RAGE (Recep­tor of Advan­ced Glyca­tion Endpro­ducts) ist in der medizi­ni­schen Forschung – meist negativ – hinrei­chend bekannt. Das Protein spielt nicht nur bei Diabe­tes, sondern auch chroni­schen und überschie­ßen­den Entzün­dungs­re­ak­tio­nen wie Athero­skle­rose und Blutver­gif­tung (Sepsis), aber auch bei Alzhei­mer, Demenz und der Krebs­ent­ste­hung eine entschei­dende Rolle. Das Protein ist dabei haupt­säch­lich auf den Oberflä­chen von Gewebe­zel­len und Zellen des Immun­sys­tems aktiv.

Repara­tur von Schäden im Erbgut

Das körper­ei­gene Protein RAGE hat aber auch eine andere Seite: es hat eine tragende Rolle bei der Repara­tur von Schäden im Erbgut (DNA) – und kann offen­sicht­lich auch die Aushei­lung von Gewebe­schä­den in Folge von beschleu­nig­ter Zellal­te­rung bewir­ken. Bei sogenann­ten Doppel­strang­brü­chen sind die beiden mitein­an­der verknüpf­ten und umein­an­der gewun­de­nen Stränge der Erbinfor­ma­tion vollstän­dig gekappt, ohne zeitnahe Repara­tur durch das Protein würde die Zelle schnell zugrunde gehen. Das haben Wissen­schaft­ler des Univer­si­täts­kli­ni­kums Heidel­berg und des Deutschen Zentrums für Diabe­tes­for­schung nun entdeckt. Den moleku­la­ren Mecha­nis­mus beschrei­ben sie in der aktuel­len Ausgabe des Fachjour­nals Nucleic Acids Research.

Da die DNA in den Zellen ununter­bro­chen abgele­sen – sie enthält den Master­plan für alle Vorgänge in der Zelle – und beansprucht wird, sind Schäden extrem häufig: In jeder Körper­zelle kommt es rein rechne­risch wohl mehrere tausend­mal pro Tag zu Defek­ten in diesem lebens­wich­ti­gen Molekül. Störun­gen in den komple­xen Repara­turme­cha­nis­men, beispiels­weise weil die Zellen in beson­de­rem Maße Giften aus der Umwelt oder schäd­li­chen Stoff­wech­sel­pro­duk­ten ausge­setzt sind, können dazu führen, dass ganze Gewebe­ver­bände rapide altern, degene­rie­ren und vernar­ben. Beispiele sind die Leber­fi­brose bei Alkohol­miss­brauch oder Netzhaut- und Nieren­schä­den bei der Zucker­er­kran­kung Diabe­tes melli­tus. Derzeit gibt es keine brauch­ba­ren Wirkstoffe, um Störun­gen dieser Repara­turme­cha­nis­men gezielt zu beheben und Gewebe­schä­den beispiels­weise bei Diabe­tes zu verhin­dern.

Ansatz zur Heilung von Gewebe­schä­den

Auf den mögli­chen thera­peu­ti­schen Nutzen des Prote­ins stießen sie bei Mäusen, die kein RAGE bilden können: Diese entwi­ckeln in Folge der einge­schränk­ten Erbgut-Repara­tur ausge­prägte Vernar­bun­gen in der Lunge, eine sogenannte Lungen­fi­brose. Nach Behand­lung mit dem Protein heilten die Vernar­bun­gen aus. „Das ist insofern erstaun­lich, als dass man Fibro­sen bisher als unumkehr­bar angese­hen hat. Mit RAGE könnten wir erstmals einen mögli­chen Ansatz­punkt zur Heilung dieser häufi­gen Gewebe­schä­den gefun­den haben“, so Senior­au­tor Profes­sor Dr. Peter Nawroth, Ärztli­cher Direk­tor der Univer­si­täts­kli­nik für Endokri­no­lo­gie, Stoff­wech­sel und Klini­sche Chemie Heidel­berg. „Viele Fragen – zum Beispiel wie diese Heilung im Detail funktio­niert – sind aller­dings noch offen.“

Die veröf­fent­lichte Arbeit liefert nicht nur wichtige Erkennt­nisse über den moleku­la­ren Zusam­men­hang zwischen der RAGE-vermit­tel­ten DNA-Repara­tur, Zellal­te­rung und Fibrose. „Erstmals ist mögli­cher­weise eine moleku­lare Thera­pie zur Repara­tur von Ergut- und Zellschä­den in der Lunge und damit zur Vorbeu­gung von Fibro­sen oder Tumoren, die ebenfalls in Folge von DNA-Schäden auftre­ten, in greif­bare Nähe gerückt“, erklärt Erstau­tor Dr. med. Varum Kumar, Univer­si­täts­kli­nik für Endokri­no­lo­gie, Stoff­wech­sel und Klini­sche Chemie Heidel­berg und Deutsches Zentrum für Diabe­tes­for­schung.

Quelle: idw