
Sie retten Menschenleben und wollen dafür eine faire Bezahlung: Mitarbeitende im Gesundheitswesen sind zwar systemrelevant und entsprechend angesehen in der Bevölkerung, auf der Gehaltsabrechnung wird das aber nur für die wenigsten sichtbar. Viele klagen seit Jahren über heftige Arbeitsbedingungen und ungerechte Bezahlung.
Um sich aus dieser Situation zu befreien und die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern, gehen viele Mitarbeitende in den Arbeitskampf. Aus rechtlicher Sicht heiligt hier der Zweck nicht die Mittel, weshalb es gewisse Regeln gibt, die vorgeben, was erlaubt ist und was nicht.
Der rechtliche Rahmen für den Arbeitskampf
Arbeitskampf ist kein Begriff, der rechtlich genau definiert wird. Generell kann darunter jede kollektive Maßnahme von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern verstanden werden, die die Gegenseite zielgerichtet unter Druck setzen soll, um sie verhandlungsbereit zu machen (vgl. Linsenmaier, 2025).
Wichtig zu erwähnen ist, dass der Arbeitskampf eben nicht nur von den Arbeitnehmern ausgehen kann. Das zentrale Kampfmittel der Arbeitnehmer ist der Streik und das der Arbeitgeber die Aussperrung.
Beim Streik legen Arbeitnehmer ihre Arbeit kollektiv nieder, um bessere Arbeitsbedingungen, Löhne oder Tarifverträge durchzusetzen. Die Aussperrung ist hierbei das Gegenmittel der Arbeitgeber, bei dem sie Arbeitnehmer gezielt von der Arbeit ausschließen, um Druck in Tarifverhandlungen auszuüben. Genauer in den Blick genommen werden, soll allerdings die Arbeitnehmerseite.
Grundsätzlich gewährleistet wird das Streikrecht durch Artikel 9 Absatz 3 GG, dort wird der Arbeitskampf sogar namentlich erwähnt. Hier heißt es:
Art. 9 Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
[…](3) Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig. Maßnahmen nach den Artikeln 12a, 35 Abs. 2 und 3, Artikel 87a Abs. 4 und Artikel 91 dürfen sich nicht gegen Arbeitskämpfe richten, die zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen von Vereinigungen im Sinne des Satzes 1 geführt werden.
Da aus dem Grundgesetz lediglich hervorgeht, dass der Arbeitskampf prinzipiell möglich ist, es aber keine genauen Vorgaben zu seiner Ausgestaltung gibt, muss sich hierbei an der Rechtsprechung orientiert werden. Aus bereits gefällten Urteilen wird dann deutlich, welche Maßnahmen erlaubt sind und welche nicht.
Mögliche Formen des Streiks
Wie bereits angemerkt, ist der Streik das zentrale Kampfmittel der Arbeitnehmer. Er kann hierbei mehrere Formen annehmen. Die Namen der Streikformen sind recht selbsterklärend, sollen im Folgenden aber noch mal kurz erläutert werden:
- Generalstreiks: Das sind umfassende, meist landesweite Streiks, bei dem Arbeiternehmer aus verschiedenen Branchen gleichzeitig die Arbeit niederlegen, um politische oder gesellschaftliche Veränderungen zu erwirken.
- Flächenstreiks: Hiermit ist ein großflächiger Streik gemeint, an dem alle Arbeitnehmer einer Branche oder eines Wirtschaftszweigs teilnehmen.
- Schwerpunktstreiks: Von diesen sind nur besonders wichtige Betriebe einer Branche betroffen.
- Unterstützungs- oder Solidaritätsstreiks: Arbeitnehmer, die sich gerade nicht selbst in Tarifverhandlungen befinden, unterstützen hierbei Kolleginnen und Kollegen, die ihnen branchenmäßig nahestehen.
- Wechsel- und Wellenstreiks: Hier erfolgen mehrere relativ kurze Streiks nacheinander, die verschiedene Zeiten und Abteilungen betreffen.
- Warnstreiks: Hier wird die Arbeit nur für wenige Stunden oder eine Schicht niedergelegt.
Bis auf den Generalstreik sind prinzipiell alle Streikformen erlaubt. Sie müssen dafür allerdings einige Grundlagen erfüllen. So muss der Arbeitskampf von einer Gewerkschaft eingeleitet und durchgeführt werden. Es können sich also nicht willkürlich irgendwelche Arbeitnehmer zusammenschließen und spontan entscheiden zu streiken. Das würde als sogenannter „wilder Streik“ bezeichnet werden und wäre verboten. Zu unerlaubten Maßnahmen aber gleich mehr.
