
Vor dem Hintergrund einer stark steigenden Zahl an Pflegefällen in den kommenden Jahrzehnten rufen zwei Altersmedizin-Fachverbände die Bundespolitik dazu auf, die medizinische Vorsorge für ältere Menschen gezielt zu stärken.
Es gelte, die Geriatrie als Teil der Inneren Medizin in den geplanten Reformvorhaben der Bundesregierung zu stärken, um die Fälle von Pflegebedürftigkeit zu reduzieren.
Mit der gemeinsamen Forderung wandten sich der Berufsverband der Deutschen Internistinnen und Internisten e. V. (BDI) und die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG) zusammen an die Öffentlichkeit.
Laut einer Studie des Statistischen Bundesamts (Destatis) werde die Zahl der pflegebedürftigen Menschen in Deutschland in den kommenden zehn Jahren um 14 Prozent, und bis 2055 um 37 Prozent steigen – bei gleichzeitiger Zunahme des Pflegenotstands aufgrund fehlenden Personals. Es gelte jedoch, an einem ganz anderen Hebel anzusetzen, so die Verbände.
Geriatrie als eigene Facharztdisziplin stärken
„Wir sprechen bei der drastisch zunehmenden Pflegebedürftigkeit der Menschen in unserer Gesellschaft immer nur darüber, wie wir Pflege künftig organisieren und finanzieren können. Wir müssen aber viel früher ansetzen und Pflegebedürftigkeit verringern.
Das ist möglich, wenn die Politik die Rahmenbedingungen dafür schafft“, mahnt Christine Neumann-Grutzeck, Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Internistinnen und Internisten und praktizierende Fachärztin für Innere Medizin und Diabetologie.
Dabei müsse laut der BDI-Präsidentin die Geriatrie als Teilgebiet der Inneren Medizin dringend gestärkt werden. Sie sei das Bollwerk gegen Pflegebedürftigkeit und ein probates Mittel, um den Pflegebedarf zu reduzieren und Kosten und Ressourcen im Gesundheitswesen einzusparen.
Erreicht werden könne dies, gezielte Weiterbildungen für ärztliches Personal anzubieten sowie die Geriatrie als eigene fachärztliche Disziplin zu begründen. Durch einen stärkeren präventiven Ansatz könne man in vielen Fällen verhindern, dass Menschen überhaupt pflegebedürftig werden.
Altersmedizin: „Geriatrische Aspekte gehören aufs Tableau“
„Die Notwendigkeit der fachärztlichen Geriatrie wird völlig unterschätzt. Es ist Zeit umzudenken! Wir benötigen die Altersmedizin in qualitativ hochwertiger Weise als Facharztdisziplin und daneben weiterhin in der Zusatzweiterbildung. Egal ob haus- oder fachärztlich, ambulant oder stationär – geriatrische Aspekte gehören aufs Tableau, um konsequent Funktionalität und Eigenständigkeit zu fördern“, betont Prof. Dr. Michael Denkinger, Mitglied im BDI-Vorstand, gewählter Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG) und Ärztlicher Direktor der AGAPLESION-Bethesda-Klinik Ulm.
Die qualitativ hochwertige Geriatrie als Teil der Inneren Medizin biete in ihren akuten, frührehabilitativen und rehabilitativen Ansätzen große Chancen, der Pflegebedürftigkeit aktiv entgegenzuwirken.
„Diese Perspektive muss sowohl für die geplante Krankenhausreform als auch für das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz in den Blick genommen werden. Auch müssen bereits umgesetzte Vorhaben, wie das Intensivpflege- und Rehabilitationsstärkungsgesetz endlich wirklich gelebt werden. Versorgungssicherheit kann nur gelingen, wenn wir Pflegebedürftigkeitsprävention in jedem Gesetzesvorhaben mitdenken.
Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie möchten wir deshalb die Geriatrie als essentiellen Teil der internistischen Versorgung in den Fokus der Debatten um den drohenden Pflegekollaps rücken“, ergänzt PD Dr. Kevin Schulte, BDI-Vizepräsident und stellvertretender Klinikdirektor am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein / Klinik für Innere Medizin IV.
Quelle: DGG