Jutta Schmelzer fragt: Ist bei minderjährigen Patienten die Einwilligungserklärung des gesetzlichen Vertreters zur Rechtfertigung eines medizinischen Heileingriffs unbedingt erforderlich?
Antwort der Redaktion: Wie im Urteil des Landgerichts Waldshut-Tiengen (vgl. LG Waldshut-Tiengen vom 23. März 2004 – 2 Ns 13 Js 10959/99 = RDG 2005, S. 59 ff.) festgestellt, verwirklicht jeder invasive Eingriff in den menschlichen Organismus eine vorsätzliche Körperverletzung gemäß § 223 StGB. Daher benötigt das medizinische Personal zur Rechtfertigung des Eingriffs die Einwilligung des Patienten, die ihrerseits eine vorausgehende Aufklärung erfordert. Die Einwilligung ist keine rechtsgeschäftliche Willenserklärung. Es kommt vielmehr darauf an, dass der Patient das natürliche Einsichtsvermögen hat, die Dringlichkeit und Tragweite des Eingriffs zumindest in Umrissen zu erkennen und das Für und Wider abzuwägen.
Der Arzt hat bei der Prüfung dieser Fähigkeit zur Einwilligung den Grad der persönlichen Entwicklung und Reife des Minderjährigen zu berücksichtigen. Eine generelle Altersgrenze gibt es nicht. Einigkeit besteht insoweit, dass Minderjährige unter 14 Jahren nicht und Minderjährige kurz vor Vollendung des 18. Lebensjahres schon einwilligungsfähig sind.
Fällt das Ergebnis zugunsten der Einwilligungsfähigkeit des Minderjährigen aus, so stellt dessen Willenserklärung eine Rechtfertigung für die Behandelnden dar.
Ist der Minderjährige jedoch nicht einwilligungsfähig, ist regelmäßig das Einverständnis der Eltern einzuholen. Verweigern diese missbräuchlich den erforderlichen Eingriff, so muss sich der Arzt an das Vormundschaftsgericht wenden (§ 1666 BGB). Bleibt hierfür keine Zeit, so kann ein dringend gebotener Eingriff dennoch aus dem Gesichtspunkt des rechtfertigenden Notstandes (§ 34 StGB) verantwortbar sein.