Grundlagen für einen rechtmäßigen Streik
Der Generalstreik ist deshalb nicht erlaubt, weil er politisch motiviert ist. Entscheidend sind damit auch die Ziele des Arbeitskampfes. Vom Grundgesetz gedeckt sind in Deutschland lediglich Arbeitskämpfe im Rahmen von Tarifverhandlungen. Ein Streik der darüber hinaus politische Ziele – etwa Gesetzesänderungen – verfolgt, ist verboten.
Zudem unterliegt der Arbeitskampf einer Friedenspflicht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Friedenspflicht bedeutet, dass sich Gewerkschaften und Arbeitgeber während der Laufzeit eines Tarifvertrags nicht gegenseitig mit Streiks oder Aussperrungen bekämpfen dürfen. Sie sollen in dieser Zeit „Frieden halten“ und keine neuen Forderungen stellen – so haben beide Seiten Planungssicherheit.
Verhältnismäßigkeit zielt darauf ab, dass das gewählte Mittel – also der Streik – zum Ziel passen muss. Ein Streik darf somit nur eingesetzt werden, wenn er geeignet, nötig und nicht übertrieben ist. Das heißt: Er muss helfen, das Ziel zu erreichen, darf nicht härter sein als nötig und muss im Verhältnis zum angestrebten Ereignis stehen.
Laut Rechtsprechung muss außerdem das Gemeinwohl trotz Streiks gewahrt bleiben. Daraus geht hervor, dass die Bevölkerung weiterhin über existenzielle Dienste und Güter auch während eines laufenden Arbeitskampfes verfügen können soll (vgl. Thüsing/Musiol, 2024). So muss beispielsweise bei Streiks im Gesundheitswesen immer auch ein Notdienst eingeplant werden.
So lange all das eingehalten wird, haben Arbeitnehmer grundsätzlich nichts zu befürchten – bis auf weniger Gehalt für die Streikdauer. Denn der Arbeitgeber ist im Streikfall nicht dazu verpflichtet, weiter Gehalt zu zahlen. In der Regel zahlt aber die Gewerkschaft ein Streikgeld als Kompensation aus. Auch eine Kündigung wegen eines Streiks ist nicht möglich (§ 25 KSchG).
Diese Maßnahmen sind verboten
Maßnahmen im Arbeitskampf sind im Sinne der Verhältnismäßigkeit also nicht erlaubt, wenn sie ungeeignet, nicht erforderlich oder unangemessen sind und gegen die Friedenspflicht verstoßen. Hilfreich ist hierbei ein Blick in die Arbeitskampfrichtlinien des Bundes, in denen einige Maßnahmen samt Richterspruch diskutiert werden.
Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den sogenannten Unterstützungs- oder Solidaritätsstreiks. Grundsätzlich ist es erlaubt, wenn sich eine Gewerkschaft für einen Arbeitskampf in einem anderen Tarifgebiet solidarisch zeigt. Sogar, wenn es sich nicht um dieselbe Gewerkschaft handelt. Aber: Diese Streiks dürfen nicht über das Ziel hinausschießen. Sie müssen angemessen sein, also zum Beispiel tatsächlich helfen können und dürfen andere Arbeitgeber nicht ohne echten Bezug treffen. Gibt es keine wirtschaftlichen, regionalen oder branchenmäßigen Verbindungen, kann ein solcher Streik als unzulässig bewertet werden.
Auch das „Wie“ des Streiks ist entscheidend. Eigenmächtige Benutzung von Räumlichkeiten und Gegenständen des Arbeitgebers sind nicht erlaubt. Das Eigentum des Arbeitgebers ist damit tabu! So etwa auch die Benutzung von Kraftfahrzeugen wie dem Rettungswagen für Streikzwecke. Wer zuwider handelt, kann sich im Sinne von § 248b StGB wegen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen strafbar machen.
Auch Streikausschreitungen sind nicht erlaubt. Dazu zählen Blockaden jeglicher Art. Von Zugangs- und Zufahrtswegen, durch Menschenketten, Fahrzeuge etc. Auch die Behinderung von Streikbrechern – also arbeitswilligen Mitarbeitenden – ist verboten. Vor allem nicht durch tätliche Übergriffe oder Angriffe. Dazu zählt nicht nur Körperverletzung, sondern auch Beleidigung.
Etwas Spielraum gibt es, wenn es um das Betreten von Betriebsgeländen geht. In einem Urteil wurde klargestellt, dass Unternehmen gewisse Aktionen – wie etwa Mobilisierungen auf einem Firmenparkplatz – unter Umständen dulden müssen.
Quellen:
- ErfK/Linsenmaier, 25. Aufl. 2025, GG Art. 9 Rn 94–97.
- Thüsing/Musiol (2024): LSK, 01800270. C. H. Beck.