Akademisierung der Pflege
Seit einiger Zeit werden Stimmen lauter, die die Akade­mi­sie­rung der Pflege fordern

Die World Health Organi­sa­tion (WHO) fordert bereits seit 2009 globale Standards für die Ausbil­dung von Pflegen­den. Auch deutsche Pflege­ver­bände wie der Deutsche Pflege­rat e.V. (DPR), die Deutsche Gesell­schaft für Pflege­wis­sen­schaft, der Deutsche Berufs­ver­band für Pflege­be­rufe (DBfK) setzen sich seit länge­rem für eine Akade­mi­sie­rung der Pflege ein.

1. Der demogra­fi­sche Wandel macht sich bemerk­bar

Der demogra­fi­sche Wandel – das heißt, die zuneh­mende Überal­te­rung der Gesell­schaft – sowie der medizi­ni­sche Fortschritt lassen den Bedarf an akade­misch ausge­bil­de­ten Pflegen­den steigen. Auch die fortschrei­tende Digita­li­sie­rung im Pflege­be­reich bringt neue Heraus­for­de­run­gen an die Pflegen­den mit sich. Hier kann die Akade­mi­sie­rung die Quali­tät der Pflege für die Zukunft sicher­stel­len.

2. Pflegende sind keine Assis­ten­ten

In vielen Ländern ist die Hochschul­aus­bil­dung für Pflegende bereits Standard: Der Anteil der Pflege­kräfte mit Studium liegt in den Nieder­lan­den bei 45 Prozent, in Schwe­den und Großbri­tan­nien bei 100 Prozent. Zum Vergleich: In Deutsch­land haben nur zwei Prozent der Pflege­ab­sol­ven­ten ein Pflege­stu­dium vorzu­wei­sen.

Und das hat Auswir­kun­gen auf das Berufs­feld: In Deutsch­land sind viele Tätig­kei­ten Ärzten und Ärztin­nen vorbe­hal­ten, worun­ter die Quali­tät der Patien­ten­be­treu­ung leidet. Pflegende dürfen beispiels­weise keine Thera­pie­an­pas­sung bei Diabe­tes­pa­ti­en­ten vorneh­men – das ist den Ärzten vorbe­hal­ten, die oft nicht erreich­bar sind. Durch eine Pflege­aus­bil­dung mit stärke­rem wissen­schaft­li­chen Fokus würde sich auch das Kompe­tenz­feld der Pflegen­den erwei­tern.

3. Pflege­be­ruf wird für mehr Menschen attrak­ti­ver

Die Zahl der Abitu­ri­en­ten steigt seit Jahren an. Viele Abitu­ri­en­ten möchten studie­ren. Aber für diese Menschen bietet der Pflege­be­ruf aktuell wenig Anreiz, da der wissen­schaft­li­che Aspekt wenig im Fokus steht.

Eine stärkere Akade­mi­sie­rung der Pflege könnte also dafür sorgen, den Pflege­be­ruf auch für Menschen attrak­tiv zu machen, die diese Laufbahn bisher nicht in Erwägung ziehen – vor dem Hinter­grund des Pflege­kräf­te­man­gels ein nicht zu vernach­läs­si­gen­des Argument.

4. Höhere Wertschät­zung des Berufs notwen­dig

Die geringe Wertschät­zung des Pflege­be­rufs ist seit langem eine traurige Tatsa­che. Zwar wurde in der Anfangs­zeit der Corona­pan­de­mie für die Pflege­kräfte geklatscht, nichts­des­to­trotz verbin­den viele Menschen den Pflege­be­ruf immer noch mit anstren­gen­der Arbeit bei magerem Gehalt und fehlen­den Aufstiegs­chan­cen.

Auch hier könnte eine höhere akade­mi­sche Quali­fi­ka­tion helfen, mehr Wertschät­zung für die Pflege zu zeigen. Denn gerade in Deutsch­land wird formale Quali­fi­ka­tion oft immer noch höher bewer­tet als prakti­sche Erfah­rung.

5. Neue Jobs müssen her

Aktuell schei­tert die Akade­mi­sie­rung der Pflege oft noch daran, dass in Kranken­häu­sern und Pflege­ein­rich­tun­gen keine Stellen­pro­file existie­ren, die spezi­ell auf Absol­ven­ten des Pflege­stu­di­ums zugeschnit­ten sind. So überneh­men studierte Pflege­kräfte nach dem Abschluss die gleichen Aufga­ben, die sie auch ohne Studium bekom­men würden und können so ihr neues Wissen oft gar nicht einset­zen.

Es gibt also viele gute Argumente für eine stärkere Akade­mi­sie­rung der Pflege. Aller­dings ist die Regie­rung gefragt, die notwen­di­gen Änderun­gen im Gesetz zu veran­kern. Vielleicht wird es die Ampel schaf­fen, endlich wirksame Maßnah­men zur Lösung des Pflege­not­stan­des durch­zu­set­zen.