­sätz­lich nichts zu befürch­ten – bis auf weniger Gehalt für die Streik­dauer. Denn der Arbeit­ge­ber ist im Streik­fall nicht dazu verpflich­tet, weiter Gehalt zu zahlen. In der Regel zahlt aber die Gewerk­schaft ein Streik­geld als Kompen­sa­tion aus. Auch eine Kündi­gung wegen eines Streiks ist nicht möglich (§ 25 KSchG).

Diese Maßnah­men sind verbo­ten

Maßnah­men im Arbeits­kampf sind im Sinne der Verhält­nis­mä­ßig­keit also nicht erlaubt, wenn sie ungeeig­net, nicht erfor­der­lich oder unange­mes­sen sind und gegen die Friedens­pflicht versto­ßen. Hilfreich ist hierbei ein Blick in die Arbeits­kampf­richt­li­nien des Bundes, in denen einige Maßnah­men samt Richter­spruch disku­tiert werden.
Ein beson­de­res Augen­merk gilt dabei den sogenann­ten Unter­stüt­zungs- oder Solida­ri­täts­streiks. Grund­sätz­lich ist es erlaubt, wenn sich eine Gewerk­schaft für einen Arbeits­kampf in einem anderen Tarif­ge­biet solida­risch zeigt. Sogar, wenn es sich nicht um dieselbe Gewerk­schaft handelt. Aber: Diese Streiks dürfen nicht über das Ziel hinaus­schie­ßen. Sie müssen angemes­sen sein, also zum Beispiel tatsäch­lich helfen können und dürfen andere Arbeit­ge­ber nicht ohne echten Bezug treffen. Gibt es keine wirtschaft­li­chen, regio­na­len oder branchen­mä­ßi­gen Verbin­dun­gen, kann ein solcher Streik als unzuläs­sig bewer­tet werden.
Auch das „Wie“ des Streiks ist entschei­dend. Eigen­mäch­tige Benut­zung von Räumlich­kei­ten und Gegen­stän­den des Arbeit­ge­bers sind nicht erlaubt. Das Eigen­tum des Arbeit­ge­bers ist damit tabu! So etwa auch die Benut­zung von Kraft­fahr­zeu­gen wie dem Rettungs­wa­gen für Streik­zwe­cke. Wer zuwider handelt, kann sich im Sinne von § 248b StGB wegen des unbefug­ten Gebrauchs von Fahrzeu­gen straf­bar machen.
Auch Streik­aus­schrei­tun­gen sind nicht erlaubt. Dazu zählen Blocka­den jegli­cher Art. Von Zugangs- und Zufahrts­we­gen, durch Menschen­ket­ten, Fahrzeuge etc. Auch die Behin­de­rung von Streik­bre­chern – also arbeits­wil­li­gen Mitar­bei­ten­den – ist verbo­ten. Vor allem nicht durch tätli­che Übergriffe oder Angriffe. Dazu zählt nicht nur Körper­ver­let­zung, sondern auch Belei­di­gung.

Etwas Spiel­raum gibt es, wenn es um das Betre­ten von Betriebs­ge­län­den geht. In einem Urteil wurde klarge­stellt, dass Unter­neh­men gewisse Aktio­nen – wie etwa Mobili­sie­run­gen auf einem Firmen­park­platz – unter Umstän­den dulden müssen.

Quellen:

  1. ErfK/Linsenmaier, 25. Aufl. 2025, GG Art. 9 Rn 94–97.
  2. Thüsing/Musiol (2024): LSK, 01800270. C. H. Beck.