Notdienst
Auch wenn gestreikt wird, muss die medizi­ni­sche Notver­sor­gung gesichert werden. Bild: © Rainer Klotz | Dreamstime.com

Notdienst während des Arbeits­kamp­fes

Die jüngs­ten Warnstreiks von Verdi im März 2025 haben den medizi­ni­schen Betrieb in Deutsch­land wieder maßgeb­lich einge­schränkt. Während die einen für bessere Arbeits­be­din­gun­gen demons­trie­ren, leiden andere unter Umstän­den an einem medizi­ni­schen Notfall und brauchen umgehende Hilfe. Damit Betrof­fene nicht ihrem Schick­sal überlas­sen werden, müssen auch im Streik­fall Notdienste zur Versor­gung der Bevöl­ke­rung aufrecht­erhal­ten werden. Die werden norma­ler­weise von der strei­ken­den Gewerk­schaft und dem Arbeit­ge­ber im Einver­neh­men organi­siert. Vorge­ge­ben ist das durch die gelten­den Arbeits­kampf­richt­li­nien.

Demnach müssen Arbeit­ge­ber und Gewerk­schaft Art, Umfang und Perso­nal­ein­satz des Notdiens­tes gemein­sam verein­ba­ren. Dass das nicht immer einwand­frei funktio­niert, zeigt ein Fall vom Dezem­ber 2023 über den nun entschie­den wurde.

Streit zwischen Gewerk­schaft und Arbeit­ge­ber

Damals hatte Verdi im Zuge von Tarif­ver­hand­lun­gen zu Streiks aufge­ru­fen, was zu einem Streit zwischen der Gewerk­schaft und einem nicht tarif­ge­bun­de­nen Klinik­be­trei­ber führte. Bei der Organi­sa­tion des Notdiens­tes hatte die Gewerk­schaft nach Ansicht des Arbeit­ge­bers zu wenig Perso­nal und zu wenige Betten einge­plant – eine Einigung kam somit nicht zustande.

Verdi wollte das nicht auf sich sitzen lassen und ging recht­lich gegen den blockie­ren­den Arbeit­ge­ber vor. Durch eine einst­wei­lige Verfü­gung sollte er dazu verpflich­tet werden, die vorge­schla­gene Notdienst­ver­ein­ba­rung abzuschlie­ßen.

Zur Begrün­dung sagte die Gewerk­schaft, dass der beklagte Arbeit­ge­ber schon seit über einem halben Jahr und mehre­ren Streik­ta­gen Verhand­lun­gen verwei­gere. Durch die moderate Reduzie­rung der Betten­ka­pa­zi­tät solle der Druck in den Verhand­lun­gen erhöht werden.

Während das ArbG Stral­sund der Sache in erster Instanz statt­ge­ge­ben hatte, wider­sprach in zweiter Instanz das LAG Mecklen­burg-Vorpom­mern der Gewerk­schaft und erklärte die arbeits­ge­richt­li­che Entschei­dung für fehler­haft.

Nur Arbeit­ge­ber kann Notdienst im Streit­fall anord­nen

Laut LAG habe die Gewerk­schaft nämlich überhaupt kein Recht darauf, im Streit­fall einen Notdienst einzu­rich­ten. Das könne nur der Arbeit­ge­ber, die Gewerk­schaft müsse den Plan schließ­lich dulden. Entspre­chend könne auch nur der Arbeit­ge­ber im Streit­fall eine einst­wei­lige Verfü­gung gegen die Gewerk­schaft erwir­ken und nicht anders­herum.

Völlig ausge­schlos­sen ist eine einst­wei­lige Verfü­gung im Sinne der Gewerk­schaft aller­dings nicht. Eine solche kann gegen den Arbeit­ge­ber erwirkt werden, wenn dieser einen Notdienst anord­net, „der das erfor­der­li­che Maß überschrei­tet“.

Warum nur der Arbeit­ge­ber den Notdienst anord­nen könne, liege haupt­säch­lich darin begrün­det, dass nur er – wegen seiner tiefen Betriebs­kennt­nis – wissen könne, welche Arbei­ten tatsäch­lich erfor­der­lich seien. Außer­dem trage der Arbeit­ge­ber das Haftungs­ri­siko sowie die wirtschaft­li­che und unter­neh­me­ri­sche Verant­wor­tung.

Treue­pflich­ten der Arbeit­neh­mer gelten auch im Streik

Dass die Arbeit­neh­mer auch im Streik­fall Notdienste verrich­ten müssen, hänge maßgeb­lich damit zusam­men, dass ihre Treue­pflich­ten gegen­über dem Arbeit­ge­ber auch im Streik nicht aufge­ho­ben seien.

Zudem gehe auch bei Betrach­tung der kolli­die­ren­den Grund­rechteArt 9 Abs. 3 GG der Gewerk­schaft versus Art. 12 und 14 GG des Arbeit­ge­bers und Art. 2 Abs. 1 GG der Patien­ten – hervor, dass nur der Arbeit­ge­ber zur Anord­nung befugt sei.

Da die Gewerk­schaft also schon keinen Anspruch darauf habe, einen Notdienst anzuord­nen, habe sie auch kein Recht auf die gefor­derte Betten­sper­rung. Die Arbeits­kampf­frei­hei­ten gingen laut Gericht nämlich nicht so weit, dass alle unter­neh­me­ri­schen Entschei­dun­gen dem Arbeits­kampf zu unter­wer­fen seien.

Eine gericht­lich erzwun­gene Betten­sper­rung würde so einer Betriebs­still­le­gung gleich­kom­men, die mit Blick auf die Unter­neh­mens­frei­heit nur dem Arbeit­ge­ber obliege.

Quelle: LAG Mecklen­burg-Vorpom­mern vom 09.07.2024 – 4 GLa 3/24