Impfpflicht
Heisse Debatte im Bundes­tag Bild: Parla­ments-TV

Die Impfpflicht ist vom Tisch: Der Bundes­tag ließ am Donners­tag zuerst den Antrag von Vertre­tern der Ampel­ko­ali­tion auf eine Impfpflicht ab 60 durch­fal­len. Auch der Antrag der Union auf ein Impfre­gis­ter fand keine Mehrheit. Vor der Abstim­mung wurde noch einmal heftig debat­tiert. Grund­lage der Debatte waren vier Anträge:

  • Impfpflicht ab 60: Menschen ab 60 müssten ab dem 15. Oktober nachwei­sen, dass sie geimpft oder genesen sind. Je nach Pande­mie-Lage, Erkennt­nis­sen über Virus­va­ri­an­ten und Impfquote könnte der Bundes­tag diese Pflicht aber vorher auch wieder ausset­zen. Er könnte sie mit Beschluss frühes­tens im Septem­ber aber auch auf Perso­nen ab 18 Jahren auswei­ten. Der Gesetz­ent­wurf dieser Gruppe sieht außer­dem eine Impfbe­ra­tungs­pflicht und den Aufbau eines Impfre­gis­ters vor.
  • Impfvor­sor­ge­ge­setz: Dieser Vorschlag stammt von der CDU/CSU. Er beinhal­tet den Aufbau eines Impfre­gis­ters. Je nach Pande­mie­lage soll auch ein „gestuf­ter Impfme­cha­nis­mus“ in Kraft treten.
  • Antrag gegen die Impfpflicht: Dieser Antrag kommt von der Gruppe um Wolfgang Kubicki (FDP) und wird auch von Teilen der Linken wie Gregor Gysi und Sahra Wagen­knecht unter­stützt.
  • Antrag gegen die Impfpflicht und Aufhe­bung der teilwei­sen Impfpflicht: Die AfD spricht sich mit ihrem Antrag gegen eine Auswei­tung der Impfpflicht aus. Außer­dem soll die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht, die seit Mitte März für das Perso­nal in Gesund­heits- und Pflege­ein­rich­tun­gen gilt, wieder abgeschafft werden.

„Impfung schützt vor schwe­ren Verläu­fen“

Dagmar Schmidt (SPD) eröff­net die Debatte. Sie plädiert für die Impfpflicht ab 60 und appel­liert an das Verant­wor­tungs­ge­fühl der Abgeord­ne­ten: „Man kann sich nicht gegen etwas entschei­den, ohne sich für etwas anderes zu entschei­den. Auch dafür trägt man die Verant­wor­tung.“ An dieser Stelle sorgt Thomas Ehrhorn (AfD) für Erhei­te­rung: Sein Einwurf, er sei geimpft, habe sich aber trotz­dem infiziert und das sei der Beweis für die fehlende Schutz­wir­kung der Impfung, wurde mit Geläch­ter quittiert. Schmidt klärte ihn darauf­hin auf: „Die Impfung schützt vor schwe­ren Verläu­fen.“

Tino Sorge (CDU/CSU) lobte zunächst, dass die Ampel in ihrem Kompro­miss­vor­schlag auch das von seiner Fraktion gefor­derte Impfre­gis­ter integriert hat. Aller­dings kriti­sierte er: „Es kann nicht seint, dass die Masken­pflicht fällt, aber eine Impfpflicht durch die Hinter­tür einge­führt wird.“ Außer­dem zeigte er sich irritiert, dass so lapidar mit Eingrif­fen in die körper­li­che Unver­sehrt­heit umgegan­gen werde.

Die extremste Gegen­po­si­tion zur Impfpflicht vertrat die AfD. Dr. Alice Weidel warf der Regie­rung verfas­sungs­feind­li­ches Handeln vor: Die MRNA-Vakzi­nen hätten keine reguläre Zulas­sung. Außer­dem gebe es keine belast­ba­ren Zahlen zu Neben­wir­kun­gen.

