"Jeder pflegt allein - Wie es in deutschen Heimen wirklich zugeht"
Marcus Jogerst, der Haupt­prot­ago­nist des Buches „Jeder pflegt allein – Wie es in deutschen Heimen wirklich zugeht“ Bild: Daniel Drepper/correctiv.org

Lange Zeit war die Quali­tät in der Pflege mehr als dürftig. Es wird an jeder Stelle gespart. Großkon­zerne möchten möglichst viel Profit abwer­fen und darun­ter leiden häufig die Kunden bzw. die Bewoh­ner. Es fehlt Nachwuchs­per­so­nal, da der Beruf sehr stres­sig und unter­be­zahlt ist. Das Berufs­feld des Alten­pfle­gers ist das Einzige, mit mehr zur Verfü­gung stehen­den Arbeits­stel­len als Bewer­bern.

Der Status quo

Weil das Geld fehlt und Perso­nal­man­gel herrscht, muss eine Pflege­kraft sich allein um mehrere Bewoh­ner kümmern. Das führt dazu, dass jedem pflege­be­dürf­ti­gen Bewoh­ner viel weniger Zeit zuteil wird. Die Folgen: Es wird sich weniger um den Betrof­fe­nen geküm­mert und zunehe­mend nur noch das Notwen­dige unter­nom­men, um ihn am Leben zu halten. Pflege­kräfte und Bewoh­ner leiden zuneh­mend an der Arbeits­be­las­tung. Und so bleibt kaum eine Pflege­kraft bis zur Rente im Beruf; im Schnitt verlas­sen Alten­pfle­ge­kräfte die Branche bereits nach etwas mehr als 8 Jahren.

Nicht überra­schend also, dass immer öfter über menschen­un­wür­dige Bedin­gun­gen in Pflege­hei­men berich­tet wird. Kunden­zu­frie­den­heit scheint die Einrich­tungs­be­trei­ber weniger zu inter­es­sie­ren und auch die Quali­tät spielt wohl nur eine unter­ge­ord­nete Rolle. Die Angehö­ri­gen können die Quali­tät nicht richtig einschät­zen, denn so etwas wie unabhän­gige Bewer­tungs­por­tale oder Kontroll­in­stan­zen gibt es nicht. Und Kontrol­len durch Behör­den finden unter Ausschluss der Öffent­lich­keit statt und Quali­täts­be­richte bleiben unter Verschluss.

„Jeder pflegt allein – Wie es in deutschen Heimen wirklich zugeht“

In seiner Under­co­ver-Repor­tage beleuch­tet der Journa­list Daniel Drepper die Zustände von mehre­ren namhaf­ten Pflege­hei­men. Die Einrich­tun­gen erinnern viel mehr an ein Kranken­haus, es soll ein Gefühl der Hygiene und der Steri­li­tät vermit­telt werden; dass die Bewoh­ner sich in der Kranken­haus­at­mo­sphäre nicht wohl fühlen, inter­es­siert keinen. Gefälschte Dokumen­ta­tion, mangelnde hygie­ni­sche Zustände und ein System, das sich mit aller Kraft gegen Moder­ni­sie­rung und neue Regeln zu Wehr setzt. Für dieses Buch hat der Autor u.a. mehr als ein Jahr lang mit hunder­ten Menschen gespro­chen.

Der Kampf gegen das System

Der Haupt­prot­ago­nist des Buches ist Marcus Jogerst. Seine Lebens­ge­schichte zieht sich wie ein roter Faden durch das gesamte Buch. Angefan­gen als Azubi im Kranken­haus, verbrachte er Jahrzehnte in der Pflege und führte einen langen und ermüden­den Kampf gegen veral­tete Struk­tu­ren, sture Geschäfts­füh­run­gen und ein bruta­les System. Bis er der Situa­tion überdrüs­sig wurde und selbst ein Pflege­heim gründete – nach seinen Vorstel­lun­gen. Die Vision: Die Patien­ten sollen sich wohlfüh­len und das Geld spielt eine unter­ge­ord­nete Rolle.

Am Ende seines Buches führt der Autor zudem Quellen und Beratungs­stel­len für Betrof­fene auf und liefert auch eine Check­liste ab, an der man ein schlech­tes Pflege­heim erken­nen kann.

Ehrlich, gut recher­chiert und mit Geschich­ten, die einem unter die Haut gehen. Daniel Drepper reflek­tiert mit seiner Repor­tage die Pflege­si­tua­tion in Deutsch­land und bewegt einen dazu, sich selbst mit einem unange­neh­men Thema zu beschäf­ti­gen, welches wir schon zu lange verdrän­gen.

jeder-pflegt-alleinDas Buch „Jeder pflegt allein – Wie es in deutschen Heimen wirklich zugeht.“ ist im correc­tiv-Shop für 20 Euro erhält­lich. Ein Inter­view mit dem Autor Daniel Drepper können Sie hier lesen.