Personal
Bundes­fi­nanz­mi­nis­ter Chris­tian Lindner (FDP) Bild: Bundes­mi­nis­te­rium der Finan­zen / Photo­thek

Im Entwurf des Geset­zes wird die Problem­lage in Sachen Perso­nal sehr treffend beschrie­ben: “Die Arbeit hat sich für viele Beschäf­tigte in der Alten- und Kranken­pflege in den letzten Jahren sehr verdich­tet. Die Folgen der gestie­ge­nen Arbeits­be­las­tung sind unter anderem ein höherer Kranken­stand und ein frühzei­ti­ges Ausschei­den von Pflege­kräf­ten aus dem Beruf. Werden keine Gegen­maß­nah­men einge­lei­tet, führt dies zu einer Verschär­fung des Mangels an Pflege­kräf­ten und zu weiter steigen­den Belas­tun­gen für die verblei­ben­den Kräfte.”

Perso­nal sollte sich nach Aufwand aufstel­len

Leider ziehen die Betei­lig­ten aus dieser Proble­ma­tik die falschen Schlüsse. Die ursprüng­lich gute Idee, dass das einzu­set­zende Perso­nal sich nach dem Aufwand (weitest­ge­hend also nach der Betten­be­le­gung) bemisst, wird durch diverse Änderun­gen des Geset­zes­tex­tes zunichte gemacht. Statt die beschrie­be­nen Probleme zu entschär­fen und für tatsäch­li­che Entlas­tung zu sorgen, wird das Gesund­heits­we­sen weiter den ökono­mi­schen Zwängen unter­ge­ord­net. Zeit für diverse Änderun­gen des Entwurfs hat sich die Bundes­re­gie­rung dabei reich­lich gelas­sen. Der ursprüng­li­che Vorschlag für die Neure­ge­lung wurde bereits im Januar 2020 veröf­fent­licht.

Mit der Einfüh­rung des Geset­zes soll dem Finanz­mi­nis­ter nun die Mitbe­stim­mung bei der Festle­gung der Menge des Pflege­per­so­nals für die Kranken­häu­ser ermög­licht werden. Alexan­der Bluhm, Regio­nal­ko­or­di­na­tor der Region Südwest beim Bochu­mer­Bund, positio­niert sich dazu klar: “[…] Es ist ein Angriff auf unsere Profes­sion, denn wie und wer pflegt, soll zukünf­tig die Kassen­lage entschei­den, wir bewegen uns also von einer evidenz­ba­sier­ten und am indivi­du­el­len Bedarf orien­tier­ten Pflege hin zu staat­lich verord­ne­ten Leistungs­um­fän­gen.”

Orien­tie­rung an der Sparpo­li­tik der letzten Jahrzehnte

Anstatt langfris­tige Verbes­se­run­gen herbei­zu­füh­ren, die auf Dauer die Stabi­li­tät des Gesund­heits­we­sens und insbe­son­dere des Pflege­sek­tors setzen, orien­tiert man sich weiter an der misslun­ge­nen Sparpo­li­tik der letzten 30 Jahre. Von den Mehrkos­ten, die Verbes­se­run­gen des Berufs natür­lich mit sich bringen würde, ist im Geset­zes­ent­wurf nun keine Rede mehr. Der ursprüng­li­che Entwurf sah eine Aufsto­ckung von 40.000 – 80.000 Pflegen­den vor. Wie viele neue Stellen es durch dieses Gesetz geben wird, ist unklar.

Erst kürzlich hat eine Studie der Arbeit­neh­mer­kam­mer Bremen belegt, dass Pflege­kräfte mit einer Arbeits­zeit von bis zu 660.000 Vollzeit­stel­len dazu bewegt werden könnten, in die Branche zurück­zu­keh­ren, wenn sich die Zustände bessern (Selbst nach sehr konser­va­ti­ven Schät­zun­gen sind es noch 300.000 Vollzeit­kräfte). Die wichtigs­ten Fakto­ren sind laut der Studie: erstens mehr Zeit für eine gute Pflege durch mehr Perso­nal und zweitens eine höhere Bezah­lung und verläss­li­che Arbeits­zei­ten.

Gesetz soll 2024 kommen

Dennoch werden solche Erkennt­nisse im Sinne der deutschen Sparpo­li­tik ignoriert und die Angestell­ten weiter an ihre Grenzen und darüber hinaus getrie­ben. Das Gesetz, das 2024 in Kraft treten soll, sieht statt­des­sen vor, jeder Patien­tin und jedem Patien­ten Minuten­werte zuzuord­nen. Zeit für zwischen­mensch­li­che Gesprä­che und zusätz­li­che Wege wird also weiter zurück­ge­hen. Anhand dieser Werte kann die Beset­zung dann ständig angegli­chen werden. Dass beim aktuel­len Perso­nal­man­gel dadurch mehr Pflegende auf den Statio­nen arbei­ten, ist schwer vorstell­bar. Eine Anglei­chung nach unten wäre dann aber immer eine Möglich­keit.

Alles in allem klingt das Gesetz nach einer Änderung, ähnlich der Einfüh­rung der Fallpau­scha­len. Die Einfüh­rung dieser “DRGs” hat 2004 die Arbeits­be­las­tung in der Pflege massiv verschärft. Es gilt nun also umso mehr für gute Arbeits­be­din­gun­gen und faire Löhne zu kämpfen. Schließt euch Gewerk­schaf­ten an, unter­schreibt Petitio­nen und sprecht Missstände an! Wir brauchen eine starke Lobby, die uns vertritt, denn ohne Wider­spruch werden wir immer stärker ausge­beu­tet!

Von Niklas Kemper