Impfpflicht
Wolfgang Kubicki (FDP) Bild: Parla­ments-TV

Auch Wolfgang Kubicki (FDP) sprach sich gegen die Impfpflicht aus Laut Kubicki werde die Herden­im­mu­ni­tät durch die Impfun­gen nicht erreicht. Außer­dem sei eine gefähr­li­chere Variante des Virus nicht das wahrschein­lichste Szena­rio für den Herbst: „Die Impfun­gen dienen dem Selbst­schutz und nicht dem Fremd­schutz.“ Er zitierte ein State­ment des Ethik­ra­tes, nachdem die Risiken der Pande­mie die Eingriffe nicht recht­fer­tig­ten.

Ein klares Bekennt­nis zur Impfpflicht kam von Dr. Andrew Ullmann. Freiheit könne nur erreicht werden, indem das Gesund­heits­sys­tem vor Überlas­tun­gen geschützt werde. Eine Vorher­sage zur nächs­ten Welle im Herbst könne nicht seriös getrof­fen werden, also sei es besser, jetzt zu handeln und Impflü­cken zu schlie­ßen als dem nächs­ten Corona-Winter entge­gen­zu­ge­hen.

An dieser Stelle kam eine Zwischen­frage aus der AfD-Fraktion: Ein Bundes­tags­mit­glied wies darauf hin, er habe Corona gehabt und es sei harmlos gewesen, wogegen viele Menschen nach der Impfung Probleme hätten. Ullmann entgeg­nete: „Sie haben eine Beobach­tung an Ihrem eigenen Körper gemacht und das ist gut, aber so funktio­niert Wissen­schaft nicht. Die Menschen, die vor der Impfung Angst haben, müssen profes­sio­nell aufge­klärt werden – nicht über Telegram oder Facebook-Gruppen, sondern von Medizi­nern.“

Impfpflicht: Kritik am Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter

Nina Warken (CDU/CSU) übte scharfe Kritik an Gesund­heits­mi­nis­ter Lauter­bach: „Es wäre angebrach­ter für Sie gewesen, gemein­sam mit Kolle­gen an einem Geset­zes­ent­wurf zu arbei­ten, als bis spät in die Nacht bei Markus Lantz zu sitzen.“

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Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) Bild: Parla­ments-TV

Lauter­bach korri­gierte zunächst die Annahme einiger Abgeord­ne­ter, die Impfpflicht sei nicht aufgrund der Harmlo­sig­keit der Omikron-Variante nicht mehr notwen­dig: „Omikron ist milder, weil so viele Menschen geimpft sind.“ Für ihn ist die Impfpflicht eine Möglich­keit, 90 Prozent der Todes­fälle zu vermei­den: „Nutzen wir diese Gelegen­heit.“ An dieser Stelle inter­ve­nierte eine Abgeord­nete der AfD, die sich auf ihre medizi­ni­sche Ausbil­dung berief um ihrer Argumen­ta­tion mehr Nachdruck zu verlei­hen. Lauter­bach zeigte sich „bestürzt, wie viele Kolle­gen aus der Medizin ihre Reputa­tion nutzen, um Dinge zu behaup­ten, die von der ganzen Medizin wider­legt werden.“

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Sahra Wagen­knecht (Die Linke) Bild: Parla­ments-TV

Sahra Wagen­knecht (Die Linke) ist eine entschie­dene Gegne­rin der Impfpflicht: Die Impfstoffe „schüt­zen nicht davor, sich und andere zu infizie­ren. Wie gut die Impfung gegen kommende Varian­ten schützt, weiß kein Mensch. Sie bezeich­nete Lauter­bach als „kopflo­sen Gesund­heits­mi­nis­ter“, der sein Gesicht waren müsse und vertei­digte die persön­li­che Entschei­dungs­frei­heit jedes Einzel­nen. Von ihrem Frakti­ons­kol­le­gen Jan Korte kam noch ein Fazit zur Lage des Gesund­heits­sys­tems: „Was soll das heißen, es gibt keine Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems? Reden sie mal mit den Pflege­rin­nen und Pflegern – das Gesund­heits­sys­tem war schon vorher überlas­tet.“