Impfpflicht
Lebhafte Debatte im Bundes­tag zur allge­mei­nen Impfpflicht Bild: Bundes­tags-TV

Donners­tag­vor­mit­tag disku­tier­ten die Abgeord­ne­ten im Bundes­tag erneut über die Einfüh­rung einer allge­mei­nen Impfpflicht – keine Sekunde zu früh im Angesicht von Rekord-Infek­ti­ons­ra­ten. Inzwi­schen liegen mehrere Geset­zes­ent­würfe zum Thema vor.

Impflicht ab 18 Jahren

Eine Impfpflicht für alle Menschen ab 18 fordern Vertre­ter von Bündnis 90/Grüne, FDP und SPD. Dr. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) wies darauf hin, dass eine indivi­du­elle Gewis­sens­ent­schei­dung nicht dazu führen dürfe, der Verant­wor­tung für die Gesund­heit der Menschen nicht gerecht zu werden.

Auch Dr. Andreas Boven­schulte (SPD) sprach sich für die Impfpflicht aus. Eine Impfver­wei­ge­rung könne man akzep­tie­ren, aber diese Menschen würden sich infizie­ren und dann drohten wieder Einschrän­kun­gen. „Die Menschen wollen und können nicht mehr“, sagte er und fügte hinzu: „Wenn wir nur die Wahl haben zwischen Lockdown-Gefahr und Impfpflicht, dann sollten wir uns für die Impfpflicht entschei­den.“

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Eine indivi­du­elle Gewis­sens­ent­schei­dung dürfe nicht dazu führen, der Verant­wor­tung für die Gesund­heit der Menschen nicht gerecht zu werden, erklärte Robert Habeck (Grüne) Bild: Bundes­tags-TV

Emilia Fester (Bündnis 90/Die Grünen) verwies auf die Opfer, die ihre Genera­tion bereits während der Pande­mie gebracht hat: „Ich war nicht in der Uni, ich war nicht im Ausland, ich habe kein Museum und kein Festi­val besucht, ich habe meinen Geburts­tag nicht gefei­ert.“ Sie appel­lierte an die Gegner der Impfpflicht: „Wenn Sie und alle anderen Freunde der Freiheit sich verdammt noch mal hätten impfen lassen, dann wäre ich jetzt frei.“

Ihre Frakti­ons­kol­le­gin Katrin Göring-Eckardt wies darauf hin, dass die einrich­tungs­be­zo­gene Impfpflicht nur ein erster Schritt sei, um vulnerable Gruppen zu schüt­zen. Sie wehrte sich ausdrück­lich gegen Vorwürfe der CDU/CSU-Fraktion: „Wir haben seit zwei Jahren Pande­mie. Diese zwei Jahre hat nicht nur die Ampel­ko­ali­tion regiert.“

Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Dr. Karl Lauter­bach (SPD) sprach sich ebenfalls für die Impfpflicht aus. Er rechnet mit dem Entste­hen neuer, vielleicht gefähr­li­che­rer Varian­ten des Corona­vi­rus und warnte vor der nächs­ten Welle: „Dass wir im Herbst keine Schwie­rig­kei­ten bei der Bekämp­fung des Virus haben ist fast so wahrschein­lich wie dass wir keinen Herbst bekämen.“

Auch er wandte sich ganz klar an die Impfgeg­ner: „Jetzt geht es darum, dass mal dieje­ni­gen die Regeln beach­ten, die es die ganze Zeit nicht getan haben. Schuld­zu­wei­sun­gen sind fehl am Platz, aber Verant­wor­tungs­zu­wei­sun­gen sind richtig. Die Ungeimpf­ten tragen die Verant­wor­tung für die Situa­tion und das muss man sagen dürfen.“ Die Ungeimpf­ten würden derzeit die Verant­wor­tung dafür tragen, dass wir nicht weiter­kom­men.

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„Die Ungeimpf­ten tragen die Verant­wor­tung für die Situa­tion und das muss man sagen dürfen“, sagt Bundes­ge­sund­heits­mi­nis­ter Karl Lauter­bach (SPD) Bild: Bundes­tags-TV

Beratungs­pflicht und Impfpflicht ab 50

Eine etwas abgemil­derte Variante der Impfpflicht ist Gegen­stand des zweiten Geset­zes­ent­wurfs. Er schlägt vor, eine verpflich­tende Impfbe­ra­tung für Erwach­sene einzu­füh­ren, in Kombi­na­tion mit einer alters­be­zo­ge­nen Impfpflicht ab 50 Jahren. Als Unter­stüt­ze­rin dieses Vorschlags sprach Dr. Paula Piech­otta (Bündnis 90/Die Grünen), die davor warnte, Kompro­miss­lö­sun­gen schlecht zu reden. Sie wies darauf hin, dass auch mit einer Teillö­sung gerade für die Pflege schon viel erreicht werden könnte: „Jeder, der sich immer aufge­regt hat, dass für die Pflege nur vom Balkon geklatscht wurde, der kann jetzt hier über seinen eigenen Schat­ten sprin­gen und zumin­dest die Überlas­tung des Gesund­heits­sys­tems verhin­dern.“

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Gregor Gysi (Die Linke) sprach sich gegen eine Impfpflicht aus. Der Impfstoff rotte die Krank­heit nicht aus. Bild: Bundes­tags-TV

Keine Impfpflicht

Auch die Gegner der Impfpflicht finden sich in allen Fraktio­nen. Dr. Gregor Gysi (Die Linke) begrün­dete seine Meinung damit, dass der Impfstoff die Krank­heit nicht ausrotte. Außer­dem wies er auf das Problem der Kontrolle hin: „Ein Gesetz, dass man nicht durch­set­zen kann, darf man nicht beschlie­ßen.“ Ein eigenes „Impfvor­sor­ge­ge­setz“ hatte die CDU/CSU einge­bracht. Grund­lage für ihren Vorschlag ist ein Impfre­gis­ter, auf dessen Basis Ungeimpfte gezielt angespro­chen werden können. Auch die AfD-Fraktion sprach sich gegen eine Impfpflicht aus.

Wie geht es weiter?

Eine einheit­li­che Linie des Bundes­ta­ges ist nach wie vor nicht zu erken­nen. Die weitere Beratung über die verschie­de­nen Geset­zes­vor­schläge zur Impfpflicht wird im Gesund­heits­aus­schuss statt­fin­den. Dass Timing ist knapp: Die Abstim­mung über die Impfpflicht soll Anfang April statt­fin­den, bei der die Abgeord­ne­ten unabhän­gig von ihren Fraktio­nen entschei­den dürfen. Viel Zeit für eine Umset­zung der Impfpflicht – sollte sie kommen – bleibt da nicht mehr.